Balkantour 2009 - Tag 8: Fushë Kosovë - Fushë Kosovë
Von Pascal Zingg
Sonntag 12.7.2009: Fushë Kosovë – Fushë Kosovë(Text: Neel Bechtinger; Fotos: Pascal Zingg, David Gubler, Neel Bechtinger)
Neuer Tag, neues Glück. Das Wetter war schon mal gut, bis auf einige Wolken war nicht viel am Himmel. Dies überraschte uns doch etwas, da es nicht so recht zum Wetterbericht, den wir telefonisch zu Hause abgefragt hatten, passte. „Schlecht“ war, dass wieder dieselben NOHABs wie immer im Personenverkehr waren, wobei wir damit leben konnten.
Aber natürlich hatten wir nichts gegen schönes Wetter einzuwenden, und so begann der Tag um kurz vor halb acht vor dem Hotel. Um diese Zeit stand immer der erste Zug aus Hani i Elezit an, Ankunft 7:33, und um 8:00 verliess der erste Zug nach Pejë den Bahnhof. Rush Hour, könnte man sagen. Ohne viel Aufsehen zu erregen stellten wir uns an die Einfahrt und warteten mal.
Der Zug aus Hani i Elezit kam mit den üblichen fünf Minuten Verspätung, aber leider nur so im Halblicht, denn die Sonne meinte, sie müsse sich hinter einer Wolke verstecken. Die Lok setzte wie erhofft (und erwartet) um, um für den nächsten Einsatz nach Pejë bereit zu sein. Derweil fuhr der Triebwagen aus Pejë nach Pristinë, und machte nach der Rückkehr Anschluss an den lokbespannten Zweiwagen-Zug. Weshalb man sich die Arbeit mit dem lokbespannten Zug machte erschloss sich uns nicht ganz, war uns aber auch egal ;) Das Umsetzen der Lok verlief schön im Licht, im Gegensatz zum darauf folgenden Rangiertraktor, der als Personaltransport zwischen Depot und Hauptbahnhof missbraucht wurde.
Lok 005 beim Umsetzen in Fushë Kosovë
Auch beim Zug nach Pejë und den Triebwagen, die ins Depot fuhren, war, wenn überhaupt, nur Halblicht vorhanden.
Was nun? Morgens nach 8 Uhr fiel man immer zwischen Stuhl und Bank, denn im Personenverkehr war nichts los und auch bezüglich Güterverkehr war nicht viel zu erwarten, zumal wir im Depot ziemlich viele Loks rumstehen sahen, so in etwa alle ;). David und Pascal liefen noch schnell zum Stellwerk von Fushë Kosovë, um da zu erfragen, ob sie etwas über Güterzüge wüssten. Sie bekamen aber keine brauchbare Antwort.
Wegen Unwohlsein zog ich es nun vor, nochmals ins Bett zu liegen, was den anderen auch passte und so zum nächsten Programmpunkt wurde. Als etwas später ein Bauzug kam lief Pascal raus, und traf im Depot die ganzen rumstehenden Loks an. Lok 008 war gerade an der Tanke; die Frage, ob die Lok heute noch zum Einsatz komme, wurde allerdings verneint.
Nohab 008 wird aufgetankt
So gegen zehn Uhr und nach einem dreissig minütigen Stromausfall hatten wir dann aber genug vom im Bett liegen, immerhin war es draussen schön und irgendwo würde bestimmt irgendwas laufen. Für den lokbespannten Zug nach Pejë wollten wir uns mal in der Region zwischen Barth und Drenas ins Tal stellen. Nach diesem Zug wollten wir noch zum letzten mal Fotos von den Zügen nach Hani i Elezit schiessen, da wir da bis auf die Dorfdurchfahrt von Kaçanik schon gut „gegrast“ hatten.
