Grenzgänger - Teil 2

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Ich hab’s geschafft und bin vor dem Wecker wach geworden! So bleibt mir das nervige Gedudel des Handys an diesem Morgen erspart. Immer gut, will man mit einem Lächeln in den Tag starten. Naja, dass stellt sich erst nach der Dusche wirklich ein, als warmes Wasser es geschafft hat, mich und meine Gesichtsmuskulatur soweit aus dem Schlaf ins Leben zurück zu holen, dass ich zu Mimik wieder fähig bin.

Der Blick aus dem Fenster zeigt blau, mit Hang zu Schmodder rechts hinten. Macht nichts, ich will nach links vorne. Draußen ist es noch angenehm frisch und so kehren auf dem Weg zum Auto auch die letzten Lebensgeister in den Körper zurück. Ich genieße diese Momente, wenn man sich an einem kühlen Morgen auf in einen sonnigen Fototag macht. Diese Mischung aus Vorfreude, Spannung und Begeisterung.

Bevor es aber nun rüber geht nach Polen ist erst einmal Bahnhofs-Guck in Jesenik angesagt. Dort warten zwei Brillen auf ihren Einsatz im Schnellzugdienst hinunter nach Zabreh na Morave und eine Büchse macht sich fertig für den anstehenden Osobni Vlak.



810 468 der ČD in Jesenik

Während 810 468-9 bereit gemacht wird für das anstehende Tagesgeschäft……..





754 080 der ČD in Jesenik

……haben 754 080-0 und Reko-Brille 750 716-3 noch Pause.



Jetzt noch tanken……..jaja, für das Auto gibt es Frühstück, für mich noch nicht…….dann mache ich mich auf in Richtung Glucholazy.

Gestern Abend hatte ich im Netz noch nach dem Sonnenstand gesehen und festgetellt, dass es für einfahrende Züge aus Tschechien wohl Mitternachtssonne brauchen würde um sie ohne Frontschatten zu fotografieren. Also Plan B, quer schießen. Irgendwie hatte ich Bilder eines Berichts im Kopf, wo genau das gemacht worden war. Und zwar an der Einfahrt, mit beiden Strecken die aus Tschechien herüber kommen.

Vorbei an Mikulovice, der Bahnhof war erwartungsgemäß leer, geht’s das kurze Stück rüber über die Grenze. Auf den Straßen ist noch wenig los, eben wie es an einem Sonntagmorgen so ist. Nur ein Passant ist bemerkenswert, ein junger Mann der einen Kiosk mit drei Flaschen Bier in der Hand verlässt. Kurz nach halb acht?!?! Na gut, jeder frühstückt halt anders *grins* .

Ich mache mich auf die Suche nach einer Stelle für den anstehenden Zug von Krnov her. Erster Versuch am Bahnhof. Hm, da wo beide Strecken in Sichtweite nebeneinander laufen gibt es alles, nur keinen Blick zum quer schießen. Zum einen hat sich die Vegetation in Form von Büschen in den letzten Jahren wohl deutlich ausgebreitet, zum anderen ist dort, wo der Fotograf gestanden sein musste eine Kleingartensiedlung. Und die sieht mir eigentlich nicht so aus, als ob sie erst entstanden wäre. Es wurmt mich etwas. Hätte ich mich doch nur ein bisschen besser vorbereitet.

So bleibt für den ersten Zug des Fototages nur die Bahnhofseinfahrt mit Frontschatten. Aber ich möchte unbedingt die Situation mit den beiden Strecken mit aufs Bild bringen.



843 031 der ČD in Głuchołazy

Von Krnov kommend läuft 843 031-6 in Glucholazy ein. Als Zug Sp 1660 unterwegs wird er nach dem Kopf machen im Bahnhof, selbigen auf dem daneben liegenden Gleis in Richtung Jesenik wieder verlassen.



Schon beim Warten auf den Zug bekomme ich einen Eindruck über die Streckengeschwindigkeit. Kündigt sich der Triebwagen schon deutlich mit Hupen an, dauert es doch noch eine gefühlte Ewigkeit bis er mich erreicht.

