Der Fluch der Bügeleisen - Teil 3
Von Christof Hofbauer
„Ja, eindeutig! Original Urquell, da kann es keinen Zweifel geben!“, diese Gedanken gehen mir durch den Kopf als mich die Sonne auch an diesem Morgen wieder viel zu früh geweckt hat. Kein stechender Schmerz wie am Morgen davor, dass ist der Beweis für das, was gestern Abend bereits die Geschmacksnerven gemeldet hatten. Diesmal war das Original im Glas. Spät war’s wieder geworden und dementsprechend döse ich noch etwas, bevor mich der Wecker unbarmherzig aus den Federn reißt. Heute steht „Viva Magistrale“ auf dem Programm, sprich wir wollen uns auf den Weg zur Hauptschlagader des tschechischen Bahnverkehrs machen, die Hauptstrecke von Praha nach Ostrava.Vorher haben wir aber noch ein Date mit einem widerspenstigen Haushaltsgerät und einigen Vertretern meiner Jahrgangsgruppe.
Pünktlich stehe ich vor Nils Tür und obwohl der wieder etwas am trödeln ist, völlig untypisch für ihn, geht’s bei Zeiten raus zum Auto. Halt, was ist das? *brrrr* Saukalt ist es, was nicht nur die angefrosteten Scheiben beweisen. Also schnell bewegt, damit einem warm wird. Erster Programmpunkt: Bügeleisen! Zweimal hat es schon nicht geklappt. Am ersten Tag fiel die Begegnung mit der Gleichstromvariante bei Usti n.O. wegen „iss nich“ aus und auch am gestrigen Morgen wollte die Wechselstrom fressende Vertreterin nicht wie geplant kommen. Aber, wir haben sie abends im Bahnhof stehen sehen und dort müsste sie jetzt noch anzutreffen sein, diesmal ins rechte Licht gerückt.
Zum Bahnhof ist es nicht weit und schon bei der Anfahrt sehen wir, ja, diesmal sollte es klappen. Blau, vor einer Garnitur Nahverkehrszugwagen steht sie hinter den Bahnsteigen. Also Auto geparkt…. äch, jetzt steh ich in der Ausfahrt, also schnell nochmal umgestellt und los marschiert. Doch Moment, was rollt denn da? Das wird doch nicht? Der wird doch nicht? Doch, er wird! Ein Güterzug schiebt sich gerade in den Bahnhof und vor unseren 210er bespannten Zug!
Nun steht es für uns fest, ein Fluch liegt bei dieser Tour auf den Bügeleisen! Auch im dritten Anlauf bleiben wir ohne Bild, da uns jetzt selbst eine schnöde Bahnhofsaufnahme durch den mittlerweile zum Stehen kommenden Autozug verwehrt wird. Wir trotten trotzdem mal auf den Bahnsteig und schauen uns um, schon fast wieder belustigt, dass sich jetzt auch noch ein Regionalzug vor dem Objekt der Begierde aufgebaut hat. Was soll man dazu sagen? Einfach nur Pech! Und während wir uns noch damit abfinden, dass uns nur bleibt es am kommenden Morgen nochmal zu versuchen, haben höhere Eisenbahnmächte anscheinend ein Einsehen und bieten und ein respektables Ersatzprogramm.
Gerade ist die neulackierte 242 248-3 mit dem Os 4903 im Bahnhof von Tisnov zum Stehen gekommen.
Reger Betrieb am frühen Morgen! Während sich 242 248-3 wieder in Bewegung setzt, wartet „Gelb 1“ zwei Gleise weiter auf den nächsten Einsatz. „Gelb 2“ ist dagegen schon kräftig im Einsatz. Kurz vorher nahe unserer Pension aufgestiegen, fährt er durch die klare, kalte Morgenluft.
Kaum hat der Personenzug den Bahnhof verlassen, da rollt schon die nächste Fuhre in Tisnov ein. Und deren Zuglok ist nun wahrlich ein adäquates Trostpflaster auf die verwundete Fotografenseele. 240 035-6 an der Spitze eines langen Güterzugs, unterwegs in Richtung Brno. Besonders schön zu sehen sind hier die Vorhänge als Sonnenschutz!
