Frühling im Baltikum - Teil 6 - Ende

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Tag 7: 05.05.2012 Daugavpils – Vilnius - Kaunas

Der Wetterbericht hatte Recht. Ein Blick aus dem Fenster bestätigt dies. Gestern am späteren Nachmittag waren die Wolken bereits wie vorhergesagt aufgezogen und auch als wir nachts noch am Bahnhof waren zeigte sich der Mond nur sporadisch durch die Wolkenlücken. Der prognostizierte Regen war aber ausgeblieben. Wenigstens bis zu dem Zeitpunkt als wir die Bar verließen. Nun zeigt sich Daugavpils trüb, nass und irgendwie schwermütig.



Daugavpils

Blick aus dem Hotelzimmer in Richtung Bahnhof.



Immerhin, hie und da scheint es schon etwas dünner zu werden, dass graue Gewölke dort am Himmel. Könnte unser Plan ja doch aufgehen. Schließlich soll es heute wieder gen Süden gehen, nach Litauen, genauer in die Gegend östlich von Vilnius, zu meinem persönlichem Höhepunkt der Tour, zur TEP60. So wie gesagt der Plan. Und wenn alles klappt, dann fahren wir unter der Schlechtwetterfront durch und haben dort wieder etwas Sonne.

Zuerst erkläre ich mich aber mal mit dem Wetter hier solidarisch und mache mich auch nass. Der Dusche entstiegen sind die sieben Sachen recht schnell zusammengepackt und so kann ich, während sich Pascal tageslichttauglich herrichtet, etwas aus dem Fenster spähen. Einmal so den Blick über die Dächer der lettischen Stadt schweifen lassen und daneben auch noch ein bisschen Straßenbahnen in Richtung Bahnhof beobachten. Doch halt, was ist das? Es kommt etwas den Berg herunter, dass aussieht wie ein KTM5, nur statt rot in gelb und vor allem, OHNE Sicken! *grins*

Was dabei so besonderes ist? Ach, Entschuldigung! Das ist ja ein Insider, den ich jetzt erst mal aufklären muss. Vorgestern während des Frühstücks hatten wir die unten vorbeifahrenden Straßenbahnen beobachtet. Dabei kam es mit so vor, als ob es KTM5 mit und ohne Sicken gab. Die anderen meinten, nein, es sei nur die Höhe aus der diese nicht mehr sichtbar wären. So richtig überzeugen konnte mich dies aber nicht. Später, unten am Vorplatz musste ich dann aber zugeben, dass sie wohl Recht gehabt hatten. Denn alle Triebwagen die vorbeifuhren hatten Sicken. Auch meine Theorie, dass sie morgens vor Dienstbeginn immer gebügelt würden und nun nach einigen Touren die Sicken wie Knitterfalten einfach wieder da wären, konnte nur mäßig überzeugen. *unschuldiggrins*

Nun aber kommt wirklich ein Triebwagen ohne Sicken. Gut, es war kein KTM5 sondern ein KTM8 wie spätere Recherchen ergaben, aber immerhin……



KTM8 der Dtu in Daugavpils

Von Bahnhof her kommt KTM8-114 am Hotel verbeigerollt.



Nach diesem letzten Bild in Lettland geht’s ab zum Auto, schließlich ruft die TEP60. Moment, war da nicht noch was? Na klar, alle Tage hatte bisher Nil Fahrdienst. Das kann aber nicht sein. Ich geistere durchs Baltikum und bin noch keinen Meter selber gefahren? Das muss sich ändern! Überrascht von meinem Ansinnen überreicht mir Nil den Schlüssel und ab geht’s durch die Mitte.

Die Nacht war kurz und nachdem wir die Schüttelstrecke zur lettisch-litauischen Grenze überstanden haben (siehe den Teil mit der Hinfahrt nach Daugavpils) wird das Fahren doch etwas monoton. Erst recht als meine Mitreisenden einer nach dem anderen die Köpfe kippen lassen und wegnicken. Nur die Aussicht auf die TEP60 und die sich langsam durch die Wolken kämpfende Sonne halten mich munter. Kurz vor Vilnius verlässt dann auch der Rest der Truppe Schlummerland und das Auto füllt sich wieder mit Leben. Der Verkehr hält sich an diesem Vormittag in Grenzen und auch zeitlich sieht es recht gut aus. Also ois easy!

