Türkische Landpartie

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Mal schnell die Urlaubscheckliste durchgehen:

- faul am Strand liegen und mal so richtig entspannen => erledigt
- endlich mal wieder zwei Bücher am Stück auslesen => erledigt
- die Körperfarbe von weiß über leicht rot auf hellbraun ändern => erledigt
- die durchschnittliche Wassermenge im Mittelmeer durch verschlucken um 10 Liter senken => erledigt
- um die Körpermitte aufgrund ausgiebiger Bufettnutzung geschätzte 3 Kilo zulegen => erledigt
- die türkische Weinwirtschaft kräftig unterstützen => erledigt
- endlich mal wieder richtig Zeit für meinen Schatz haben => erledigt


.... also alle Punkte zur Zufriedenheit abgearbeitet! Perfekt!


Oder doch nicht? Naja, so ganz ohne Eisenbahn geht es halt dann doch nicht. Sprich, eine Tour zu türkischen Schienen fehlte noch. Ist aber garnicht so einfach, wenn man seinen "Luxuskörper" am Strand der türkischen Rivera geparkt hat. Eine vorherige Rundfrage im Netz bei den Türkeispezialisten, bei dieser Gelegenheit nochmal vielen Dank für die Informationen, hatte ergeben, dass im "naheliegenden" und ehemals beliebten Burdur wohl so gut wie nichts mehr zu holen ist. Bleibt eigentlich dann nur noch die Gegend um Konya. Nicht gerade um die Ecke, aber die Kombination aus Schnellfahrstrecke und alter Bagdadbahn versprachen doch wenigstens ein Minimum an Ausbeute. Das die Tour durchs Gebirge auch landschaftlich interessant sein würde konnte auch die bessere Hälfte begeistern und sprach zusätzlich für die Variante. Also auf zur Tour "Land und Leute, mit ein bisschen Eisenbahn".

Um kurz vor 7.00 Uhr gings in Evranseki, bei Side, los. Um diese Zeit ist es immer wieder schön anzusehen, wie der Tourismusbetrieb der Region so langsam anläuft. Durch diverse Busse, die sich auf den Weg machten um Touristenscharen zu diversen Sehenswürdigkeiten, Teppichfabriken, Lederwarengeschäften, usw. zu kutschieren und den vielen, vielen fleißigen Menschen die den Urlaub erst möglich machen ging es ab in Richtung Berge. Nicht nur die Landschaft ändert sich je höher die Straße sich empor schlängelt, hat man erst den Trubel an der Küste verlassen, wird die Türkei schnell zu der, die ich im letzten Sommer bei unserer Tour so schätzen und lieben gelernt habe.



Akseki




Akseki

Impressionen von der Fahrt durch die Berge



Bis auf fast 1.900 m geht es hinauf, bis der Paß erreicht ist. Deutlich sieht man die Unterschiede von üppigerer Vegetation auf der Südseite, bedingt durch die feuchte Luft vom Meer her, und kargerer Landschaft, kaum hat man den Paß überschritten. Die umliegenden Berge, bis knapp 3.000 m hoch, sind schon beeindruckend und machen die Fahrt zum Erlebnis. Während wir uns der Ebene rund um Konya nähern klettert das Thermometer unaufhörlich. Allerdings ist hier die Luft, im Gegensatz zur Küstenregion deutlich trokener und somit, wie ich finde, die Hitze angenehmer. Zudem geht an diesem Morgen ein kräftiger Wind, der zusätzlich für Erfrischung sorgt. Wir liegen gut in der Zeit und können ganz entspannt die Millionenstadt umfahren um an unser erstes Ziel, die Schnellfahrstrecke von Ankara her, zu kommen. Hier steht mit dem YHT91203 aus der türkischen Hauptstadt der erste von den beiden Fixpunkten des heutigen Tages an.

Nach eingehender Betrachtung von google Earth im Vorfeld habe ich mir die Ecke um Aşağıpınarbaşı, nördlich von Konya ausgesucht. Hier gibt es einige Brücken, die als Fotostandort gut geeignet sein sollten. Wir entscheiden uns nach einigen Versuchen für die letzte. Vorher gibt es aber erstmal zwei Überraschungen.

Schnellfahrstrecke und Bagdadbahn laufen bis hier parallel, wobei die letztere ungefähr bis Höhe Flughafen sogar noch elektrifiziert ist. Zwischen Stadtzentrum und Flughafen gibt es einen kleinen Containerbahnhof. Die dort rangierende DE24000 bleibt leider unfotografiert. Genau in dem Moment als ich sie erspähe sind wir auch schon an der Ausfahrt vorbei.

Hinter Aşağıpınarbaşı passieren wir auf dem Weg zu den erwähnten Brücken ein abgesperrtes Areal. Hier werden unter anderem Betonschwellen produziert und Baufahrzeuge abgestellt. Neben drei rumänischen Dieselloks (einmal weiß und zweimal gelb), die aber so ungünstig platziert sind dass man sie nicht ablichten kann, treffen wir dort auf einen alten Bekannten und Landsmann.