Das Programm begann denn auch wie geplant. Wir fuhren durch die Baustelle (auch bekannt als „die Hauptstrasse“) nach Barth und suchten uns im Tal drei Fotostellen. Im Tal war gerade der Bau einer neuen Strasse im Gange, was uns leider eine sehr grosse und auffällige Baupiste bescherte, die immer irgendwie im Bild war. Die Baupiste war zudem mühsam zu befahren, weil sie doch recht lange und übersät mit Schlaglöchern war... zum Glück war unser Auto nur ein Mietwagen ;).
Drei Stellen fanden wir problemlos, mussten dann aber erst mal anderthalb Stunden warten, bis der Zug kam. Ich wartete gemütlich im Baumschatten bei einer Kurve (so, dass ich von der Dorfjugend nicht entdeckt wurde, denn alleine fühlt man sich schnell mal bedrängt), Pascal auf der „alten Frau“ (wie eine Felsdurchfahrt anscheinend genannt wird) und David bei einer Brücke am Anfang des Tals.
Der Zug kam bei allen ohne Wolkenschaden, obwohl der Himmel zu diesem Zeitpunkt alles Andere als wolkenlos war.
Lok 005 mit dem Regio nach Pristina im Tal der Drenica
Der gleiche Zug kurz vor Bardh
David holte uns zwei im Tal drin wieder ab und wir fuhren zum nächsten Programmpunkt, dem 14 Uhr Zug aus Hani i Elezit, wie üblich mit NOHAB. Zeitlich würde es zwar eng, aber irgendwo um Lipjan sollte es schon klappen. Darauf wollten wir ihn verfolgen und es hinter Ferizaj nochmal probieren.
Soviel zum Plan. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Wir hatten gerade das unvermeidbare kurze Stück Hauptstrassenbaustelle hinter uns gelassen und einige Schleicher auf der Flughafenzufahrt überholt, als wir in der Verladeanlage beim Flughafen (bei der Golesh-Mine) die NOHAB 008 mit ein paar Ferronikeli-Wagen stehen sahen. Eigentlich war klar, was das zu bedeuten hatte, aber trotzdem wollten wir es vom Personal bestätigt haben. So machten wir erst ein paar Bilder und quatschen danach den Lokführer an. Zum ersten mal fragten wir nicht nach den Sprachkenntnissen, sondern probierten es gleich mit Zeichensprache. Zug nach Drenas? *aufdieUhrtipp*. Worauf der Lokführer entgegnete, er könne ein wenig Deutsch, das sei kein Problem. LOL, ok... ;)
So erfuhren wir, dass der Zug in etwa einer halben Stunde tatsächlich nach Drenas fahren sollte. Nachdem der Lokführer die leeren Wagen gezählt hatte und bemerkte, dass noch acht davon leer waren, verlängerte er aber seine Prognose auf eine Stunde, denn die Pneulader seien nicht so schnell.
Wir bedanken uns artig und fuhren schleunigst nach Lipjan, denn falls wir den Personenszug noch irgendwo kriegen konnten dann da. Dank Schleichern und anderen Verkehrshindernissen brachen wir die Übung aber nach wenigen Kilometern ab, da sie aussichtlos war. Zudem wollten wir die NOHAB 008 auf dem Weg nach Drenas keinesfalls verpassen. So fuhren wir zurück und verteilten uns erneut im Tal. Diesmal war ich auf der Brücke bei Barth, Pascal wieder bei der alten Frau und David noch etwas weiter hinten.
Auf der Brücke windete es stark. Unter mir befand sich die Werkseinfahrt des dortigen Tagebaus, inklusive Wachmann. Dieser schaute zwar gelegentlich zu mir hinauf, unternahm aber nichts weiter. Bemerkenswert dagegen waren der Sohn mit Vater, welche dem Wachmann unter dessen Aufsicht das Auto wuschen, sowie der etwa fünfzig Autos lange Autokorso, der sich über die Schlaggrube wagte ;).
Ich rechnete damit, dass der Zug in Kürze kommen würde, und widerstand erfolgreich der Versuchung, im kleinen Laden am Fusse der Brücke ein Eis zu kaufen. Ich wartete und wartete, eine Stunde, zwei Stunden, nichts tat sich. Erst irgendwann um halb fünf gabs ENDLICH ein Pfeifen in der Ferne, der Zug kam.