Auch die Pipa, die die Meute angemeldet hat bringt uns nicht in Probleme, dann heißts aber wieder los, denn wir wollen doch die alte Dame nicht verpassen! Bei Saduniskes wollen wir uns auf die Lauer legen, dort könnte die Sonne so einigermaßen passen. Ja genau, die Sonne, die jetzt immer öfter durch die größer werdenden Wolkenschichten auf uns herniederbrennt. Gut so………oder auch nicht, denn der Zug hat ein Problem. Er kommt vormittags aus Osten und fährt nachmittags nach Osten. Irgendwie uncool, aber nicht zu ändern.

Unterwegs zur erkorenen Fotostelle sehen wir noch eine an der Güterumgehung. Die könnten wir uns für den morgigen Vormittag merken, dem Rückflugtag für Philipp und mich.

Jetzt verteilen wir uns erst mal bei Saduniskes malerisch entlang des Bahndamms. Für das erste Bild bleiben wir direkt an der Straße, für die folgende Leer- und Schnellzugleistung geht’s dann immer weiter rein in die Kurve.



2M62M-1199 der LG in Saduniskes

Kaum angekommen regt sich auch schon Leben an der Strecke. 2M62-0568M kommt mit einem langen Kesselzug von Weißrussland her.



2M62M-568 der LG in Saduniskes

Viel ist nicht los, aber immerhin lässt sich nach einiger Wartezeit 2M62-1199M als Leerleistung sehen.



Jetzt steigt mein Puls doch langsam und der Blick wechselt unstet zwischen Himmel und dem Ende der langen Geraden hin und her. Zweimal hatten wir gerade mehr oder weniger Sonne, aber wird’s jetzt auch beim Express klappen? Und vor allem, was wir an der Spitze hängen? Die Minuten vergehen und wir sind eigentlich schon über die geschätzte Durchfahrtszeit drüber. *hmmm?* Dann noch 5 Minuten und dann nochmal welche und endlich! Erlösung! Ganz weit hinten schiebt sich etwas um die Kurve, was definitiv nicht nach TEP70 ausschaut! Jetzt nur ganz cool bleiben und nichts versemmeln.



TEP60 der BCh in Saduniskes

Darauf hatte ich die ganze Vorbereitung und die Tour lang gehofft. TEP60-0429 der BTsch dieselt mit dem Transitzug St. Petersburg – Kaliningrad heran.



TEP60 der BCh in Saduniskes

Ist es nicht schön das Teil? Sieht massiv aus, wie aus einem Metallblock gefeilt, und trotzdem irgendwie elegant. Ich bin verliebt!



Sollte das nun meine erste und gleichzeitig letzte Begegnung mit dieser tollen Baureihe gewesen sein? Keine Zeit zum wehmütig hinterher blicken. Der kurze Augenblick der Freude lässt sich um keine Sekunde verlängern, denn die Meute sprintet los. Noch während wir auf den 79er gewartet hatten wurde beschlossen, den machen wir nochmal. Und zwar am Damm in Kaunas. Und vielleicht kann man den Gegenzug, den 80er, dort auch noch verarzten.

Klingt komisch, sollte aber klappen, wenn, ja wenn wir schnell wären. Heißt zuallererst mal Fahrerwechsel. Nil legt die Verkehrsregeln, genauer gesagt die Geschwindigkeitsbeschränkungen durchweg etwas großzügiger aus als ich und ist daher prädestiniert zur Durchführung von Zugverfolgungen.

Halt! Um eins gleich klar zu stellen: Ich spreche dabei nicht von hirnlosen und Menschen verachtendem Rasen! Doch während ich halt maximal plus 10 fahre, ist er halt mit plus 20 unterwegs und dass kann auf 100 km doch die ein oder andere wertvolle Minute bringen.

Navi ist programmiert, Zeit reicht, nur …….. die Litauer bauen! Schön, zumindest in 5 Jahren wenns fertig ist. Eher ärgerlich und lästig im hier und jetzt. Denn statt auf normalen Straßen zügig voran zu kommen, hoppeln wir auf diversen Umleitungen kreuz und quer durch die Vororte von Vilnius, kreuzen dabei immer wieder die zukünftige Umgehungsstraße und vertrödeln dabei jede Menge Zeit. Immer wieder fällt der Blick auf den Bildfahrplan. Hilft aber nix, der Express kommt deswegen trotzdem nicht später am Damm an. Endlich haben wir die „Autobahn“ unter den Rädern und jetzt geht’s zügig. Gebremst werden wir nur ab und an von Bushaltestellen, inklusive der dazugehörigen Fußgängerüberwege! Skurril! *grins*

Ein Blick aufs Navi zeigt, hurra, wir schaffen es pünktlich. Ein Blick an den Himmel zeigt, ohoh, die Wolken aber auch. Von Südwesten her schiebt sich eine gewaltige Wolkenbank aus Quellwolken heran, die Lücken dazwischen werden mit jedem Kilometer den wir uns Kaunas näher geringer und kurz vor dem Ziel ist klar, das wird nix! Ein völlig neues Problem auf der Tour! Beschweren dürfen wir uns aber nicht. Eine Woche Baltikum ohne Wolkenprobleme? Herz was willst Du mehr. Jetzt sind wir halt mal dran.