Fahrleitungstriebwagen der emre ray in Aşağıpınarbaşı

Jaja, Senioren zieht es in den warmen Süden! So auch den ehemaligen deutschen Turmtriebwagen, der wohl vom kühlen, meist naßkalten Wetter in Deutschland entgültig die Nase voll hatte und nun die Sonne in der Türkei in vollen Zügen genießt. Er hört jetzt auf den etwas sperrigen Namen 99 80 1701 157-3 und steht in Diensten von emre ray.



Wir rollen gerade wieder los, da kündigt ein heller Scheinwerfer eine Zugfahrt an. Also, schnell wieder raus aus dem Auto und in Position geworfen. Zwar nicht die tollste Fotostelle, aber in Gegenden mit geringem Zugverkehr darf man nicht wählerisch sein.



DE 33 010 der TCDD in Aşağıpınarbaşı

Mit einem für die Türkei typischen Güterzug kommt DE33010 daher. Während im Vordergrund die Schnellfahrtrasse zu sehen ist, befährt sie die eingleisige Strecke der hier parallel laufenden Bagdadbahn.



Etwas weiter beziehen wir nun Position für den anstehenden Hochgeschwindigkeitzug aus Ankara. Mit geschätzt etwas Verspätung jagd der schmucke Triebwagen mit spanischen Wurzeln heran.



HT 65000 der TCDD in Aşağıpınarbaşı

HT65003 kommt als YHT 91203 aus der Hauptstadt daher. Im Hintergrund kann man erkennen, wie die bis dahin parallel zur Schnellfahrstrecke laufende Dieselstrecke auf die ursprünglich Trasse abbiegt und sich von der E-Piste trennt.



Ist schon eindrucksvoll wie modern die Türkische Bahn hier mittlerweile daherkommt. Nichts mehr mit "Karl May" Romantik und Flair des vorderen Orients, sondern zeitgemäßes Angebot an den eiligen und konfortsuchenden Reisenden. 8 Zugpaare am Tag verbinden Ankara und Konya auf diese Art und Weise und stellen einen Quantensprung in Sachen Fahrzeit und Reisequalität dar.
Im Zeitfenster das wir zur Verfügung haben kämen zwar noch drei Züge aus Richtung Norden, aber wir wollen in den Süden von Konya wechseln, wo es eingleisig und etwas traditioneller weitergeht.
Neben dem Regionalzug Konya - Karaman hoffen wir auf etwas Güterverkehr. Da die Strecke um diese Zeit ungünstig trassiert ist, müssen wir bis nach Arikören fahren, da hier die Trasse für einige 100 m ins Licht dreht. Auf dem Weg dorthin halten wir natürlich Ausschau nach eventuellen Zugverkehr. Kurz vor Arikören erweckt ein offenes Blocksignal unser Interesse. Ein "Immergrün" oder steht eine Zugfahrt an? Das ist die Frage! Wir haben Zeit, stellen uns auf und werden belohnt. Und wie. Ein Güterzug wie aus dem Bilderbuch kommt hinter einer brüllenden DE24000 über die kleine Steigung hinter dem Bahnhof von Arikören heraufgekrochen.



DE 24 341 der TCDD in Arikören

Geht es noch schöner? DE24341 schleppt einen gemischten Güterzug, der hauptsächlich aus offenen Zweiachsern mit und ohne Bremserhaus besteht, die kleine Steigung bei Arikören herauf.



Güterwagen der TCDD in Arikören

Einmal die graue Variante mit 21 75 513 3 551-6 Els-wz und...



Güterwagen der TCDD in Arikören

...einmal in der braunen Ausführung als 21 75 513 3 530-0.



Einfach nur schön! Und das die Diesellok mit dem langen Vorbau voraus fährt stört mich auch nicht wirklich. Noch den Lokführer gegrüßt, der diesen Gruß freundlich erwidert und dann überlegt wie weiter. Hier bleiben und hoffen, dass noch etwas kommt oder auf die andere Seite des Ortes zur eigentlichen Fotostelle fahren. Unschlüssig verweilen wir noch ein bisschen, machen uns aber dann doch auf den Weg in die Kurve. Hier wir gebaut, wenigstens lässt das ein kurzes Streckenstück unterhalb der alten Trasser erahnen. Wie, wohin und warum lässt sich aber beim besten Willen nicht erraten.

Bis zum anstehenden Regionalzug tut sich nun leider wieder nichts mehr und so ist der neue, aus Korea stammende Triebzug, die nächste Zugbewegen die die Stille unterbricht.



DM 15000 der TCDD in Arikören

Der Fotograf bei der Arbeit! Wenn man keine erhöhten Standpunkt im Gelände hat, muss zur Not als das Auto herhalten.