Es geht Schlag auf Schlag! Diesmal nicht nur was die Zugfolge angeht, nein, auch wenn man auf das Geräusch hört! Mit mehr als deutlichem Klackern nähert sich 714 220-1 mit 814 230-9 im Schlepp. Oh Mann, das ist ja keine Flachstelle mehr, dass hört sich eher nach Halbkreis an! ;-)
Hatte die Lok schon ein eigentümliches Motorengeräusch abgegeben, schlug ein Rad der 3-er Regionova gewaltig. Ein Wunder, dass das Ding überhaupt noch rollte! ;-)
Waren wir jetzt versöhnt?!? *grmbl* Naaaa, gut……bei so einem Auflauf innerhalb von 5 Minuten kann man nicht mehr wirklich schlechter Laune sein, oder? Gut gelaunt gings daher zum Auto, sollte doch nach diesem tollen, wenn auch anders geplanten, Auftakt der nächste Höhepunkt des Tages folgen. Bedroht durch Regio-Panther, Wendezügen und Co. Läuft die Lebensuhr der betagten und stylischen 560er und 460er langsam aber unaufhörlich ab. Und so standen diese markanten Triebwagen ganz oben auf meiner „will ich sehen“ Liste.
Durch ein Samstagmorgen leer gefegtes Brno ging es in Richtung Osten. Dort auf der KBS 301, der Verbindungsbahn von Olomouc nach Nezamyslice laufen die Veteranen noch im Tagverkehr und da die Strecke laut Karte dreht, sollten Züge in beiden Richtungen machbar sein. Hier wollten wir also die nächsten zwei Stunden verdaddeln. Doof nur, nach der Ankunft mussten wir feststellen: Die Strecke ist ziemlich verbuscht oder verbaut oder läuft auf einem Damm. Wenigstens gilt das für den Teil zwischen Prostejov und Olomouc. Und da dieser Teil auch nicht wirklich lang ist, grenzen sich die möglichen Fotostellen ganz schnell ein.
So stellten wir uns für den ersten Zug im Bahnhof von Vrbatky auf. Nil hatte zwar ein Rapsfeld kurz vor dem Ort beantragt, aber da hatte ich mein Veto eingelegt. Zu weit vom Gleis……..nix gud für diesen Zug! Pünktlich rollte dann die Garnitur am großen Baum an der westlichen Einfahrt vorbei ein.
460 070-6 rollt von Prostejov her kommend als Os 3833 in Vrbatky ein.
Bis zur 460er-Gegenleistung hatten wir noch etwas Zeit und da jetzt „nur“ ein Schnellzug anstand und Nil nicht von seinem Rapsfeld lassen konnte, gab ich schließlich nach und postierte mich Schulter an Schulter mit ihm am Rand des gelben Meers.
Jenseits des Rapsfeldes! Eine unbekannt gebliebene 362er zieht den R 900 „Praded“ in Richtung Brno.
*RapsRapsRapsRaps* Zugegeben, der Blick war nicht schlecht, aber trotzdem war mir dafür ein 460er zu schade. Den wollte ich von näher. Da es Zeit für den Leistung von Olomouc her war, macht wir uns auf zum Streckenknick hinter Blatec. Aber Schreck lass nach, nirgends kam man ordentlich an die Strecke ran. Nach einigen Fehlversuchen drücke die Zeit schon recht ordentlich und reichte gerade noch, dass wir uns in Nemilany an einen Bahnübergang werfen konnten. Schon kam auch schon der leider verschmierte Triebzug angerollt.
Während die Bauern das erste Gras des Jahres mähen, rollt 460 021-9 als Os 3810 daher.
Wer genau hinschaut sieht, dass man dem ersten Beiwagen eine grüne, anstatt einer orangen Tür spendiert hat! ;-) Ersatzteilmangel oder Bequemlichkeit? Auch die Tatsache dass am Ende der 082-1 lief könnte darauf hindeuten, dass der Stern der Baureihe langsam sinkt. Sprich man verfährt nach dem Motto: Man hängt zusammen was noch fährt.