Jammern hilft nix, nur reagieren. Und wir sind ja fixe Jungs. Kurzerhand wird der Damm gestrichen und Pravieniskes, kurz vor Kaunas, als Ausweichziel angefahren. Dort gibt’s einen Bahnhof mit weitem Gleis- und Schussfeld. Nicht super aufregend, aber ganz o.k.



EJ575 der LG in Pravieniškių

Der Nachbar grüßt! EJ575 004 aus tschechischer Produktion strebt nach kurzem Halt seinem Ziel Vilnius entgegen.



TEP70-0347 der LG in Pravieniškių

Da isser wieder! Express 79 von St. Petersburg nach Kaliningrad, diesmal mit der litauischen TEP70-0347 an der Spitze, durcheilt den Bahnhof von Pravieniskes.



TEP70-0332 der LG in Pravieniškių

Jetzt ist es passiert! Der erste Wolkenschaden der Tour! TEP70-0332 der LG mit dem Gegenzug 80 auf dem Weg Richtung St. Petersburg.



Etwas ärgerlich ist es schon. Hatte der sonnenbeschienene 79er noch eine der beiden vielfotografierten 0346 und 0347 vorgespannt, war dem 80er mit seiner noch „neuen“ 0332 kein Leuchten des gelben Planeten gegönnt. Mal ehrlich, ich will ja nicht mosern, aber anders herum wäre es mir deutlich lieber gewesen!

Aber warum aufregen, man kann es ja eh nicht ändern. Wir beratschlagen kurz und kommen dann zu dem Entschluss uns für den Rest des Tages an der Strecke nach Klaipeda festzusetzen. Da ging doch letztens immer was. Zudem steht bald ein Schnellzug von der Küste her an und den wollen wir uns nun nicht entgehen lassen. Also auf nach Jonava.

Hier gibt’s erst einmal eine nette Überraschung. Die relativ neue TEM TMM-002 steht mit einem langen Güterzug im Bahnhof und wartet allen Anschein nach auf die Überholung durch den Schnellzug.



TEM TMH der LG in Jonava

Welch eine Lokbezeichnung! TEM TMM-002 wartet im Bahnhof von Jonava auf die Weiterfahrt mit ihrem Güterzug.



Während wir noch fotografierend zugange sind und die Lokmannschaft unser Tun grinsend beobachtet, fliegt über uns ein Fester auf und jemand brüllt auf Litauisch heraus. Was er sagt verstehen wir nicht, was er meint können wir uns aber denken. Wieder mal ein Zeitgenosse der noch unverrückbar an die strategische Bedeutung der Eisenbahn der Weltmacht Litauen glaubt!
Wir lassen ihn in dem Glauben dass er wichtig ist und wir beeindruckt sind, machen uns auf zum Bahnhofskopf und beziehen dort auf eine Ruine Stellung für den Schnellzug.

Erst kommt aber ein ER20-Doppel und ich kann der Versuchung nicht widerstehen und nehme sie zusammen mit dem Fotografendoppel auf.



ER20 025 der LG in Jonava

ER20 025 und ER20 027 laufen mit einem Güterzug im Bahnhof von Jonava ein.



Nicht lange und es lässt sich auch der Schnellzug aus Klaipeda blicken. Und siehe da, es ist ganz sicher nicht die 0346! Warum? Ganz einfach, bei der führenden Maschine handelt es sich um die erste litauische TEP70BS die wir sehen und ablichten.



TEP70BS der LG in Jonava

Nach planmäßigem Halt verlässt TEP70BS 002 Jonava um ihren Schnellzug nach Vilnius zu bringen.



Irgendwie finde ich diese Maschinen äch…. Sie passen in der Höhe so nun gar nicht zu den Wagen und der kantige, platte Kasten kann mich auch nicht wirklich begeistern. Aber mir muss ja auch nicht alles gefallen.

War gut hier. Und was jetzt? Strecke und Sonnenstand passen um die Tageszeit irgendwie nicht sinnvoll zusammen. Und zudem wolkt es am Firmament doch nun mehr als bedrohlich. Also, nicht lange gefahren und das nächst liegende angesteuert: Gaizunai.

Als wir ankommen werden wir gleich für diesen Entschluss belohnt. Eine der gewaltigen 8-achsigen TEM7A hobelt durch den Bahnhof, beschienen von einigen bescheidenen Sonnenstrahlen.