Kaum ist die Garnitur an mir vorbei gepoltert kommt der Auftritt des netten PKP-Mitarbeiters aus dem Wärterhäuschen von gegenüber. Er ist nicht nur für das Schließen des Bahnübergangs zuständig, nein er eilt nun auch vor in den Bahnhofskopf und macht sich dort an den Weichen zu schaffen. Nach planmäßig 7 Minuten Aufenthalt brummt es hinten an den Bahnsteigen wieder los und langsam schiebt hupend der Schneewittchen-Sarg seine Garnitur in Richtung Tschechien wieder aus dem Bahnhof.



843 031 der ČD in Głuchołazy

Nun ein Gleis weiter rechts verlässt 843 031-6 als Sp 1660 nun Glucholazy wieder gen Tschechien. Das ganz äußere Gleis führt hinab zu dem nur wenige hundert Meter entfernten Bahnhof Miesto. Nach der Beschaffenheit der Schienen zu urteilen haben sich an dieser eingleisigen Station, die die querende Straße im Gegensatz zu den beiden Linien nach Tschechien niveaugleich überquert, schon länger keine Räder mehr gedreht. Auch das kleine Bahnhofsgebäude, das direkt am Straßenrand steht, ist vernagelt.



Jetzt ist Pause! Denn bei dem üppigen Takt den Ceske Drahy auf dieser Korridorstrecke mittels Spesny vlak anbietet, alle vier Stunden pro Richtung, bleiben dem Fotografen nette Lücken von jeweils 2 Stunden bis zur nächsten Zugfahrt.

Diese kann man nun auf vielerlei Weise nutzen. Entspannen, ein gutes Buch lesen, eine Wiese mähen ….. kommt noch ….. oder gemütlich die Chancen nutzen, die die umliegende Eisenbahnwelt so bietet. Jawohl, die umliegende, denn Glucholazy tut es nicht. Hier fährt nur CD, die innerpolnische Strecke ist tot.

Ich habe mich schon entschieden, wie ich die erste Lücke füllen will. Rüber ins nahe Zlate Hory soll es gehen und dann dort an die kurze kurz Lokalbahn von Mikulovice her, mit ihren 4 Zugpaaren, die auch nur am Wochenende über die Schienen rollen. Aber eben eines genau passend.

Nun habe ich mich nicht gerade sehr beeilt mit meinem Aufbruch, es ist ja nicht weit und ich habe Zeit, und in Glucholazy ist auch noch die direkte Straße gesperrt, so dass ich eine Umleitung durch den Ort fahren muss. Trotzdem stehe ich vor der Schranke und sehe der Vorbeifahrt des Sp 1660 zu. Richtig gelesen! Er ist immer noch im Ort, und dass nach einer gefühlten Ewigkeit. Das und ein Blick auf die Infrastruktur allein hier im Ort, mit ihren vielen kleinen Brücken, Einschnitten und den handbedienten Bahnübergängen lassen erahnen, welche Probleme dieses Strecke hat. Kein Wunder das die Trassenpreise hoch sind und die Verbindung ständig auf der Kippe steht, denn soviel Aufwand für gerade mal eine Hand voll Zugpaare am Tag, das kann sich nicht rechnen!

Die Straßen sind deutlich besser in Schuss und so erreiche ich ohne Problem Zlate Hory im Zeitfenster und rolle die Strecke entlang gen Mikulovice. So weit so gut, nur Motiv will sich keines bieten. Im Wald, hinter mannshohem Gras, verdeckt durch Gebäude, die Strecke schafft es sich gut vor mir zu verbergen oder einfach ohne Licht zu sein. Langsam werde ich nervös, denn der kleine Triebwagen sollte mir schon bald entgegenschauckeln. Tut er aber nicht!?! Und ein Bus genau in Planlage, sowie ein schotterloses Stück nahe Kilometer 3 lassen deutliche Zweifel in mir aufkommen: Fährt hier überhaupt was?