Lok 008 fährt mit ihrem Tonerdezug in Richtung Drenas
Nach der Durchfahrt wollte ich mir ein Eis holen, doch was hatte geschlossen? Natürlich der kleine Einkaufsladen. NEEEIN! Per SMS-Koordination beschlossen wir, die in dreissig Minuten folgenden Triebwagen nach Pejë noch mitzunehmen. Da ich kein zweites Bild von der Brücke runter wollte, lief ich in Richtung des nächsten Dorfes. Kaum war ich beim kleinen Laden, schon öffnete dieser, und ich bekam doch noch mein Tonic Water aus der Dose und mein Eis. Der Wachmann kam auch gleich angelaufen, er wartete anscheinend ebenfalls auf die Wiedereröffnung ;)
Im Ort stellte ich mich wieder unauffällig an passender Stelle in den Schatten und wartete auf das Triebwagen-Doppel. Auf einmal kam der Autocorso zurück, und von hinten kamen aus irgendeinem Haus geschätzte 30 Frauen und Mädchen, die sich zu Fuss an mir vorbei zwängten. Heieiei... und schauen durfte man auch nicht, war gar nicht einfach ;) Der Triebwagen kam bei uns allen in schönem Licht.
Zwei Y1 verlassen Bardh in Richtung Pejë
Wenig später durch fährt der Zug die alte Frau und liefert sich ein Rennen mit einem Postauto
Kurz vor Dritan überqueren die Y1 eine Brücke, daneben wird die Strassembrücke noch gebaut
Da es länger dauern würde bis das Auto bei mir war, lief ich mal gemütlich in Richtung Pristinë und wartete am Bahnübergang der Hauptstrasse auf mein Taxi. Doch bevor dieses kam, spielte sich eine weitere befremdende Szene ab, die bei uns unvorstellbar wäre und nur Kopfschütteln auslösen würde.
Es begann im Wohnquartier regelmässig zu quietschen, und nach einiger Zeit kam ein etwa zehnjähriger Junge mit einer Schubkarre voller mit Müll. Er war viel zu klein für die grosse Karre und stoppte immer mal wieder, um sich den Schweiss von der Stirn zu wischen. Glotzend rollte er sein quietschendes Vehikel an mir vorbei auf die andere Seite des Bahnüberganges, mitten ins Feld. Nun kippte er den ganzen Müll aus der Karre auf einen Haufen. Doch damit noch nicht genug; er nahm eine Ölflasche (oder sonst eine schwarze dickflüssige Masse) aus dem Haufen und kippte sie auf dem Müllberg. Danach kniete er sich vor den Haufen und versuchte mit einem Feuerzeug, diesen in Brand zu setzen. Es gelang ihm jedoch nicht, ein paar Versuche blieben erfolglos. Doch dem Anschein nach hatte er Geduld. Nun kam aber mein Taxi, und so habe ich nicht gesehen, ob er den Müll doch noch zum brennen gebracht hat.
Wir fuhren fix nach Fushë Kosovë, eine Strecke von etwa sieben Kilometern, die man locker in fünf Minuten zurücklegen könnte, wenn es denn eine gescheite Strasse gäbe. Diese gab es aber nicht, und so mussten wir erst mal drei Kilometer zur Hauptstrasse, auf dieser zehn Kilometer durch die nicht enden wollende Baustelle, beim Kreisel links und nochmal zwei Kilometer zum Hotel. Dank viel Verkehr dauerte das mindestens 40 Minuten.
Pünktlich zum 18 Uhr Zug aus Hani i Elezit standen wir, wie gestern Abend schon, am Bahnübergang beim Depot; im Gegensatz zu gestern Abend aber diesmal im Volllicht. Heute war nicht so viel los auf den Strassen, es liefen weniger Leute rum, und auch kleine Kinder waren praktisch keine zu sehen. Der Alte, der mindestens zehn Minuten hinter uns stand und irgendwas brabbelte, störte uns wenig. Noch bevor der Zug auftauchte kam NOHAB 005 aus dem Depot, um einen Loktausch vorzunehmen. Leider stellte sie sich wenig fotogen hin. Mit Müll im Vordergrund, Ruine und Minarett im Hintergrund schossen wir kurz darauf den Zug aus Hani i Elezit mit NOHAB 007.