TEM7A der Transachema in Gaiziunai

TEM7A-0412, ihres Zeichens Werkslok der nahen Fabrik, rangiert mit einigen Güterwagen im Bahnhof von Gaizunai.



Einfach beeindruckend! 4-achsige Drehgestelle! Welch ein Koloss! Ich bin hell auf begeistert. Und während Nil von den 8-achsigen Kesselwagen aus Russland schwärmt, habe ich ein neues Symbol für gigantische Eisenbahnen, diese Verschubloks.

Moment! Ohren gespitzt, da rollt doch was. Kommt von der Strecke aus Richtung Kaisiadorys, nein, von der Verbindungsbahn von Kaunas her, oder doch nicht? Egal, einfach schnell nach vorne. Ein Erdhügel hinter einem Prellbock bietet sich als Standort an und schon kommt auch eine blaue Tamara mit einem Nahgüterzug heran. Leider wirklich aus Richtung Kaunas und auch direkt an uns vorbeifahrend. Darum gibt’s nur einen kuschligen Nasen- und Nachschuss.



TEM2 "Tamara" der LG in Gaiziunai

TEM2-2952 brummt mit einem Nahgüterzug aus Richtung Kaunas daher.



TEM2 "Tamara" der LG in Gaižiūnų st.




Kaum ist der letzte Wagen an uns vorbeigerattert, rumort es auch schon aus der Gegenrichtung.



ER20 011 der LG in Gaižiūnų st.

Mit einem langen Güterzug rollt ER20 011 durch den Bahnhof von Gaizunai.



Das wars aber nun mit der Sonne. Soweit das Auge reicht, alles dicht. Beim Zurückgehen zum Auto gibt’s nochmal ein bisschen Fotos vom Riesen und auch die TEM TMM-002 lässt sich mit ihrem Güterzug sehen.



TEM TMH der LG in Gaižiūnų st.

Während TEM TMM-002 mit einem Nahgüterzug einläuft, wartet TEM7A-0412 von Transachema darauf die nächste Fuhre hinunter zum Werk zu bringen.



Licht weg + noch Zeit bis zum nächsten Schnellzug = Streckenkunden!
Und vielleicht fällt ja dazwischen doch noch das ein oder andere Bild ab.

Bevor wir aber unser feuerrotes Spielmobil besteigen, werden wir aber noch auf eine Kuriosität aufmerksam. Auf dem Weg dahin liegen auf 50 m hunderte von toten, ausgetrockneten, platten Fröschen. Die Frage: Wie kommen die da hin und wer fährt die alle platt? Wir sind hier nicht auf der Straße, sondern auf einem Feldweg!

Der Rest des Tages ist schnell erzählt. Bei einem Zwischenhalt in Jonava zwecks Erstürmung eines Supermarktes bleibe ich ihm Auto. Nach meiner Bemerkung „Bri’ingt ihr mir was mi’it?!?“ als die anderen gen Eingang entschwinden bekomme ich prompt bei deren Rückkehr ein Ü-Ei überreicht.
War ich am Parkplatz beim smsen in die Heimat immer schön in der Sonne gesessen, zieht es jetzt ordentlich zu. Zwar zeigen sich hie und da noch große, blaue Wolkenlücken am Himmel, nur wo die sind ist keine Eisenbahn.

So kämpfen wir uns hoffnungsvoll immer weiter in Richtung Klaipeda vor, ohne dass sich etwas ändert. Immer wenn wir meinen einen Sonnenfleck am Schienenstrang erspäht zu haben, ist er spätestens bei der Annäherung wieder weg. So landen wir schließlich irgendwie an der kleinen Kreuzungsstation von Luksiai. Hier ist es dunkel, vom Motiv her langweilig und ich verstehe ehrlich gesagt die Begeisterung der anderen nicht, hier die nächste Zeit stehen zu bleiben. Aber vielleicht ist es auch nur die Erkenntnis, dass nichts Besseres kommen wird.

Während wir uns mit lesen und computern die Zeit vertreiben, hat ein Hofhund in der Siedlung gegenüber so richtig Spaß und bellt sich die Lunge aus dem Leib. Bewundernswert diese Ausdauer, wobei, mit der Zeit nervt es einfach.

Ach ja, Eisenbahnverkehr gibt es auch und das durchaus ansehnlich. Aber wen wunderts, auf der Strecke nach Klaipeda ging ja die ganzen Tage etwas. Mehr aus dokumentarischen denn „ästhetischen“ Gründen stelle ich mich bei den Zugfahrten mit raus und mache Bilder. Na gut, immerhin gibt es bei den ganzen Dunkelbildern (kurz: Dubis) einige wie ich finde interessante „Motive“.