Aber nicht lang überlegt, wir müssen zurück. Der nächste Zug aus Richtung Prostejov steht an. Während ich mir vorher schon den kleinen Haltepunkt Kralicky ausgekuckt habe, will Nil unbedingt *RapsRapsRaps* . Gut er will es, er soll es haben! Schnell angehalten, den Beifahrer in die „Wildnis“ entlassen und ab geht die Post. Nahe dem Feldwegübergang hinter dem Haltepunkt baue ich mich im Schatten eines großen Baumes auf. Mittlerweile ist es schon ordentlich warm geworden. Leicht verspätet rollt es aus Richtung Westen. Hm, was mag kommen? Uiii, toll! Es ist der retrolackierte 460 079-7! Super!
Höhepunkt an diesem Morgen, der retrofarbene 460 079-7, der hier gerade als Os 3811 den Haltepunkt von Kralicky erreicht.
Zurück bei Nil wird erst mal Kriegsrat gehalten. Zum einen besteht nun die Gefahr, dass uns bei den nächsten Os Bekanntes vor die Nase fährt, zum anderen, wir wollen ja an die Magistrale. Also Entschluss: Wir machen noch den nächsten Rychlik in Blatec, dann geht’s ab an die Hauptstrecke.
Warten macht Hunger und außerdem ist es schon halb elf durch und wir hatten noch kein Frühstück. So müssen am Bahnhof von Blatec die letzten Schmatzriegel von der Tanke als Frühstück herhalten. So vergeht die Zeit bis zur Zugdurchfahrt, die mit leicht verklebten Fingern abgelichtet wird. Ganz nebenbei gabs noch Motorsport vom Feinsten. Papa mit Rasentraktor voraus, Sohnemann mit kleinem Motorgefährt hinterher. Alles mit geschätzten 4 km/h Highspeed ;-)
Hm, nicht schon mal gesehen heute? 362 121-6 eilt mit R 903 gen Osten.
Schöne Bahnhofseinfahrt…..muss man sich für die 460er merken, wenn man wieder in der Ecke ist. Wir füttern das Navi und über die Dörfer geht es jetzt in Richtung Hauptbahn. Weit kommen wir allerdings nicht, denn neben einer herrlichen Kirche, die mächtig aufragend irgendwo unterwegs alleine auf der Wiese steht, bremst uns in Brodek u Prerova etwas blaues, blubberndes. Neben einem kleinen Bahnübergang steht mit laufendem Motor ein blauer Transistor von ODOS. Den kann man schon mal mitnehmen, oder?
Mit laufendem Motor wartet 742 501-0 von ODOS vor dem unbeschrankten Bahnübergang.
Im gegenüberliegenden Gelände beschäftigt sich eine Gruppe Arbeiter mit einem TAKRAF Eisenbahnkran Made in GDR. Recht viel mehr ist durch das Tor nicht zu sehen. Aber hey, warum ist man so groß? Damit man mit etwas hüpfen über Mauern sehen kann *hihi* Klappt bei meinem Begleiter nicht so gut. Kein Wunder, ich habe in der Höhe ja auch einige Zentimeter Vorsprung. Der Lohn meiner sportlichen Betätigung? Ich erspähe eine Reihe tschechischer Kleinloks die förmlich danach betteln aufs Bild zu kommen. Zweiter Vorteil einer Körpergröße gut jenseits der 1,80 m? Man kann mit gestreckten Armen locker über Hindernisse hinwegfotografieren! Nicht schlecht, oder?
Sind sie nicht schön? Auch wenn der Lack schon etwas ab ist, die tschechischen Kleinlokklassiker 701 738, T211 1642, 701 478 und eine schüchterne 701, die ihre Nummer versteckt, machen doch eine gute Figur, oder?
