Nebenbahn-Romantik in den Jura Freibergen
Von Pascal Zingg
Nebenbahn-Romantik in der Schweiz? Gibt es das in diesem modernen Land noch? Ganz bestimmt nicht, ist man angesichts von Sparmassnahmen und Moderniesierungswahn versucht zu sagen. Wer die Schweiz jedoch etwas besser kennt, weiss auch, dass es einige Ecken gibt, in dehnen die Uhr anscheinend noch ein bisschen anders tickt. Mögen diese Regionen, auf Grund ihrer etwas anderen Mentalität, ab und an beim immer gestressten Perfektionisten aus der Deutschschweiz etwas anecken, so bescheren sie uns zumindest im Falle der Chemins de fer du Jura, etwas was es in der Region Zürich nicht mehr gibt: echte Nebenbahn-Romantik. Wie so oft ist es der Güterverkehr, der die CJ interessant macht. Hier ist vor allem der Transport von Müllcontainern der Fondation Arc Jurassien Déchets (Abfallentsorgung im Jurabogen) zu nennen. Täglich befördern die CJ nämlich Abrollcontainer von Glovelier und Tavannes nach La Chaux-de-Fonds, wo sich eine Kehrichtverbrennungsanlage befindet. Die Fahrlage dieser Müllzüge findet man im grafischen Fahrplan der CJ (erhältlich auf fahrplanfelder.ch). Somit ist es eine einfache Sache, einige gute Bilder von diesen Zügen zu machen, dachte ich mir zumindest. Pünktlich waren David und ich dann auch um kurz vor neun in Glovelier. Hier stand der Müllzug auch schon bereit. Zusätzlich stand ebenfalls noch der BDe 4/4 621, der ebenfalls im Güterzugdienst steht. Nun galt es nur noch eine Stelle für den Zug zu finden, dies ist jedoch nicht so einfach, da der Zug grösstenteils in Richtung Westen fährt. So ging dann auch der erste Versuch kurz hinter Glovelier in die Hosen. Besser ging es derweil bei Le Bémont.Wie der Experte schnell erkennen wird, handelt es sich beim Triebwagen um einen ehemaligen Chur-Arosa-Bahn-Triebwagen. Die Fahrzeuge wurden bei der Umelektrifizierung überflüssig, weshalb ABe 4/4 487 und 488 an die CJ gingen. ABe 4/4 641 befindet sich derweil noch immer (oder besser gesagt wieder) in seiner ursprünglichen RhB-Lackierung. Auf unserer Zugverfolgung erreichten wir nun Saignelégier. Hier war nur ein kurzer Halt vorgesehen, weshalb wir am Bahnhof gleich durchfuhren. Da der Zug jedoch nirgends zu finden war gings nochmals zurück zum Betriebsmittelpunkt Saignelégier, um festzustellen, dass man dort rangiert und den ABe gewechselt hatte. Da der Zug gerade wieder ausfuhr, hatten wir kurzzeitig Stress. Bei der nächsten Stelle reichte es daher nur David für ein Bild.
Als nächstes wurde Le Noirmont angefahren. Hier trifft die Strecke Glovelier - La Chaux-de-Fonds auf die Stichstrecke aus Tavannes. Wie wir beobachten konnten, setzte ABe 4/4 642 gerade um.
Während der Bahnhof noch echte Nebenbahn-Romantik versprüht, drohen im Hintergrund schon die Bauabschrankungen. Der Bahnhof wird nämlich gerade grossflächig umgebaut. Es besteht jedoch Hoffnung, dass er dabei seinen Charme einigermassen behält. Für uns ging es nun zurück nach Saignelégier. Während David einen Rangierer fragt, ob sich 641 nochmals bewegen sollte, war ich am Schalter. Der nette Herr meinte, dass der BDe 4/4 621 um elf Uhr aus Glovelier kommen sollte. Am Nachmittag solle es derweil noch einen Güterzug nach Tavannes geben. Wie verschoben uns derweil nach Le Bémont, wo der BDe 4/4 621 festgehalten wurde.