2M62M-752 der LG in Lukšiai

Rot geht auch im Dunkeln! 2M62-0752M kommt von Westen her angerollt.



ER20 024 der LG in Lukšiai

Mit einem langen Güterzug rollt ER20 024 in Richtung Küste.



TEM TMH der LG in Lukšiai

Nette Kombination! Moderne Diesellok mit archaischem Güterwagen im Schlepp. Die bekannte TEM TMM-002 bringt einen Nahgüter“zug“ nach Westen.



ER20 043 der LG in Lukšiai

Fliegende Kreuzung in der Ferne. Auf den langen Bahnhofsgleisen problemlos möglich ist die fliegende Kreuzung von TEM TMM-002 und dem Lokzug bestehend aus ER20 043 und ER20 034.



So, war ja ganz nett hier, aber den Schnellzug müsste ich an dieser Stelle nun nicht abwarten. Da lieber irgendwo eine Bahnhofsaufnahme schießen bei dem Licht. Nur träge können sich die anderen entschließen den Standort zu wechseln und eine zur Klärung stattfindende Probeabstimmung ergibt 1x bleiben, 1x fahren und 2x mir egal……… Auch nicht wirklich hilfreich. Den Ausschlag für den Standortwechsel gibt dann das plötzliche Interesse sich wichtig fühlender Mitmenschen, die genau wissen wollen, was wir hier tun. Uns ist nicht so recht nach Befriedigung fremder Neugierden. Wir sind aktuell nicht sehr auf Konversation eingestellt und ziehen es daher vor unseren Standort zu verlegen. Und dass scheint anfänglich eine mehr als gute Entscheidung gewesen zu sein. Denn kaum nähern wir uns dem nächsten größeren Ort Kedainiai, befinden wir uns mitten im schönsten Sonnenloch. Keine Ahnung wo das plötzlich herkommt, aber egal. Mir hat es ein Bahnübergang direkt im Ort angetan, der aber in der Bewertung der anderen durchfällt. Stattdessen stehen wir dann an einem ebensolchen auf der anderen Seite der Stadt und ich frage mich schmunzelnd wo da jetzt der Unterschied ist. *grins* Zum Überlegen bleibt aber keine Zeit, kaum angekommen bewegt sich erst was auf den Gleisen….



ER20 030 der LG in Kėdainiai

Im schönsten Licht, aber leider aus der falschen Richtung. Daher gibt es vom Doppel ER20 030 + ER20 044 nur ein Lokporträt.



…dann am Himmel. Der Rand der nächsten Wolkenbank hat sich nämlich nun an die Sonne heran geschoben. Zwar kämpft sie noch tapfer, doch spätestens kurz vor Ankunft des Schnellzuges hat sie verloren und das letzte Licht verschwindet hinter Grau.



TEP70BS der LG in Kėdainiai

Licht aus! *wam* Bahnübergang an! *jaaa* Da ist sie, die TEP70BS 005 mit einem Schnellzug nach Klaipeda.



„Kleiner Einschub zur Bildunterschrift: Die älteren unter Euch, sprich die, die noch Ilja Richter und Disco miterlebt haben, werden den Spruch in Originalform kennen.“

Man sieht also, auch der letzte kurzfristige Standortwechsel hin zur gegenüberliegenden Bahnhofseinfahrt hat nichts mehr gebracht, bis auf die Erkenntnis, dass am von mir ursprünglich favorisierten Bahnübergang noch die Sonne geschienen hätte. Tja, dass hätte man wissen müssen.

Wir packen nun endgültig ein und machen uns auf den Weg nach Kaunas. Dort wartet das vorreservierte Best Western auf uns. Vorbei am kleinen Flughafen geht’s in Richtung Unterkunft. Mensch, ist das wirklich schon wieder eine Woche her, als wir hier Philipp abgeholt haben???? Warum vergeht die Zeit immer nur so schnell.

