Chile 2012 - Tag 10: Ollagüe
Von David Gubler
Die Nacht auf 3660 Metern über Meer war eine ziemlich kalte Angelegenheit. Ich hatte zwar vier dicke Wolldecken, aber irgendwie trotzdem kalt, da das Gebäude nicht geheizt, geschweige denn isoliert war. So stand ich halt mitten in der Nacht auf und kramte meinen Schlafsack hervor, was die ganze Sache dann etwas angenehmer machte.Nach dem Aufstehen gings erst mal raus zur anderen Unterkunft, wobei ich mich fragte, wie kalt es wohl nachts war. Diese Frage wurde durch die fast vollständig gefrorenen Wasserflaschen auf der Ladefläche unseres Pick-Ups ziemlich klar beantwortet: Sehr!
Da wir nachts angekommen waren, konnte ich heute Morgen zum ersten mal überhaupt die Umgebung sehen, und diese war ziemlich überwältigend. Ollagüe befindet sich auf einer Hochebene umgeben von eindrücklichen aktiven Vulkanen - sowas erlebt man nicht jeden Tag!
Die Stille wurde nur gestört durch einen Pick-Up und ein paar Fritzen mit Kameras
Die Hauptpension "Atahualpa"
Das Frühstück fand in der Hauptpension statt, und war einfach ("Reichst du mir mal die Milch rüber" bedeutet "gibst du mir mal die Schale gefüllt mit dem weissen Pulver"), aber gut. Speziell war der "Coca-Tee", wobei das leider ein industriell gefertigter Beutel garantiert ohne Drogen war.
Was mich auch wunderte war, wo wohl das heisse Wasser her kam, da wir heute Morgen, wie angekündigt, keinen Strom hatten. Die Antwort war einfach - ein Gasherd.
Der nächste Programmpunkt war das Auftanken der Fahrzeuge. Da Ollagüe offensichtlich zu klein für eine Tankstelle ist, besitzen die Bewohner alle einen privaten Treibstoffvorrat, welchen sie, wenn nötig, auch (zu logischerweise nicht ganz günstigen Preisen) verkaufen. Die Besitzer der Unterkunft hatten Diesel und Benzin in verschiedensten Behältern abgefüllt, und füllten mit improvisierten Trichtern und Schläuchen nun unsere Fahrzeuge.
Unser Wirte-Ehepaar beim Betanken
Als wir jedoch einen der Pick-Ups zum betanken fahren wollten, startete dieser nicht. Stattdessen produzierte das Fahrzeug nur eine Wolke von unverbranntem Diesel. Wie sich später herausstellte, waren wohl die Glühkerzen oder ein Teil der Elektrik kaputt, so dass sich der Motor nicht starten liess - Dieselmotor bei Minusgraden kommt halt nicht gut. Hilfe leistete ein zufälligerweise anwesenter Mechaniker, der dann erst mal den Luftfilter zerlegte (welcher natürlich durch unsere Fahrten durch den Staub ziemlich zugesetzt war, was aber vermutlich nicht die Ursache der Probleme war), und irgendwie bekamen sie den Motor dann doch noch an - Zuerst nur auf zwei oder drei Zylindern, als sich der Motor dann langsam aufwärmte löste sich dieses Problem aber von selbst.
Mit inzwischen einiger Verspätung ging dann die Fahrt los. Die Ansage war ja eigentlich, dass gestreikt würde und deshalb keine Züge fahren würden, aber wir hatten ja nichts zu verlieren und fuhren deshalb einem potentiellen Zug einfach mal entgegen (in Richtung Calama natürlich, nicht nach Bolivien).
Unterwegs sahen wir auf den Salzseen zum ersten mal Flamingos - Ein kurioser Anblick, kannte ich die Viecher doch nur aus dem Zoo! Die Lichtverhältnisse waren jedoch nicht optimal, mein Tele etwas arg kurz für gescheite Bilder und Lust auf zeitraubendes Anschleichen hatte ich auch nicht. Daher hier nur ein Sichtungsbild.
Flamingos im Salar de Ascotan
Nach einem kurzen Fotohalt ging die Fahrt weiter, und noch bevor wir die Passhöhe erreicht hatten entdeckten wir am Hang drei FCAB-Loks mit einem Kübel-Zug. Streik my a**!