Ein genauer Blick auf die Schienen bestätigt es! Aktuell wird wohl an der Strecke gearbeitet. Entwässerungsgräben neu ausgehoben, das besagte Stück hergerichtet, sieht etwas nach unterspültem Bahnkörper aus, und noch diverses anderes lässt sich erkennen.

In Mikulovice dann die endgültige Bestätigung. Dort steht nämlich die diensthabende Büchse und wartet auf die Rückleistung.



810 508 der ČD in Mikulovice

Er sollte eigentlich zu diesem Zeitpunkt in Zlate Hory stehen. Doch für den genajbrten 810 508-2 war aufgrund der Bauarbeiten an diesem Tag bereits in Mikulovice Schluss.



Für mich heißt es nun den Kreis perfekt machen, wieder zurück nach Glucholazy. Es steht langsam der Gegenzug aus Jesenik an. Gut, ganz langsam, denn ich habe noch jede Menge Zeit. Die brauche ich aber auch, denn ich will nochmal mein Glück an der Ausfahrt versuchen.

Dort angekommen bestätigt sich mein Eindruck von vorhin. KIeingartensiedlung und Büsche stehen dem Blick im Weg. Zudem versperrt hohes Grad selbst ungestörte Sicht auf das Ausfahrtsgleis Richtung Krnov. Aber während man gegen die ersten beiden Faktoren nur schwer etwas machen kann, lässt sich der letztere Makel beheben. Allerdings ist das eine äußerst schweißtreibende Arbeit, ist doch das Thermometer schon am frühen Vormittag auf 25° C geklettert.

Nach einer dreiviertel Stunde intensiven roden und mähen ist es dann soweit, der Blick auf die Gleise ist frei.



843 031 der ČD in Głuchołazy

Wieder 843 031-6, diesmal als Sp 1663 in Richtung Krnov unterwegs. Rund 10 Minuten vorher hatte er, von Jesenik kommend, das hintere Signal passiert.



Neben für Mäharbeiten und dem Grüßen vereinzelt vorbeischlendernder Einheimischer habe ich die Zeit bis zu diesem Zug auch genutzt, um mir Gedanken über das weitere Programm zu machen.

Hier in der Ausfahrt gibt es nicht mehr genug Variationsmöglichkeiten. Außerdem hätte ich gerne den Bahnhof mit seiner Signalgruppe bildlich umgesetzt. Dafür muss ich aber noch warten bis die Sonne etwas rum ist. Also ist die Entscheidung gereift, den nächsten Takt auszulassen und wieder ins mährische hinüber zu wechseln. Ein Blick ins Kursbuch erhärtet dieses Vorhaben: Es ist Schmalspurzeit!

Vorher fahre ich aber noch in Prudnik ran. Man weiß ja nie. Der Bahnhof ist aber erwartungsgemäß leer, der Fahrplan übersichtlich. Bei genauer Inaugenscheinnahme zeigt sich sogar, dass wohl aufgrund von Bauarbeiten diese Übersichtlichkeit momentan noch ausgeweitet wurde. Aaaaber! Der Gott des Kursbuches ist mir hold, genau passend zwischen der Ankunftszeit des Schmalspurzuges in Osoblaha und dem Wendeaufenthalt des anvisierten Sp in Glucholazy ist noch ein Personenzug zu erwarten. Perfekt! Schöner könnte man es nicht planen!

Mit noch besserer Laune, geht das überhaupt, rolle ich durch diesen Frühsommertag rüber nach Tremesna ve Slezsku, bekannter Maßen der Ausgangsbahnhof der letzten Schmalspurbahn von Ceske Drahy.

Da bis zur Abfahrt des nächsten Zuges noch Zeit ist, kann ich mir in Ruhe den Bahnhof ansehen.



705 917 der ČD in Třemešná ve Slezsku

Wartet auf die Dinge, die ihr die Zukunft bringen werden. Die abgestellte 705 917-3.