Am Hotel angekommen haben wir Mühe unser Auto irgendwo am Parkplatz unter zu bekommen. Alles steht voll mit Wagen mit russischem Kennzeichen. Schnell ist eingecheckt, geduscht und schon sind wir unterwegs in Richtung Altstadt. Schon toll was hier für Massen an jungen Leuten unterwegs sind. Überall sitzen sie in und vor den Kneipen, entlang der beiden Flüsse und im Park. Richtig schön. Gemütlich schlendernd schauen wir uns das Ganze an, bis einsetzender Nieselregen und der aufkeimende Hunger uns zum Geschwindschritt treiben. Als sich schließlich das leichte Nass von oben in einen richtigen Regen verwandelt, ermitteln wir per kurzfristig angesetzter Abstimmung unser gastronomisches Ziel. Das Voting geht mit 2x ja und 2x mir egal relativ deutlich zu Gunsten eines nahen Chinesens aus. Zwar erleichtert dort eine bebilderte Speisekarte deutlich die Bestellung, die Größe der gelieferten Portionen scheint aber im Ermessensspielraum des Koches zu liegen. *grins* So erweist sich die Vorspeise „Frühlingsrollen“ genauso groß wie das Hauptgericht „Frühlingsrollen“, was in Verbindung mit der ansonsten auch üppigen Portionierung und dem allem Anschein nach mangelndem Appetit der „mir egal-Fraktion“ zu einer schier unlösbaren Aufgabe für Nil und mich führt. Trotz vollem Einsatz und maximaler Hautdehnung im Bauch- und Hüftbereich gelingt es uns nur ansatzweise die Essensberge auf dem Tisch entscheidend zu reduzieren. Schade drum!

Gut gesättigt rollen, äh, natürlich laufen wir zurück zum Hotel. Dort gibt es eine nette und eine eher böse Überraschung. Die vorher erwähnten Russenautos bzw. deren Insassen gehören zu einer Party, die im Restaurant des Hotel direkt unter den Fenstern von Pascals und meinem Zimmer steigt. Nett, denn kaum sind wir da, bekommen wir eine exklusive Feuershow geboten. Weniger nett, die Party geht nach dieser Showeinlage noch sehr, sehr lange und sehr, sehr laut weiter. Irgendwann schlaf ich dann doch mal ein und träume mich schwer in den Abschiedstag der Tour.


Tag 8: 06.05.2012 Kaunas – Vilnius – Frankfurt - Weiden

Hatte es gestern Abend noch geregnet, grüßt heute Morgen die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Merklich frischer ist es geworden, aber egal, dafür gibt es ja Pullover.
Der Plan für heute ist einfach, wir machen erst den Tunnel-Fluß-Kaunas Standardblick an der E-Strecke und wechseln dann an die Güterumfahrung nach Vilnius. Zum einem hatten wir dort ja gestern ein nettes Plätzchen erspäht, zum anderen beträgt die Fahrzeit von dort rund 20 min. bis zu Flughafen, was einen entspannten Tag garantiert.

Jawohl, Flughafen! Denn für Philipp und mich ist die Tour heute vorbei, während Nil und Pascal noch eine Woche weiter unterwegs sein werden. Wie wir sie beneiden!!!

Mit Hilfe des Navis geht’s nach dem Auschecken flott in Richtung Stelle. Hier auf der Brücke rüber zum Stadtwald können wir in Ruhe in der Sonne warten, die diversen Jogger und Spaziergänger beobachten und nicht zuletzt den E-Zug nach Vilnius ablichten.



EJ575 der LG in Kaunas- Amaliai





EJ575 der LG in Kaunas- Amaliai

Ein weiteres Standardmotiv in Kaunas. EJ575 001 hat soeben den einzigen litauischen Eisenbahntunnel verlassen und strebt nun Vilnius zu.



Gut, im Kasten. Jetzt also ab zur Güterbahn. Auf dem Weg dorthin unkt Nil, dass die Zugfolge dort recht dünn sein kann. Es könne uns daher passieren, dass wir nun die Zeit bis zum Abflug absitzen ohne groß was ablichten zu können, erst recht an einem Sonntag. Na gut, dass hatte er an der Strecke von Daugavpils nach Weißrussland auch gemeint und dann lief es dort richtig ordentlich.

Erst einmal geht es aber quer durch Vilnius und vorbei am Bahnhof. Viel zu sehen ist nicht, aber immerhin gibt’s am „Museumbahnsteig“ unter anderem einen D1-Triebwagen zu sehen. Nett, aber mal ehrlich, auf der Strecke wäre er mir lieber gewesen. Mehr in Wallung bringt da schon der nächste Ausblick als wir die Gleise am östlichen Bahnhofskopf überqueren. Langsam kommt nämlich gerade ein Schnellzug bespannt mit zwei TEP70BS der BTsch um die Ecke. Hui, jetzt werd ich hektisch! Schnell Nil, der heute wieder fährt, in eine Seitenstraße reingelotst, …… so, jetzt schnell stehen bleiben……..warum bleibt er denn nicht stehen….bleib endlich stehen…., Kamera gezückt, angeschaltet und dabei aus dem Auto gehüpft. Viel auf einmal für einen alten Mann, aber es klappt! *grins*



TEP70BS der BCh in Vilnius

Gerade als wir die Brücke am östlichen Bahnhofskopf passieren rollt von Weißrussland her kommend ein Schnellzug bespannt mit TEP70BS-115 und TEP70BS-107 der BTsch heran.