Viele bunte Kübelchen (wobei wir nicht abschliessend klären konnten, was darin transportiert wird), darunter wird schon fleissig an einer Strasse gearbeitet
Alles rot und trotzdem bunt!
Wir wendeten, fuhren dem Zug voraus und suchen uns die ersten Fotostellen, unter anderem auch das von Nil bekannte Motiv mit Gedenkstätte im Salar de Ascotan.
EMD GR12 2402, Clyde GL26C-2 2010 und Clyde GL26C-2 2005 ziehen einen Kübelchen-Zug in Richtung Ollagüe
Auf der Suche nach der nächsten Fotostelle fuhren die vorausfahrenden Fahrzeuge links rein, vorbei an einem Verkehrsschild mit Totenkopf - Dies liess uns nichts Gutes ahnen, gibt es doch direkt hinter dem Pass Minenfelder, wie wir gestern feststellen mussten. Das erste Stück fuhren wir noch auf einem Weg, danach wechselten die vorausfahrenden Fahrzeuge aber schnell auf das freie Feld - sie hatten das Schild wohl nicht so richtig mitbekommen. Mir war die Sache aber inzwischen deutlich zu heiss, deshalb wendete ich und wir fuhren stattdessen zur nächsten Ausweiche mit verlassenem Bahnhofsgebäude.
Das Dreierpärchen passiert eine Ausweiche zwischen den beiden Salzseen
Kaum war der Zug durch, fuhren auch die anderen Fahrzeuge wieder an uns vorbei - Glück gehabt, ist offenbar nichts passiert. Anschliessend ging die Verfolgung weiter und wir konnten von diesem hübschen Kübelzug noch diverse weitere Bilder machen; das Letzte kurz vor dem Bahnhof Ollagüe.
Unser Zug hat inzwischen den Salar de Carcote erreicht, den zweiten Salzsee
Kurz vor dem Damm durch den Salar de Carcote befindet sich eine weitere Ausweiche, welche aber nicht so aussieht, als würde sie regelmässig benutzt
Wenige Meter, bevor der Zug Ollagüe erreicht
Nun erwarteten wir eine Übergabe von Bolivien her; von diesem Zug war aber nichts zu sehen. Wir stellten uns deshalb nur wenige Meter von der Chilenisch/Bolivianischen Grenze auf der anderne Seite des Bahnhofs auf, um mittels Tele über die Grenze den bolivianischen Zug fotografieren zu können.
Inzwischen wurde der chilenische Zug, weil für den Bahnhof zu lang war in zwei Teile geteilt auf der chilenischen Seite abgestellt.
Weil er zu lange für den Bahnhof war, wurde er geteilt auf zwei Gleise gestellt (auf der chilenischen Seite gibt es davon vier oder so). Die Loks fuhren anschliessend kurz nach Bolivien rüber (aber nur gerade über zwei Weichen) und anschliessend zurück nach Chile, wobei das Lokpersonal die Loks nicht verlässt, während sie auf Bolivianischem Boden stehen
Nun war Warten angesagt. Immerhin konnten wir das Treiben am Strassenzoll beobachten; so eine Zollkontrolle für einen ganzen Bus schien ziemlich zu dauern. Obwohl wir mit grossen Objektiven bewaffnet direkt an der Grenze herum eierten, schienen die Grenzbeamten völlig unbeeindruckt und liessen uns in Ruhe.
Es dauerte eine knappe Stunde bis der bolivianische Zug auftauchte, wiederum mit den bekannten Kübeln, bespannt mit zwei japanischen Bo-Bo-Bo-Dieselloks. Diese liessen den Zug auf dem Ausweichgleis auf bolivianischem Boden stehen und wechselten kurz auf die chilenische Seite, um den Zug wieder zusammenzustellen. Auch das bolivianische Lokpersonal betrat dabei nie den chilenischen Boden.
Auf der bolivianischen Seite gibt es zwei Gleise. Der Kübelzug wird dort stehen gelassen, und die Loks fahren an den chilenischen Zug. Die roten Lichter sind offenbar normal, das ist kein Zugschluss!
Auf der chilenischen Seite bauen die bolivianischen Loks den Zug wieder zusammen; rechts sichtbar die chilenischen Loks
Als der zuvor chilenische, nun bolivianische Zug abfahrbereit war, setzten sich die beiden FCAB-Loks in Bewegung, um den bolivianischen, bald chilenischen Zug über die Grenze zu ziehen. Wir bewegten uns noch zum Bahnhofsgebäude, um dieses auch noch umsetzen zu können.