Während die 917 wohl nicht mehr planmäßig auf Strecke gehen wird, steht neben dem Bahnhofsgebäude 913 bereit um als Os 20607 nach Osoblaha zu rollen.



Reisezugwagen der ČD in Třemešná ve Slezsku

Wagen 55 54 28-29 901-3, Btu590 mit digitaler Zugzielanzeige.



705 913 der ČD in Třemešná ve Slezsku

Auch das Führerpult der 705 913-2 zeigt sich durchaus modern.



705 913 der ČD in Třemešná ve Slezsku

Detailblick mit Kupplung, Leitungen und dem eingebauten Schneeräumer.



705 913 der ČD in Třemešná ve Slezsku

Schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, das gute Stück.



Diese kleinen Loks begeistern mich immer wieder. Ein Blick durchs Fenster in den Maschinenraum zeigt: Viel Platz, wenig Inhalt. Erinnert irgendwie an einen halbleeren Möbelwagen *grins*

Nun heißt es für die Zugfahrt raus stellen. Ich habe mir dafür den Ortsausgang ausgesucht, da hier die Strecke ganz gut ins Licht dreht. Früher am Morgen ließe sich hier auch ein Foto quer über den Ort hinüber zur Strecke nach Glucholazy machen, aber dafür ist die Sonne nun schon zu weit rum. Daher schaue ich dem Sp 1662 auch nur zu, bevor ich mich für den Anschluss machenden Os nach Osoblaha bereit mache.



705 913 der ČD in Třemešná ve Slezsku

Nachdem der Zug nach Jesenik den Bahnhof auf der im Hintergrund sichtbaren Strecke verlassen hat, brummt nun 705 913-2 mit dem Os 20607 nach Osoblaha.



705 913 der ČD in Třemešná ve Slezsku

705 913-2 am Ortsrand von Tremesna ve Slezsku.



705 913 der ČD in Třemešná ve Slezsku

Einmal in den Talgrund hinab und auf der anderen Seite wieder hinauf. Doch kein Problem bei dem einen Wägelchen welches 705 913-2 zu ziehen hat.



Entlang der Bahn geht es nun auch für mich in Richtung Osoblaha. In Liptan hat es mir eine kleine Straßenbrücke angetan.



705 913 der ČD in Liptaň

705 913-2 hat mittlerweile Liptan erreicht.



Den nächsten Halt lege ich beim kleinen Haltepunkt von Horni Povelice ein. Einsam zwischen den Getreidefeldern gelegen, hat er für mich etwas Besonderes. Ich finde das Bild könnte genauso gut irgendwo in Ungarn oder der Ukraine entstanden sein.



705 913 der ČD in Horni Povelice

Ohne Halt rollt der Zug nun durch den abgelegenen Haltpunkt Horni Povelice.



Während sich die Schmalspurbahn weiter durch die Gegend schlängelt geht die Straße ziemlich direkt nach Bohusov und Osoblaha. Dabei bietet die immer flacher werdende Landschaft einen weiten Blick hinüber ins Schlesische.

In Bohusov ist die Strecke dann wieder erreicht und so kann der dortige, rege Fahrgastwechsel beobachtet und die Ausfahrt des kleinen Zuges abgelichtet werden.



705 913 der ČD in Bohušov

Etliche Fahrgäste haben in Bohusov den Zug verlassen und auch einige sind für die letzten Kilometer nach Osoblaha eingestiegen. Laut trötend nimmt nun 705 913-2 wieder Fahrt auf.



Auf diesem letzten kurzen Stück zum weit vor dem Ort gelegenen kleinen Bahnhof ist nun der Zug deutlich schneller als das Auto. Und so sind die Fahrgäste schon ausgestiegen und das Zugpersonal mit dem Umspannen der Lok beschäftigt als ich eintreffe.



705 913 der ČD in Osoblaha

705 913-2 beim Umlaufen im Endbahnhof Osoblaha.



Man fragt sich, was frühere Ingenieure und Planer wohl veranlasst hat, oftmals die Bahnhöfe ab von der eigentlichen Ortschaft zu bauen. Heute ist die polnische Grenze der kleinen Station deutlich näher als die ersten Häuser von Osoblaha.