DM 15000 der TCDD in Arikören

Und hier das Ergebnis. Der moderne DM15011 kriecht, vorbei an schon fast altertümlich wirkenden Telegrafenmasten, in Richtung Karaman.



Nach der Vorbeifahrt drängt sich eine Frage auf: "Was nützt der modernste, schmuckeste Triebzug, wenn die Reisegeschwindigkeit gefühlte 50 km/h nicht überschreitet?".

So, was jetzt? Wir haben noch gut 2 Stunden bis zur geplanten Rückfahrtzeit an die Küste. Tja, einfach hierbleiben! Zwar ist es mittlerweile um die 40°C heiß und Schatten weit und breit nicht in Sicht, aber immerhin stehen wir an einer Zweirichtungsstelle. Sprich egal woher was kommt, es kann verarztet werden! Mit den mitgebrachten Handtücher wird ein Sonnenschutz gebastelt und somit für etwas Schatten gesorgt. Zu Trinken haben wir auch noch etwas, es lässt sich eigentlich gut aushalten. Nur ein Problem besteht, es kommt nichts mehr! Während der ganzen Zeit, Totenstille auf den Schienen! Verwundert bin ich nicht, aber wenn ich ehrlich bin, schon etwas enttäuscht. Wenigstens einen Güterzug hätte ich schon noch gerne mitgenommen.

Hilft aber nix, so ist es eben. So packen wir zur geplanten Abfahrtszeit unsere sieben Sachen zusammen, kaufen im kleinen Kramerladen von Arikören noch kalte Getränke und was zu knabbern und machen uns querfeldein auf den Heimweg. Über Schotterpisten, teils super ausgebaute, teils schmalsten Straßen geht es auf direktem Weg in Richtung Hotel. Wie schon im letzten Jahr zeigt sich dabei, dass weder auf Kartenmaterial, noch Navi in der Türkei so wirklich Verlass ist. Manchmal muss man die Angaben schon recht frei interpretieren um auf dem richtigen Weg zu bleiben.

Und selbst das hilft teilweise nichts und so bleiben nur die überaus netten Einheimischen, die einem weiterhelfen können. So geschehen, als uns das Navi auf eine immer schmäler werdende Strecke lotste, die es laut Karte garnicht gab. Schliesslich quetschten wir uns bei den Ortsruchfahrten so zwischen den Häuserrn durch, dass wir schon fast vermuteten nach der nächsten Kurve in einer Garage oder gar einem Wohnzimmer zu stehen.

Als wir in einem Dorf dann entgültig hilflos auf einem Dorfplatz standen erhoben sich vom nahestehenden Tisch sofort einige ältere Herren. Mit nur einem Wort "Antalya" war unser grobe Fahrtziel geklärt, mit zwei gesten der Weg erklärt. Einfach nur toll diese Freundlichkeit! Das gleich in Deutschland und wie groß wäre die Wahrscheinlichkeit gewesen, dass einem Gleichgültigkeit entgegenschläft oder gleich Abneigung nach dem Motto "Was wollen sie denn hier in unserer Wohnstraße! Ist ja eine Frechheit!".

Nach dem Fingerzeig hatte wir die neu gebaute Strecke auch schnell wieder gefunden und nun konnte uns nichts mehr aufhalten........dachten wir. Denn nur nach wenigen Kilometern flotter Fahrt, war die neue Route nun definitiv zu Ende und wir durften uns über die alte Paßstraße quälen. Und die hatte es wirklich in sich! Auf knapp 15 Kilometern nur aus Kurven bestehend, meist kaum so breit, dass zwei Auto anneinander vorbeikamen und ohne Leitplanken zu Abgründen die sich hunderte von Metern neben uns auftaten. Dass die ganze Strecke noch frisch mit flüssigem Teer besprüht worden war, machte das Fahren auch nicht leichter und so waren Geschwindigkeiten jenseits der 40 km/h undenkbar. Da störte auch der tierische Gegenverkehr nicht, sondern sorgte eher für Erheiterung.



Kurucay Köyü

Woher sie kamen, wohin sie wollten, keiner kann es sagen. Auf einer Länge von gut 2 Kilometern hatten wir tierischen Gegenverkehr in Form einer Kuhherde. Sie kannten sich auf alle Fälle aus, störten sich an uns nur mäßig und trotteten zielsicher, wo auch hin immer, ihres Wegs.



Endlich war dann die Hauptstrecke Konya - Manavgat wieder erreicht und es ging zügig Richtung Abendbuffet. Das dabei die Gendamerie vor uns die ein oder andere Geschwindigkeitsbegrenzung "förmlich überflog" und sich nur mäßig um Überholverbotsschilder kümmerte, so wie die anderen einheimischen Verkehrsteilnehmer, sei nur am Rande erwähnt. Es ist halt Türkei.