Wie die ABe 4/4, so hat auch dieses Fahrzeug eine interessante Geschichte. Der Triebwagen wurde für die Biel-Täuffelen-Ins-Bahn gebaut und später an die Frauenfeld-Wil-Bahn verkauft. 1991 kaufte die BTI das Fahrzeug zurück und nutze es als Ersatzteilspender. Die CJ kaufte sich derweil den Wagenkasten und setzte ihn auf Drehgestelle, die sie vom Umbau eines ihrer De 4/4’ noch über hatte. Heute ist der Triebwagen vor allem vor Rollschemmeln anzutreffen. Uns war vorerst nur eine Solofahrt vergönnt. Da der Triebwagen nur bis Saignelégier fuhr, ging es für uns runter nach Tavannes, wo ABe 4/4 642 in den letzten Rangierzügen war. Wir suchten deshalb eine Stelle vor Tramelan, wurden jedoch vom Zug überrascht. Ohne Bild gings nach La Chaux-des-Breuleux. Eigentlich hätte hier der ABe 4/4 kommen müssen, tat er jedoch nicht. Stattdessen kam der BDe 4/4 621 mit einem Holzwagen.
Wir waren uns sicher, dass dieser Zug runter nach Tavannes fahren würde und stellten uns deshalb hinter Tramelan auf. Der Zug kam jedoch nicht. Nach rund 30 Minuten Warten fuhren wir hoch nach Tramelan. Hier befindet sich die Werkstätte der CJ. Verrückterweise werden hier auch die Normalspurfahrzeuge gewartet. Dass man die Fahrzeuge dazu mit Schemmeln von Tavannes hoch fahren muss, scheint dabei niemanden zu stören. In Tramelan entdeckten wir, dass der Müllzug schon wieder weg war. Der BDe 4/4 hatte derweil seinen Holzwagen abgestellt und stand vor einem Steuerwagen. Da das ganze ziemlich endgültig aussah, fuhren wir wieder hoch nach Saignelégier. Wie wir feststellten stand hier der ABe 4/4 641 mit einem Müllwagen bereit. Es gab jedoch drei Gründe, wieso der Zug in den nächsten Minuten noch nicht fahren sollte. 1. War niemand auf dem Zug. 2. Hatte man uns gesagt, der Zug fahre um 13:00 Uhr und 3. stand im grafischen Fahrplan eine Trasse um 12:59 drin. Es war also noch Zeit für einen Besuch im lokalen Supermarkt. Etwas verdutzt waren wir, als der Zug bei unserer Rückkehr schon weg war. Wir hetzten hinter her und holten ihn in Le Noirmont wieder ein. Gerade noch reichte es für ein Bild beim Umsetzen.
Noch während dem Umsetzen erblickten wir den BDe 4/4 621 mit seinem Steuerwagen. Der BDe überführte diesen offensichtlich ins Depot nach Saignelégier, weshalb auch er in Noirmont umsetzte.
Weiter ging es derweil zwischen Tramelan und Tavannes, wo wir jedoch keine geeignete Stelle für den ABe 4/4 fanden. Wir stellten uns deshalb vor Tramelan auf und warteten bis der TW wieder hoch kam. Davor sollte noch der Regelverkehr festgehalten werden, so kam auch De 4/4" 411 vorbei.
Von den De 4/4' wurden drei Stück gebaut. 401 und 402 hat man inzwischen zu Gem 4/4 umgebaut, wobei Gem 4/4 402 heute als Gem 4/4 12 bei der Meiringen-Innertkirchen-Bahn beheimatet ist. Der De 4/4' 403 wurde derweil zum De 4/4" 411 umgebaut. Der Triebwagen erhielt unter anderem eine Vielfachsteuerung und neue Drehgestelle. Die alten Drehgestelle findet man derweil (ihr wisst es ja schon) unter dem BDe 4/4 621. Nach dem De 4/4" 411 ging es nicht lange, bis auch der ABe 4/4 411 wieder auftauchte.
Auf der Verfolgung verspielte ich ein weiteres Bild auf Grund einer vollen Speicherkarte. Wie sich herausstellte, sollte dies das letzte Bild des ABe 4/4 sein. Wieder wurde in Noirmont umgesetzt. In Saignelégier wurde der Triebwagen schliesslich abgestellt. Für uns blieb daher nur noch der Planverkehr. Wir verfolgten einen GTW, der bei La Boéchet erlegt wurde.
Anschliessend stellten wir uns bei La Cibourg auf. Dabei hatten wir die leise Hoffnung, dass vielleicht noch ABe 4/4 642 aus La Chaux-de-Fonds kommen würde. Diesen hatten wir am Mittag bekanntlich verloren. Leider wurde uns dieser Wusch aber nicht gewährt, stattdessen gabs einen doppelten BDe 4/4-Pendel.
Weil anschliessend das Licht weg war, verabschiedeten wir uns auch schon wieder in Richtung Heimat.