Nachdem ich das Umsetzen genossen und meine Magennerven mit etwas Nahrung beruhigt habe, ziehe ich es vor den Standort zu wechseln. Bei mittlerweile 30° C wartet es sich im Schatten der Bäume am Bahnhof in Prudnik sicherlich deutlich angenehmer wie hier in der prallen Sonne in Osoblaha. Wesentlich agiler wie ich zeigt sich ein Reh, dass, warum auch immer, mit Getöse aus den benachbarten Büschen bricht, nur um dann, als es mich erspäht hat, seine Flucht panisch in die andere Richtung fort zu setzen. Warum? Vor mir hätte es sich nicht fürchten brauchen. Ich hatte gerade Kräcker und Wurst, nach Reh war mir in dem Moment gerade nicht!

Wieder im polnischen stehe ich nun im Schatten der Bäume, ohne dass das bei den Temperaturen eine rechte Kühlung bringt. Die Tatsache, dass ich nicht der einzige bin der schwitzend am Bahnsteig herum lungert zeigt mir, ich habe den Fahrplan richtig entziffert und die angeschriebene Zugfahrt findet statt.

In der drückenden Hitze vor mich hin dösend schweift mein Blick über die leicht historische Infrastruktur, die umliegende Fauna und Flora, die Uhr auf meinem Handy, und die beiden Bahnhofseinfahrten …… SCHRECK lass nach! Aus Richtung Norden nähert sich langsam ein Kohlezug, bespannt mit zwei ST44. Langsam, rauchend und schwer kämpfend kommen sie heran.

Jetzt wird’s etwas hektisch. Wohin geht die Fuhre. Eigentlich müsste sie ja über die Gütergleise rollen, denn gleich soll aus der Gegenrichtung auch der Personenzug einfahren. Wäre auch besser, denn die vorderen Gleise liegen im teils Schatten und der Zug kommt aus der Sonne. Weiter hinten, etwas schräg in der Weichenstraße würde wenigstens noch etwas gehen. Bange Blicke auf die Weichenstraße. Der Personenzug soll doch auf Gleis 2 rein kommen, da werden die ja wohl den Güterzug nicht direkt vorderhalb über Gleis 1 laufen lassen. Von hinten ist schon der gelbe Triebwagen zu sehen. Jede Weiche die der Güterzug passiert wird von mir fixiert, geht er jetzt in die Ablenkung, geht er JETZT in die Ablenkung, eine Chance hat er noch …… MIST…… man lässt ihn tatsächlich auf Gleis 1 durch. Nun ist zaubern angesagt……



ST44 1240 der PKP in Prudnik

Viel Schatten auf dem Bild. Aber die „Doppel-Trommel“ auf polnisch wollte ich mir nicht entgehen lassen.



Blubbernd und grummelnd schieben sich ST44-1240 und 1207 an mir vorbei. Die Wagen dahinter knarzen und ächzen unter der Last ihrer Ladung, schaukeln über die ausgeleierten Gleise und nur ganz langsam gewinnt die Garnitur wieder Fahrt, während dahinter Personenzug R 46625 in den Bahnhof rollt. Für den Güterzug also quasi eine „fliegende Kreuzung“.

Kaum ist der letzte Kohlewagen durch, strömen auch schon die Reisenden von und zum eingefahrenen Triebwagen. Unvorstellbar bei uns. Wo bleibt die Sicherheit? Wer ist so verrückt und setzt auf die Eigenverantwortung erwachsener Menschen?



SA103 004 der PKP in Prudnik

Mit etwas Verspätung setzt sich SA103-004 als R 46625 wieder in Bewegung. Die angekommenen Reisenden haben den Bahnhof da schon längst verlassen.



Verspätung? Nix gutt! Denn bei mir drückt‘s nun. Naja, nicht direkt bei mir, sondern bei meinem Zeitmanagement. Denn es steht der nächste Zug in Glucholazy an, der wie gewünscht im Bahnhof verewigt werden soll.