Schöner Zwischenstopp, nun aber weiter. Schließlich ist es schon 11.00 Uhr durch und wir wollen doch Hauptstreckenverkehr. Man kennt das ja, etwas hier gestanden, etwas dort fotografiert, und schon ist der Tag rum. Weit sind wir nach den letzten Bildern noch nicht gekommen, da hören wir komische Geräusche! Auto kaputt? Nö……Hunger! Kein Wunder, denn Frühstück war heute ja wieder nix und bis auf den Schmatzriegel sind unsere Mägen leer. Dorfladen ist weit und breit keiner zu sehen und als wir durch Prerov düsen, lassen wir das Kaufland erst mal rechts liegen. Wenn wir da rein gehen, bis wir da was finden, und dann durch die Kassen durch sind, da ist ja wieder ewig Zeit weg! Also vorbei! Oder doch nicht? Hunger und die Befürchtung, dass eine Suche nach etwas kleinerem in einem der folgenden Orte auch Zeit fressen würde lässt und umdrehen. Also rein in die Halle und schnellstens wieder raus.
Das Schicksal hat aber ein Einsehen mit uns. Gleich hinter dem Eingang platziert, ein Metzger und ein Bäcker. Bei ersterem kommen wieder unsere Fähigkeiten uns in der Universalsprache verständlich zu machen zum Einsatz. Deuten mit den Fingern! Jaja, ich weiß, für einen Oberpfälzer und regelmäßigen Tschechien Besucher ist es eine Schande wenn er sich mehr als 20 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs immer noch nicht in der Landessprache verständlich machen kann! *schuldbewusstdenkopfsenk* Aber an heroischen Anläufen hat es nicht gemangelt! Doch es ist nun mal eine Tatsache, ich bin ein Sprachgenie bin. Zumindest wenn darunter auch zählt, einmal erlernte Vokabeln in Windeseile wieder zu vergessen.
Zurück ins Kaufland. Fingersprache geht ganz gut, bis es die nette Dame hinter der Theke es zu gut mit mir meint und mir alle vorhandene Käsewurst auf die Waage schmeißt, statt der angezeigten Menge. Puh, wenn die meint ich hab Essen so nötig, kanns mit der Figur ja doch nicht so schlecht sein wie befürchtet! Oder meint sie, ich sähe so aus als würde ich täglich ein halbes Schwein verputzten? Egal, mit einigem Wedeln und Gestikulieren kommen wir zusammen. Super, Wurst ist da, jetzt noch das Brot…geht schnell und unkomplizierter als die Wurst *grins* …dann noch Getränke und ab durch die Mitte sind wird.
Unisono geistert durch unsere Köpfe nun ein Wunschbild! Ein Hang mit darunter verlaufender, freier Strecke, ein weites Tal und eine Ortschafts im Hintergrund, die Sonne im Rücken, und auf dem Hang ein Baum und in dessen Schatten wir, inkl. Kamera und Brotzeit!!! Schön, oder?
Nur die Erbauer der Strecke haben elendiglich geschlampt! Die Strecke ist verwachsen, läuft die meiste Zeit auf einem Damm und wenn nicht da, dann auf der falschen Talseite. Oder, die Sonne geht falsch auf. Das kann sich jetzt jeder aussuchen.
Da der Hunger langsam zwickt und wir fotografieren wollen, entern wir die erste Stelle die so lala geht. Keine 1a-Stelle, aber besser als gar nichts.
Erstes Foto an der Stelle und mein erstes Foto einer 130er überhaupt. 130 010-2, eine Vertreterin der jüngsten Abart der klassischen Skodalok, kommt mit einem Güterzug von Osten her.
Wir sind uns einig, es gibt deutlich bessere Fotostellen auf dieser Welt. Also einstimmiger Entschluss, wir bleiben hier genau eine Brotzeit lang, dann suchen wir uns etwas anderes. Und während wir unsere Mägen füllen, rauscht es kräftig an uns vorbei. Allerdings zu unserem Leidwesen immer nur von hinten. Andererseits bleibt uns so Zeit zum Kauen und zum Spekulieren, ob nicht vielleicht die EM-380er vorbeikommen könnte. Weißt schon, die schön beklebte, die so aus sieht wie die, die da hinten gerade aus dem Einschnitt auftaucht *mistmistmist* !!!
Wurst und Brot auf die Ablage werfen, Kamera schnappen, ums Auto laufen und sich dabei den Kopf an der Heckklappe anschlagen, das geht alles in einem ab. Trotzdem reicht es nur für diesen traurigen Nachschuss.