Ich weiß, ich weiß! Mit den davorhängenden Leitungen und der Perspektive ist das Bild jetzt nicht unbedingt Galerie verdächtig. Aber immerhin sind es die ersten weißrussischen BS auf der Tour und wann fährt mir schon das nächste Mal ein solches Gespann vor die Linse.

An der Güterbahn angekommen merken wir schnell, dass Nils Vorhersage dieses Mal wohl zutrifft. Zwar rollt gleich nach unserer Ankunft ein Lokzug durch …



2M62U der LG in Vilnius

2M62U-0283M als Lokzug auf dem Weg an die weißrussische Grenze.



…doch dann herrscht Stille. Während wir uns im Gras niederlassen um wahlweise zu lesen, Bericht zu schreiben oder wie in meinem Fall, die „Buchführung“ nachzutragen, hat Pascal Hummeln im Hintern. Er will etwas nach vorne zu einem Bahnübergang laufen und sich dort postieren. Mittlerweile ist am Himmel Bewegung, quillt und wolkt es doch zwischenzeitlich recht ordentlich, was das Fotografieren zu einem immer größeren Lotteriespiel werden lässt. Und dass die nächsten beiden Züge auch noch mehr oder weniger aus der Sonne kommen, macht das Ganze auch nicht besser.



2M62M-1161 der LG in Vilnius

2M62M-1161 hat sich auf dem Weg in Richtung Weißrussland aufgemacht und rollt nun über die Güterumgehung von Vilnius.



2M62U der LG in Vilnius

Kurz danach folgt ihr 2M62M-1061, ebenfalls mit einem Güterzug nach Osten, nach.


Das war ja wohl nun gar nichts, dieser heutige Tag. Und die im Wolkenschatten passierende 2M62U-0383, die solo unterwegs ist, hebt die Stimmung nun auch nicht wirklich. Irgendwie hatten wir uns den Ablauf des Tages doch etwas anders vorgesellt. Im Nachhinein frage ich mich sowieso, warum wir nicht etwas unterhalb an die Strecke gefahren sind, wo wenigsten noch die Chance auf einen Personenzug bestanden hätte. Gerne hätte ich mich auch an der E-Strecke postiert und noch etwas Triebwagen fotografiert. Allerdings waren dazu die anderen von Anfang an nicht zu begeistern.

Hilft ja nun alles nix und ein lala-Tag in einer Woche Fototour ist auch locker zu verschmerzen. Wir laufen zurück zum Auto, sammeln Pascal ein, schlichten etwas Gepäck um und machen uns auf zum Flughafen. Auf dem Weg dorthin fährt Nil sportlich an der Ausfahrt vorbei und so landen wir nochmal in der Stadt. Egal, es ist ja noch Zeit. Ne obwohl, eigentlich nicht egal! Denn der kleine Umweg führt uns direkt über die große Brücke am Bahnhof und von dort hat man einen tollen Blick auf die Gütergleise und das Betriebswerk. Also Kameras gepackt und draufgehalten.



2M62U der LG in Vilnius

Wer braucht die ganzen Doppel-Trommel? In langen Reihen stehen die Maschinen nahe dem Betriebswerk abgestellt. Kaum vorstellbar das bei der erlebten Güterzugdichte wirklich alle im Betriebsdienst stehen. Wer genau hinschaut erkennt auch mitten drin die beiden TEP60. Vermutlich handelt es sich dabei um die beiden Ende Dezember abgestellten Maschinen.



TEP70BS der BCh in Vilnius

Blick ins Betriebswerk. Neben einer Vielzahl von Loks und Wagen der LG fallen besonders die weißrussischen TEP70BS und der D1 im Hintergrund auf. Und mit dem neuen russischen Triebwagen steckt rechts ein weiterer Exot seine Nase ins Bild.



Nun aber flott, denn die Flieger warten nicht. Aber gottlob ist die Strecke raus zum Flughafen nicht mehr weit und so treffen wir pünktlich dort ein.



Vilnius

Flughafengebäude von Vilnius. Hinterhalb dem älteren Bau befindet sich der kleine aber feine und moderne Abflugbereich des Flughafens.