Jaja, bei allem guten Vorsatz lässt sich Hektik halt nicht immer ganz vermeiden. Und dabei hilft es auch nicht viel, wenn sich ein ordentlichen Schwapps Cola schäumend über Hose und Autositz verteilt. Genau das passiert mir nämlich bei der Abfahrt, als ich versuche meine Flüssigkeitsbestände im Körper wieder aufzufüllen. Aus irgendwelchen Gründen beschließt die klebrige Blubberbrause mir freudig schäumend entgegen zu kommen und sich an mich zu schmiegen. Ich benutze Worte, die ich in der Öffentlichkeit tunlichst nicht von mir gebe und fahre, was bleibt mir anderes übrig, mit nassem Beinkleid und versautem Sitz schnellstmöglich nach Glucholazy. Dort gibt es erstmal das gewünschte Bahnhofsbild und dann den Versuch der Trockenlegung und Reinigung von Hose und Sitz.



843 020 der ČD in Głuchołazy

Sie ist stehengeblieben, die Zeit, hier in Glucholazy, dem ehemaligen Ziegenhals. Leider gilt das auch für den Zugverkehr. Und so dämmert diese schöne Station Stunden um Stunden vor sich hin, nur erlöst durch den gelegentlichen Besuch der Triebwagen aus dem Nachbarland.



Nachdem das Bild zufriedenstellend im Kasten ist, kann ich mich dem Punkt zwei aus obiger Liste widmen. Trocknen ist bei den vorherrschenden Temperaturen nicht das Problem, das Reinigen ist schon eher eine Herausforderung, die erwartungsgemäß aufgrund fehlender Materialien eher schlecht als recht gelingt. *grmblmpf*

Nachdem der erste Ärger verraucht ist, ich sollte doch nur noch Wasser trinken, widme ich mich wieder den Planungen für den Resttag. Ein Bild der Züge würde ich gerne noch auf der Strecke machen. Auf dem Ast Richtung Krnov sollte doch was gehen. Ja und dann? ……. Dann reizt mich etwas, dass mir seit gestern schon nicht mehr aus dem Kopf gehen will! Nämlich die Fußball-Lok!

Wie wahrscheinlich ist, dass die auf der KBS 024 in einem 1-tägigen Umlauf unterwegs ist? Ich beschließe: sehr wahrscheinlich! Gerade jetzt am Wochenende!

Was mich so sicher macht? Eigentlich gar nichts, nur die Überzeugung es zumindest versucht haben zu müssen, um mir nicht noch lange danach die „was wäre gewesen, wenn“ Frage zu stellen.

Jetzt soll es aber erst einmal für den Sp 1664 an die Strecke gehen. Und dabei mache ich einen entscheidenden Fehler: Verlasse mich in diesem Land auf die Karte und das Navi, und nicht auf das Auge!

Denn die ersteren Beiden zeigen mir eine kleine Straße hin zur Eisenbahn, die im Original dann so aus sieht……



Wierzbiec




Eigentlich bin ich schon am zurücksetzen, da sehe ich unter dem Sand Kopfsteinpflaster. Vielleicht doch eine Straße aus längst vergangenen Zeiten? Wahrscheinlich denke ich mir und fahre los. Ein Fehler, wie sich nach zwei, drei Kilometer herausstellt. Das Kopfsteinpflaster ist plötzlich weg und es geht nur über Sand. Gut, ich bin schon schlechtere Strecken gefahren und umkehren will ich jetzt eigentlich auch nicht. Die zweite doofe Entscheidung innerhalb von 10 Minuten. Denn nun geht der Sandweg in eine Holperpiste über und nachdem ich in einen Wald eingetaucht bin, in eine Schlammwüste. Die ersten vier kurzen Schmodderstellen nehme ich noch mit Elan, dann liegt eine gut 40 m lange Matschstrecke vor mir. Wenn ich da jetzt stecken bleibe, holt mich so schnell keiner mehr raus. Dass ist mir klar. Umdrehen? Geht nicht. Aber weiter vorne war eine Abzweigung. Das heißt aber, erst einmal 400 m rückwärts durch den Schlamm über einen Waldweg fahren. Gut, man ist ja im Geländefahren geübt.