Das wäre ihr Preis gewesen! Nur von der anderen Seite bitteschön und mit mehr Vorlaufzeit! *grmbl* EM-Lok 380 011 strebt mit ihrem Zug Ostrava entgegen.
Tja, das Bild musste ich jetzt einfach einstellen. Schließlich wird es wohl das letzte sein, was ich je von der Maschine in diesem Outfit gemacht habe.
Wir überlegen, wann die Lok wieder zurückkommen könnte, essen fertig und machen nebenbei noch einige Fotos.
151 006-4 mit dem EX 146 „Leos Janacek“ aus Zilina.
Gleiche Güterzuglok, andere Lackierung. 130 035-9 vor einem Bunkerzug laufend, präsentiert sich in einer Lackierungsvariante zu ihrer Schwester von eben.
Brotzeit ist weg und ganz ehrlich, die Ecke haben wir nun gesehen. Stellungswechsel auf die andere Bahnhofsseite. Die dortige Kurve verspricht etwas mehr Dynamik.
Als erstes ein in den Farbtopf gefallener Oldie als Querschuss. 123 001-0 kommt mit einem Güterzug aus Richtung Prerov gefahren.
Klassisches CD-Farbkleid vor najbrt. 362 167-9 mit dem R 738 aus Richtung Osten.
Nur 3 Minuten später folgt die Variante in gelb. Ob 162 117-6 manchmal das warme Oberitalien vermisst? Die flotte Fahrt mit dem IC 1010 bringt sie an dem Tag aber garantiert auch ins Schwitzen.
Während der Wartezeit auf die nächsten Züge haben wir etwas geknobelt. Eigentlich wären ja die Dieselstrecken im Gebirge nicht sooo weit weg und eigentlich würde uns die Aussicht vielleicht doch eine Bardotka zu erwischen auch reizen, aber rentiert es sich unseren Tagesplan dafür umzuschmeißen? Was, wenn wir jetzt ewig da hin gondeln, nur um dann festzustellen, dass das Wetter schlecht ist? Schnell mal das Navi die Fahrzeit rechnen lassen, dann ist klar, wir bleiben an der Hauptbahn! Aber ein kleiner Stellungswechsel dürfte es schon sein. Für den jetzt folgenden Os hätten wir gerade eine nette Brücke gesehen. Also nichts wie hin, wird knapp, sauknapp, aber müsste noch gehen. Und? Na klar, es ging!
Es macht sich schon langsam rar, das klassische Grün mit gelber Bauchbinde. Umso mehr freuen wir uns über die 163 081-8, die mit dem Os 3312 die Brücke kurz vor Lipnik nad Becvou passiert.
Nun wollen wir noch den nächsten Slowakenzug abwarten, dann soll es in Richtung Zabreh na Morave gehen. Nach einigem hin und her landen im Bahnhof von Lipnki n.B. Dort lässt es sich, beschallt von Gangster-Rap aus einem nebenstehenden Gebäude, allem Anschein nach eine Unterkunft von Flüchtlingen, gut warten.
Erst einmal ist Schaulaufen von CD-Cargo angesagt, denn nach 130 008-6 mit einer Schlange Eaos folgt……
die 363 041-5 mit einer gleichartigen Wagenschlange.
Und auch die Privaten geben sich die Ehre in Form von 753 726-3 und 736-8 von AWT vor einem langen Bunkerzug.
Dann der eigentlich Grund unseres Hierseins, 150 222-8 mit dem Ex 128 aus Kosice.
Nach der Durchfahrt heißt es auch für uns aufbrechen. Wir verlagern unseren Standort ein ganzes Stück nach Norden und beziehen bei der kleinen Ortschaft Libiva auf einer Brücke Position. Auch dort geht es wieder Schlag auf Schlag: Hauptstrecke eben!
Supercity SC 503, mit 681 002-2 an der Spitze, rollt über die Ebene Richtung Ostrava.
Kurz danach folgt 150 215-2 mit dem R 709.
Neue Lok vor Altwagen. Mit einem bunten Sammelsurium ist 380 016-6 als Ex 523 unterwegs.