Jetzt ist es soweit. Koffer raus, Hände schütteln, Abschiedsträne…… nein, so schlimm ist es jetzt auch nicht *grins* Die beiden anderen beneidend machen sich Philipp und ich auf den Weg zu unseren Schaltern um einzuchecken. Da es für ihn mit Umweg Warschau nach Zürich geht, ich mich aber nach Frankfurt aufmache, ist bei uns im Terminal verabschieden angesagt. Lustigerweise sollen unsere beiden Flieger exakt zur selben Zeit starten. Wie das bei einer Startbahn vonstatten gehen soll ist die Frage. *grins* Lassen wir uns mal überraschen.

Beim Kranich geht’s trotz Schlange recht flott voran und so bin ich kurz danach schon bei der Sicherheitskontrolle. Die beiden „Durchleuchter“ interessieren sich stark für die im Fotorucksack verteilten Akkus. Und während der jüngere freundlich aber zielgerichtet und bestimmt meinen Rucksack durchforstet um den schwarzen Flecken auf den Grund zu gehen, bin ich im Stillen dankbar dass es so gewissenhafte Menschen gibt. Denn mir ist lieber es wird mal genauer hin gesehen, als dass ich dann irgendwann mal erleben muss, dass im Flieger eine Bombenstimmung herrscht.

Kurz laufen Philipp und ich uns im Abflugbereich nochmal über den Weg, dann müssen wir uns aber eilen, denn die Flüge werden aufgerufen. Das Boarding geht zügig voran, ich sitze im Flieger und dann klärt sich das Mirakel des gleichzeitigen Abflug recht pragmatisch. Genau als unser Pilot uns mittels Sprechanlage erzählt, dass wir noch auf die Freigabe warten müssen, rollt Philipps Maschine an uns vorbei in Startposition. So so, einfach vordrängeln hier!

Der Rückflug ist holprig aber unspektakulär. Ich denk mir während des Steigflugs, bei dem wir mehrere Wolkentürme durchstoßen, nur, dass die beiden zurückgelassenen heute wohl nicht mehr von der Sonne verwöhnt werden.

Frankfurt: Regen, 14° Grad und die Frisur hält! Brrr, wo bin denn ich hier gelandet? Gut, dass ich vom Morgen her noch den Pulli im Fotorucksack hatte. Den brauch ich jetzt echt. Noch im Bus schreibe ich in Richtung Litauen den aktuellen Wetterstand. Was wenige Minuten später zurückkommt lässt mich auflachen: „Wir sitzen gerade im Auto, der zweite Hagelschauer am heutigen Nachmittag ist vorbei und wir hoffen, dass die Sonne nochmal raus kommt!“. *smile* Hört sich nicht an als hätte ich durch meine Abreise etwas verpasst.

Nach einem gemütlichen Essen mit Blick auf die im Regen starteten und landenden Flieger geht’s zum Bahnhof. JAWOHL, auch der ewig Auto fahrende Eisenbahnfotograf nutzt das Objekt seiner Begierde zur eigenen Fortbewegung wenn es passt.

Entspannt lasse ich mich in meinem Sitz in der 1.Klasse nieder und genieße die Fahrt. Bei € 20,- Aufschlag zum 2.Klasse Ticket kann man sich diesen Luxus schon mal gönnen. Erst recht an einem Sonntag Nachmittag/Abend, wenn die Züge erwartungsgemäß übervoll sind, so wie auf der letzten Etappe der Pendolino von Nürnberg nach Weiden.

Pünktlich um kurz vor 10 Uhr rolle ich nach einer tollen Bahnfahrt, die ich in vollen Zügen genossen habe, in Weiden ein. Hier wartet schon das Abholkommando auf mich und es tut gut seinen Schatz mal wieder in die Arme nehmen zu können.


Epilog

Der Regensburger Hauptbahnhof ist voll mit Menschen, aber die beiden sind trotzdem nicht zu übersehen. Während ich schon wieder eine Woche mit Arbeiten und einen Wochenpendel nach Dachau hinter mir habe, sind sie noch in bester Urlaubsstimmung. Irgendwie schon skurril, sind wir doch miteinander zur Tour aufgebrochen.

Von Pascal bekomme ich meine Reservekamera wieder und irgendwie muss ich dran denken, dass das gute Teil nun schon mehr erlebt hat wie ich! Geschichten werden erzählt, Erlebnisse ausgetauscht und dann heißt es auch schon wieder Abschied nehmen. Schließlich müssen Nil und Pascal noch weiter in die Schweiz und wir noch weiter bummeln in den Arcaden.

Aber allzu lange muss ich ja zumindest auf Nil nicht verzichten, denn spätestens in vier Tagen sehen wir uns wieder auf einem Bahnhof. Dann nämlich werde ich ihn in München vom EC aus Zürich abholen und es geht gemeinsam einige Tage durch Tschechien. Aber das ist wieder eine andere Geschichte!