Der abzweigende Weg ist trockener und auch irgendwie zielführend, obwohl mein Navi kurzzeitig die Orientierung und ich die Hoffnung verliere, den Zug noch zu erreichen. Irgendwann, nach gefühlten Stunden, komme ich an eine Wegkreuzung mit Abzweigung auf eine gepflasterte Strecke und dann nach ungefähr 3 Kilometern, siehe da, auf eine breite Teerstraße mit regem Verkehr. Ich hätte einfach einen kleinen Umweg fahren müssen, um dafür dreimal so schnell am Ziel zu sein. Jaja, soviel zum Thema „Abkürzungen“.

Mein Auto sieht aus wie frisch aus der Lehmgrube, als ich mich in die Kolonne einreihe, in der alle einem Badesee zustreben. Dort gibt es eine nette Brücke die ich mir erst einmal als mögliches Motiv merke. Vorher will ich aber noch die restliche Strecke entlang schauen, suche ich doch eigentlich einen Landschaftsblick, am besten mit freier Sicht auf die Grenze *träum* . Nur daraus wird nichts. Die Strecke läuft im Wald und außer einem Bahnübergang gibt’s nix, wo man den Zug umsetzen kann. Also doch Brücke.

Schwitzend stehe ich nun hier in der prallen Sonne, die Haut im Nacken und auf dem linken Arm gibt mir durch leichtes Brennen zu verstehen, dass es nun in Sachen Strahlung langsam genug sei und ich habe keine Vorwarnzeit in Sachen Zugfahrt. Die Durchfahrt kann ich zeitlich nur schätzen und sehen kann ich die Garnitur erst, wenn sie vor mir auf die Brücke rollt. Hören? Wird auch schwierig, schieben sich doch ständig Autos und Motorräder an mir vorbei. Zudem muss ich die Kamera gesenkt halten, denn in der Nähe eine Bades mit leicht bekleideten Personen kommt es unter Umständen nicht gut, wenn man zu offen mit einem Fotoapparat herum hantiert. Könnte missverständlich sein.

Letztendlich klappt alles ganz gut. In einer der wenigen autofreien Sekunden pfeifft der Zug an einem nahen Übergang und die Fahrgeschwindigkeit ist auch überschaubar.



843 020 der ČD in Moszczanka

Von Krnov her kommend passiert 843 020-9 als Sp 1664 das ortsansässige Freibad von Moszczanka.



Wie gerne wäre ich nun ins Wasser gehüpft! Aber, ich habe ja noch ein Ziel, und das liegt gut eine dreiviertel Stunde mit dem Auto entfernt. Laut Navi geht es gerade so aus, dass ich es pünktlich zum Sp 1916 hinunter nach Mladkov schaffe.

Verrückt, wegen einem Zug die Distanz zu schrubben? Nur bedingt, denn ist es nicht genau diese Verrücktheit die mich überhaupt erst in dieses entlegene Eck Tschechiens getrieben hat? Die freien Tage hätte ich auch im heimischen Weiden auf dem Balkon genießen können. Wo also die Grenze ziehen. Und die Aussicht diese einmalige Maschine zu haben ist mir den Einsatz wert. Und dass glaub ich, ist alles was zählt.

Und während ich nun durch die Bergwelt des Altvaters gondele, schweifen meine Gedanken nochmal zurück zur Korridorstrecke. Nicht zuletzt die Brücke die mir in Moszczanka als Motiv gedient hat, haben bei mir die Gewissheit aufkommen lassen, dass das Ende der Strecke wohl nur eine Frage der Zeit ist, sollte es nicht gelingen wieder mehr Verkehr auf diese Linie zu bringen. Auf Dauer kann und wird sich die Unterhaltung der teils aufwendigen Infrastruktur und den Personaleinsatz wohl niemand mehr leisten wollen und können.