Eine Steigerung der vorherigen Garnitur gefällig? Aber gerne doch! 740 609-3 von EZ hat nicht nur 797 702-8 im Schlepp, sondern auch noch eine illustre Zusammenstellung von Wagen.
Gelb in allen Variationen! REGIOJET 162 116-8 mit IC 1009 folgt…
…CD 362 121-6 mit dem Os 3748/9.
Oder ist das der Os 3748/9? Einer der beiden war irgendwie zu viel. Sicher ist, dass hier die polnische EU07-516 im tschechischen Binnenverkehr läuft.
Irgendwie wollen wir immer gehen, aber kaum haben wir uns in Richtung Auto aufgemacht, rollt es wieder mächtig auf den Schienen und wir sprinten zurück zur Brücke. Doch irgendwann hat man genug von einer Stelle und so wollen auch wir uns wieder verschieben. Mich zieht es hinein ins Tal hinter Zabreh na Morave und Nil kann diesem Drang nichts entgegensetzen. Allerdings, einmal werden wir noch schwach und zwar als es von Norden her dieselt.
Unipetrol 753 718-6 und 753 720-2 sind mit einem langen Kesselwagenzug unterwegs.
Hurtig, hurtig! Wir habens eilig! Die nächsten Züge von Osten her wollen wir schließlich im Tal umsetzen. Bei Hostejn gibts dafür eine schöne Blumenwiese als Vordergrund. Leider ist aber auch dort das Grün am Bahndamm üppig gewachsen und weißt nur wenige Lücken auf. Und in diese muss man die Loks irgendwie hinein zaubern. Viel Zeit um wählerisch zu sein haben wir eh nicht, stehen doch gleich 3 Züge innerhalb von rund 20 Minuten an.
Den Anfang macht IC 1012 mit einer unbekannt gebliebenen 162.1 von REGIOJET an der Spitze.
Wenig später erscheint Ex 120 aus Kosice, gezogen von der 151 011-4, die schon in den neuen Farben daher kommt.
Einige Minuten später folgt R 708. 150 225-1 hatte sich in Zabreh na Morave vom eben gesehenen Ex überholen lassen müssen und folgt diesem nun auf seinem Weg nach Norden.
Ich will noch weiter ins Tal hinein, an eine Stelle wo sich Straße und Bahn ganz nahe kommen. Durch die Begradigungen und den Modernisierungen haben sich die möglichen Fotostellen aber deutlich verringert. So landen wir zu guter Letzt nahe Krasikov auf der Leitplanke. Nein, keine Angst, dass Auto steht sicher einige 100 m weiter auf einem Feldweg. WIR müssen uns auf der Leitplanke platzieren. Erstens ist nicht genug Platz an dieser Stelle, zweitens können wir so Höhe gewinnen. Nun stehen wir da und warten, an der Hauptschlagader des tschechischen Bahnsystems und……..es kommt kein Zug! Wie? Streckensperre?
Keine Ahnung! Auf alle Fälle rollt keine Rad und neben uns auf der kleinen Verbindungsstraße ist deutlich mehr los als auf der Magistrale unter uns. Nach fast einer Stunde Zugpause setzt Nil an und meint: „Von mir aus könnte jetzt ….. *neiiiiiin, sags nicht* ….. sogar eine ….. *bitte, bitte, nicht sagen, nicht sagen, das geht sonst in Erfüllung* ….. Regio-Nova kommen!“ *o Gott, was hat er getan…..man weiß doch, dass solche doofen Wünsche umgehend Realität werden*
Wo waren der Pendolino geblieben, wo der Rychlik und der REGIOJET? Keine Ahnung! Nichts Fernverkehr, wie von Nil gewünscht dieselt 814 084-0 als Os 3874 gemütlich an uns vorbei!
Nil grinst, er findet schließlich die Regio-Novas gut, ich, der ich seine Begeisterung nur mäßig teilen kann, finds einfach nur doof, dass auf der Hauptstrecke nichts anderes kommt. Gut, man könnte ja theoretisch noch warten, irgendwann kommt schon auch noch was. Das Problem ist aber, es kommen nicht nur andere Züge, es kommt definitiv auch der Bergschatten. Und der hat das Gleis fast erreicht. So wird es beim folgenden Ex 144 auch schon recht eng und der Zug muss in die untere Hälfte des Bildes „geschoben“ werden.