Im Depot von Fushë Kosovë macht sich 005 bereit um den Abendregio zu bespannen.
Wenig später kommt die 007 mit dem IC aus Skopje in Fushë Kosovë an.
Nachdem wir mit einem Einheimischen noch ein paar Worte gewechselt hatten, liefen wir am Bahnhof vorbei etwas in Richtung Pristinë, denn dort gab es auch noch ein paar Stellen, die sich gerade anboten. David und ich hatten Sonnenglück, Pascal leider nicht, als 007 mit dem Leerzug aus Pristinë zurück kam.
007 kehrt aus Pristina zurück, ...
... versorgt die Wagen ...
... und verlässt den Bahnhof in Richtung Depot.
Wie gestern schon war in diesem Zug an Stelle des zweiten Mazedonier-Wagens ein zwei weitere SJ-Wagen eingereiht. Am Bahndamm warteten wir darauf noch die letzten zehn Minuten Licht ab, um zu sehen, ob 008 vielleicht noch in Obiliq Kohle holen geht, was sie natürlich nicht tat.
Danach ging es ab unter die wohlverdiente Dusche, um möglichst bald den knurrenden Magen beruhigen zu können. Auf dem Weg zu unserem Stammlokal erkannten wir jedoch schon von Weitem das Problem: Es hatte Sonntagsruhe. Was nun? Wir versuchten unser Glück in einer halben Bauruine. Dort hatte es zwar eine Pizzeria, aber es war niemand da, der uns hätte bedienen können. Ein Bauarbeiter mit Funkgerät wusste auch nicht weiter.
Zurück auf der Hauptstrasse gingen wir weiter nach Pristinë rein. Bald fanden wir gleich nebeneinander zwei Pizzerien, nicht schlecht.
Wir setzten uns in die hintere und wollten bestellen. Bier gab es schon mal nicht (die Mosche war ja auch gleich nebenan ;)) und die Auswahl an Pizzen beschränkte sich auf die Grösse ;)
Die mittelgrosse Pizza war mit 1.5 Euro zwar praktisch geschenkt, aber die Portion war recht überschaubar. Doch unser Notplan sah vor, die Pizzeria zu wechseln, falls noch Hunger da sein sollte. Der Hunger war noch da und wir liefen rüber. Auch hier gab es kein Bier und nur eine Pizza zur Auswahl – ein sehr merkwürdiges Geschäftskonzept ;).
Pizza war uns aber zu langweilig, so bestellten wir einen Salami-Toast mit Zwiebeln und Salat, so zumindest deuteten wir die Karte. Dieser entpuppte sich als ein langes, getoastetes Brötchen mit ein paar Scheibchen Wurst drin... öhm, ja, warum nicht. So konnten wir wenigstens von Ketchup und Majo gebrauch machen (was übrigens auch zur Pizza serviert wurde, pfui!).
Trotzdem hatten wir danach mal genug. Ich wollte noch ein Eis vom Stand, da quatschte mich der Mensch hinter der Theke auf Deutsch an. Was wir hier denn machen... Urlaub, was, warum? Wie gefällts euch...? Wieder einer, der nicht verstehen konnte, dass jemand im Kosovo Urlaub machen will... Das Eis schleckend gings zurück zum Hotel, wo wir relativ fix ins Bett gingen.
Nun, der Müllberg brannte (und stank!), aber dafür hatten wir Strom ;). Der Muezzin rief die Gläubigen um 22:30 zu Bette und der letzte Zug des Tages erreicht den Bahnhof. Eine unwirkliche Szene... Man liegt im Bett, denkt über den Kosovo nach, draussen ruft der Muezzin, die NOHAB dröhnt beim Rangieren und es riecht nach verbranntem Müll. Viel authentischer kann man den Kosovo nicht erleben, würde ich sagen!
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