Durch Zlate Hory und vorbei an Jesenik und Hanusovice geht’s für mich nun hinunter nach Hladkov ins Tal der Tichá Orlice. Leider steht dort an der einzig machbaren Stelle das Licht schon achsig. Kein Problem für den Richtung Lichkov fahrenden Os 20017, für die Wagengarnitur des Sp 1916 wird das nicht so optimal. Aber egal, Hauptsache meine Spekulation geht auf.



841 016 der ČD in Mladkov

Nach der „Bergvariante“ um Liberec habe ich mit 841 016-9 nun auch mal die Flachland-Version erwischt. Als Os 20017 ist der Triebwagen zwischen Mladkov und Lichkov unterwegs.



Ich mag diese Strecke irgendwie. Nicht nur die Linienführung durch eine schöne Landschaft, auch die Abwechslung in der Fahrzeugstellung auf der relativ kurzen Route ist immer wieder Spitze.

Doch nun steigt die Spannung. Was wird in wenigen Minuten ums Eck kommen??? Kurze Pause, dann schlägt der Bahnübergang neben mir erneut an, es rollt vernehmlich, und ….. und ….. und ….. JA! ….. richtig gepockert!



163 043 der ČD in Mladkov

Da ist sie! Fußballlok 163 043-3 vor dem Sp 1916 nahe Mladkov.



Super! Ein breites Grinsen ziert mein Gesicht! Gut das ich den Versuch unternommen habe und hier her gefahren bin. Damit hat sich jeder Kilometer gelohnt. Obwohl…….ich schaue mir das Bild an, ein bisschen doof ist es schon, dass die Lok mit der eher nichtssagende blaue Seite voraus am Zug hängt…….und die Wagen könnten auch etwas mehr Licht vertragen……das geht doch noch irgendwie besser.

Aber wo und wann? Na heute, und unterhalb von Lichkov? Reicht das noch? Mal sehen. Ich habe ja nichts zu verlieren und außerdem nichts anderes vor. Also los! Durchs Tal gebrummt, über Hügel abgekürzt und Letohrad passiert, schon bin ich knapp vor dem Zug. Und in Lansperk, wo sich die erst gute Gelegenheit im Licht bietet, habe ich soviel Vorsprung, dass ich mich beim Warten schon fast ein bisschen „langweile“ *grins* .



163 043 der ČD in Lanšperk

So ist’s doch jetzt schön! 163 043-3 in ihrer ganzen Pracht bei der Einfahrt mit dem SP 1916 in den Bahnhof von Lansperk.



Ich nutze den Planhalt des Zuges aus und fahre nochmal vor. Nicht für ein Foto, sondern um in Ruhe zu kucken und die Vorbeifahrt zu genießen. Schließlich wird auch die Maschine früher oder später in den Farbtopf fallen und dann eintönig genajbrt durch die Lande summen.

Für mich ist nun das fotografische Tagwerk getan. Mit geöffneten Fenstern geht es zurück, hinauf nach Jesenik, die Landschaft genießend und sich über einen aus meiner Sicht mehr als gelungenen Tag freuend. Und, dass möchte ich auch nicht verhehlen, von Stunde zu Stunde wo ich hier bin, verliebe ich mich mehr in dieses schöne Stückchen Erde!

Im Hotel angekommen gibt es erstmal die verdiente Dusche, bevor ich mich zum Essen niederlasse. Heute darf ich auch ins Restaurant. Das kredenzte Mahl ist hervorragend und üppig, das Bier süffig, sodass schon etwas Willenskraft notwendig wird, um danach auf dem Zimmer noch den nächsten Tag vor zu planen.

Der Einstieg ist klar. Erst Güterzug, dann einmal Sp und zweimal R, und dann „langsam in Richtung Heimat fotografieren“, u.a. mit nochmal Kibel im Tal der Tichà Orlice. Soweit der Plan.

Doch ich kann schon mal verraten, es kommt irgendwie ganz anders!