Schöne Lok! Gehüllt in najbrt2.0 kommt 151 007-2 mit dem aus Kosice kommenden Ex 144 „Landek“ daher.
Ich finde ja, dass die Loks der Reihen 150, 151 oder 350 die schönsten Elloks sind, die sich auf tschechischen und slowakischen Schienen herumtreiben. Und die aktuellste Farbvariante steht ihnen ausgesprochen gut.
Jetzt würds wieder rollen, doch mit dem Schatten? Da bleibt nur der Rückzug. Kaum unten beim Auto, hören wir dumpfes Rollen im Tunnel. Ein beherzter Spurt durchs Gestrüpp, der uns beide beinahe zum Straucheln bringt, ergibt zu guter Letzt dann doch noch ein Güterzugfoto an dieser Stelle.
An der Spitze eines langen Güterzuges schiebt sich Cargo 163 023-5 aus dem Tunnel bei Krasikov.
Letzter Programmpunkt des heutigen Tages ist der See Zabreh na Morave. So grob weiß ich aus meiner Erinnerung noch wo er liegen müsste. Zwar war ich noch nicht da, aber während der Vorbereitung der im letzten Jahr ausgefallenen Tour, hatte ich mir alles schon mal auf google earth angesehen. Ist aber jetzt doch schon einige Zeit her und dummerweise hatte ich den damals angelegten Ordner mit alle Unterlagen zuhause liegen lassen! *schöndoof*
Mit Hilfe des Navis müssten wir die Stelle aber finden. Da Nil unbedingt den nächsten REGIOJET dort verewigen will, haben wir es auf einmal wieder recht eilig. Ein Schleicher, den wir unterwegs aufsammeln, und ungenaue Angaben vom Navi lassen den Zeitvorrat dahinschmelzen wie Schokoeis in der Sonne. Zweimal setzen wir falsch an und sind doch jeweils so nahe am Ziel. Wie nahe werden wir erst später sehen. Kreuz und quer lotst uns das elektronische Mistding durch den Ort bis wir endlich am See ankommen. Wäre eigentlich ganz einfach gewesen. Nur nun heißt es flinke Füße bekommen. Ich lasse Nil schon mal raus, parke und sprinte hinterher. Am Ufer angekommen sehe ich ihn weit rechts vorne im Geschwindschritt enteilen, aber halt, die Strecke ist doch links von uns……. Da dort das Ufer aber direkt in den Bahndamm übergeht verlasse ich mich mal darauf, dass Nil schon mal ausgekundschaftet hat, dass dort kein Durchkommen ist. Also folge ich im blind. Später werden wir merken: Fehler! Großer Fehler!
Klar dass die Zeit jetzt nicht mehr reicht. Einmal um den See rum dauert eben doch zulange. Daher gibt es nur einen Querschuss auf den gelben Zug.
Über den See hinweg. 162 119-2 mit dem IC 1016 auf dem Weg nach Praha.
Endlich auf der anderen Seeseite angekommen stellen wir zwei Dinge fest:
1) Hätten wir bei unserem ersten Anfahrversuch unserem Instinkt vertraut und wären gleich ausgestiegen und hergelaufen, würden wir schon seit gut 25 Minuten hier im Gras sitzen.
2) Schön ist es hier!
So genießen wir die nächsten eineinhalb Stunden am lauschigen Seeufer und erfreuen uns an regem Zugverkehr und schönstem Abendlicht.
Ex 126 „Fatra“ aus Zilina legt sich hinter 150 027-0 in Zabreh na Morave in die Kurve.
Auch er hat sich überholen lassen müssen. R 710, gezogen von 150 221-0.
Italienische Eleganz trifft auf mährisches Idyll. 682 002-1 als Supercity SC 514 auf dem Weg nach Praha.
Blick über den See.
Selbst eine Regio-Nova kann in der richtigen Umgebung ganz nett ausschauen. Die bekannte 814 084-0 als Os 3786.