Unser Dreierpärchen, nun nachtürlich in umgekehrter Reihenfolge, beim Bahnhofsgebäude von Ollagüe
Der Zug blieb da lange stehen, es wurde noch was "umegänggelet", wohl Papierkram, Bremsprobe und so
Fototechnisch war die ganze Sache nun aber gelaufen, und wir machten uns bereit, den Zug auf chilenischer Seite wieder zu verfolgen. Als erste Fotostelle suchten wir uns die Hügel hinter Ollagüe aus, wo es rund um eine verlassene Mine verschiedene Fotomöglichkeiten von Hügeln herunter gab.
Der Zug hat gerade eine verlassene Minensiedelung etwas abseits der Hauptstrasse passiert
Unser Zug quert gerade den Salar de Carcote
Schattenspiele in der tiefen Sonne
Anschliessend steigt die Strecke an; es gibt zwischen den beiden Salzseen einen kleinen "Pass"
An der Ausweiche zwischen den Salzseen; aufgrund des Sonnenstandes als Querschuss
Ich bin eigentlich kein Fan von diesen Querschüssen, aber hier mach ich nochmal eine Ausnahme
Anschliessend vefolgten wir den Zug wieder bis zum zweiten Salzsee (die letzte Fotoposition erforderte einen kleinen Sprint einen Hügel hoch, was auf knapp 4000 Metern Höhe dann doch ziemlich schlaucht). Danach war aber der Sonnenstand so tief, dass wir den Rückweg antraten (wobei einige Kollegen anderer Meinung waren und noch weiter dem Zug folgten, natürlich ohne zu sagen, wer nun im welchem Auto sass, mit entsprechendem Chaos, da niemand mehr nachvollziehen konnte, ob jetzt alle da sind... Sie kamen dann später auch nach, ohne weitere Bilder gemacht zu haben).
Das letzte Eisenbahnbild des Tages, im Hintergrund der Salar de Ascotan
Das Abendessen war erneut einfach, aber relativ gut (wobei ich mit der Mehlsuppe nicht so viel anfangen konnte). Ich verliess den Abendtisch bald, da ich aufgrund der absolut klaren Sichtverhältnisse draussen noch ein paar Nachtbilder machen wollte. Die Temperatur war aber bereits wieder unter dem Gefrierpunkt und zudem windete es stark, und sooo warme Kleider hatte ich auch nicht dabei. Ausserdem musste ich feststellen, dass meine 50D selbst mit 2.8er-Objektiv bei diesen schwachen Lichtverhältnissen bei sinnvollen Belichtungszeiten kaum mehr brauchbare Resultate lieferte (Sensorrauschen...), so dass ich es dann bald bleiben liess und stattdessen einen Abgang in die Heia machte, aber nicht, ohne zuvor noch unser Zimmer in der Nebenpension zu dokumentieren (jaja ich weiss, im letzten Teil schrieb ich noch, dass die Bilder erst im übernächsten Teil kämen...).
Der Vulkan "Ollagüe" (5868 m) im Mondlicht
Also wenn ich jetzt eine Ahnung von Astronomie hätte, könnte ich dazu was gescheites schreiben
Streulicht von Ollagüe erhellte die Umgebung etwas
Man darf sich von diesem Bild nicht täuschen lassen: Fürs Auge war es komplett dunkel! Die Mobilfunkstation war überhaupt nicht erkennbar (ich wunderte mich noch, was denn das für ein roter Punkt im Himmel ist, der sich nicht bewegt)
Unser Zimmer. Auf den ersten Blick sah es gar nicht so leid aus, auf den zweiten Blick werden rechts schon die ersten Baumängel ersichtlich...
Uh...
Was genau das für ein Loch war, das wir da im Badezimmer hatten, haben wir nicht so richtig rausgefunden. Im Zimmer vis-à-vis war da offenbar was angepflanzt! WTF? Ist das etwa "fürs kleine Geschäft"?!? Ausserdem war, wie man leicht erraten kann, die einzige nutzbare Steckdose über dem WC...
Auch die Sanitärinstallationen waren Marke Eigenbau
So, gute Nacht, bis zum nächsten Teil.