Kleine Bemerkung am Rande. Die hin und her pendelnde Region-Nova war so gemütlich unterwegs, dass sie mehrmals nachfolgende Schnellzüge zum Bremsen brachte, da diese aufgelaufen waren. Ob das so planmäßig ist? *grins*
Wieder ein Zug aus der Slowakei, diesmal mit CD-Garnitur. 151 016-3 bringt den Ex 142 „Odra“ daher, der in Zilina gestartet ist.
Es ist einfach schön hier. Und auch wenn es immer frischer und die Schatten immer länger werden, wir können uns nicht losreißen. Schließlich hat sich jetzt der Wind gelegt und die Züge spiegeln sich im See.
Auch Güterverkehr gibt es zu sehen, so wie hier die 130 031-8, die ihre Fuhre gen Norden zieht.
Schließlich, so gegen 20.00 Uhr, haben die Schatten dann auch das letzte Stück Gleis erreicht und so machen wir uns auf den Weg zurück zum Auto. In den Gärten rings herum herrscht Partystimmung, spielt doch Tschechien im Halbfinale der Eishockey WM gegen die Slowakei! Bruderkampf also!
Der Rückweg zum fahrbaren Untersatz ist übrigens ein Klacks! Zwischen Ufer und Bahndamm lässt es sich herrlich marschieren und so sind es nur rund 150 m anstatt 400 – 500 außen rum. Tja, das nächste Mal weiß mans. *grins*
Langsam sinkt die Sonne hinter den Horizont als wir uns auf den Rückweg nach Tisnov machen. Nil überkommt plötzlich die Lust auf Kunst und er gibt nicht eher nach, bis das wir wieder an der Brücke bei Libiva stehen. Dort möchte er im Restlicht noch den anstehenden REGIOJET künstlerisch umsetzen. Doch bevor der Zug kommt verwandelt sich das Restlicht in Nichtlicht und aus dem geplanten Kunstbild wird ein Dunkelbild erster Güte. Sprich außer Spesen nichts gewesen, denn das hin holpern zur Fotostelle und der Rückweg von selbiger haben uns, inkl. Warten, eine halbe Stunde gekostet. Die geht uns jetzt vom vermeindlichen Zeitpuffer bis zur Schließung der Küche in unserer Pension ab.
Im Bestreben einen Teil der verlorenen Zeit wieder aufzuholen, eile ich, kräftig im Getriebe rührend, über enge Sträßchen durch die hereinbrechende mährische Nacht. In Tisnov angekommen fallen uns gleich die zahlreichen und deprimiert wirkenden Eishockeyfans auf, die in Nationaltrikots gehüllt mit hängenden Köpfen heimwärts streben. Oh, oh, das deutet auf nichts Gutes. Eine Vermutung die die mit gedämpfter Stimme sprechende Nachrichtendame im Radio kurz darauf auch bestätigt. Tschechien hat gegen die Slowakei verloren, Tschechien ist raus!
Nicht das einzige sportliche Debakel was sich heute ereignen wird! Man erinnere sich, heute ist auch Champions-League Finale: Bayern – Chelsea
In der Pension angekommen geht es schnell aufs Zimmer, Rucksäcke abstellen, Wasser ins Gesicht und dann sofort runter zum Essen. „Gibt’s noch was? Jaja, kein Problem!“ Das Essen ist wieder lecker und üppig, das Bier läuft und wir genießen unseren letzten Abend in Tschechien. Nebenbei immer wieder ein Blick auf den Liveticker, wie es wohl in München steht.
Als wir dann in aller Gemütlichkeit aufstehen um den Betten zu zustreben, wir wollen ja morgen wieder früh raus, reicht es sogar noch um sich das Elfmeterdrama live anzutun…..äh, ich meine „zu schauen“! Ich bin ja absolut KEIN Bayernfan, aber die Niederlage schmerzt auch mich ein wenig. Im Europapokal muss man für jede deutsche Mannschaft sein!
Mit den Gedanken an einen schönen Tag und der Vorfreude auf morgen geht’s ins Bett. Einzig schade, dass dann die Kurztour schon wieder vorbei ist. Na dann gute Nacht und schon mal von Bergen und lärmenden Dieseln geträumt.