Grenzgänger - Tei 3
Von Christof Hofbauer
Es hat so seine Vorteile in Bayern zu leben. Gut, der Pfingstmontag ist in ganz Deutschland Feiertag, aber eben nicht in Tschechien. Und so sehe ich Kolonnen von Schülern mehr oder weniger motiviert in Richtung Penne schlurfen, während ich mich auf den Weg zu meinem morgendlichen Date mache. Leider nicht mehr mit einer Vollbusigen, sondern nur mehr zu einer Bebrillten. Kann aber auch sexy sein. Und wenn man das „Bardotka“ durch „Finsterblickende“ austauscht, dann hat die „Brille“ schlussendlich sogar noch den größeren Reiz. Wenigstens wenn es nach der Bezeichnung geht.Gestern Abend hatte ich noch etwas das Kursbuch gewälzt, Karten und Internet zu Rate gezogen und im „Reiseführer“ geblättert. Des Ergebnis: Gestartet werden sollte mit dem morgendlichen Güterzug von Hanusovice herauf.
So nahe bei Jesenik ist es nur schwierig die Fuhre im richtigen Licht zu erwischen. Mein erstes Ansinnen die Garnitur im Ortsgebiet von Lipova Lazne umzusetzen, zeigt sich im Rahmen einer Lokalinaugenscheinnahme als nicht machbar. Nur ein Nasenbild möglich und die Sonne fast in der Achse. War noch die Stelle zwischen Jesenik und Lipova Lazne. Da gings quer mit Landschaft im Hintergrund, und die Sonne sollte auch passen.
Da stehe ich nun und kann nicht anders. In der prallen Morgensonne, die schon wieder gewaltig vom Himmel und auf meine immer noch von gestern leicht empfindlichen Hautstellen brennt. In den Schatten gehen ist nicht und auch nicht vom Straßenrand weg, die Böschung hinunter. Beides beeinflusst den Blick und den Fotowinkel bedenklich und die Durchfahrtszeiten der Güterzüge von CD Cargo können ja auch nur als freundliche Empfehlungen angesehen werden. Also heißt es Augen auf und im Zweifelsfall schnell sein. Ohren auf nützt ja jetzt nichts mehr, seitdem die Zeiten der blubbernden, brüllenden Kultdiesel vorbei sind und die Remo-Brillen die Leistungen übernommen haben. Auch das Ausbleiben des Autoverkehrs als Indikator das weiter unten der Bahnübergang zu ist, erweist sich als nicht zuverlässig. Daher darf der Blick nicht von der Strecke gewandt werden, wie öde das auch sein mag. Endlich blaut es hinter den Büschen und der Nahgüterzug kommt durch die Lande gerollt.
Mit den 6 Wagen Anhängelast des Mn 81303 hat 753 765-7 nicht sonderlich Mühe. Gerade hat sie Lipova Lazne hinter sich gelassen und rollt nun dem nächsten Rangierhalt Jesenik entgegen.
Die erste Freude nach dem Abdrücken legt sich bei der Betrachtung der Bilder schnell wieder. Wo ist denn das Licht geblieben? Rudimentär ist es auf der Seite des Güterzuges noch vorhanden. Aber halt nicht mehr wirklich dolle. Unbemerkt hatte sich die Sonne Richtung Gleisachse davon gestohlen. Auch die Tatsache, dass ich meinen Schatten als Maß nahm war wenig hilfreich, läuft doch die Strecke, im Gegensatz zur Straße hinter mir, nach „hinten“ weg.
Ein Blick auf die Uhr und mir ist klar, etwas Zeit habe ich noch bis ich zum nächsten Sp stehen muss. Zeit genug um den Zug nochmal beim Hobeln im Bahnhof abzulichten. Und, was noch interessanter ist, ihm zu zuschauen.
Immer wieder ein schönes Beispiel. Dieser Aufwand, die vielen orangen Männchen die über die Gleise schwärmen, an Lok und Wagen hängen, Weichen stellen, kuppeln, entkuppeln und schließlich Brotzeit machen gehen. *grins*
753 765-7 holt einen Wagen von einem Nebengleis und stellt in auf die Garnitur des Mn 81303.
Gleich sind die letzten Meter geschafft und die Beiden können nach erfolgreichem Kuppeln ihren Kollegen ins Bahnhofsgebäude zwecks Brotzeit folgen. Im Hintergrund warten 754 080 und eine Büchse auf kommende Aufgaben.
Während die Rangiertruppe zur Brotzeit einrückt, rücke ich ab. Auf die Herren in Orange warten Kava und Rohlik, auf mich Spesny Vlak und Rychlik.
Da beide relativ Zeitnah vom Sattel herunter kommen bzw. ihm bergwärts zustreben bietet sich die Schleife bei Horni Lipova nahezu von selber an. Am Bahnhof war ich schon, also dort ist der Schnellzug schon mal gesetzt, aber für die Richtung Jesenik muss ich noch kucken. Das Navi zeigt drei Wege, die die Eisenbahn kreuzen. Sollte doch an Auswahl reichen. Nummer 1 entpuppt sich als tiefliegender Durchlass und auf der Strecke sind die Schatten der Bäume. Wirklich stehen kann man auch nirgends. Scheidet damit aus. Nummer 2 ist gleich noch schlechter und komplett dunkel. Bleibt Nummer 3. Und der zeigt sich als schöner Bahnübergang mit Hang dahinter. Herz was willst du mehr? Nichts eigentlich! Bis auf einen älteren Herren der gemessenen Schrittes den Weg herauf kommt. Bild mit Mann? Warum nicht? Aber wenn er neugierig schauend genau vor mir in der Flucht zwischen mir und dem zu erwartenden Zug stehen bleibt, ist er doch leicht hinderlich.
Doch keine Panik! Bis der Zug aus dem gegenüber liegenden Bahnhof los gedieselt ist, habe ich im Vergleich zur Anwohnerin, mit der er jetzt ein Schwätzchen beginnt, bereits wieder an Reiz verloren. Das Motiv ist frei.
843 028-0 brummt als Sp 1701 in Richtung Jesenik. Links im Hintergrund lugt der Bahnhof von Horni Lipova zwischen den Bäumen hervor.
Hektik muss jetzt nicht ausbrechen. Der Gegenzug braucht noch ordentlich bis er da ist und ich muss mich eigentlich nur den einen Hang runter und den gegenüberliegenden wieder hinauf rollen lassen. Unterwegs schaue ich mir das Kurvenviadukt schnell an. Aber um die Zeit geht hier gar nichts. Bleibts also beim Bahnhof. Gemütlich im Schatten warten, die nächsten Züge raussuchen und dabei überlegen wo fotografieren, so vergeht die Zeit ganz entspannt. Denn überraschen kann mich nichts, muss doch der Rychlik erst am Gegenhang an mir vorbei. So kann ich mir einen Schlachtplan zurechtlegen der vorsieht, dass ich den nächsten Schnellzug bei Ostruzna mache. Dann sollte es noch knapp aber gut für den Os auf der Strecke von Stare Mesto nach Hanusovice reichen. Es hupt, es brummt und 754 080 rollt rechts an mir vorbei. Zeit aufzustehen und vor zum kleinen Bahnsteig zu laufen.
Zur Freude des Fotografen läuft 754 080-0 im Umlauf mit. Mit R 1410 rollt sie gerade in den Bahnhof von Horni Lipova ein.
Die Schnellzüge auf dieser Strecke werden auch immer kürzer und so stellt sich die Frage, wie lange sich die lokbespannten Garnituren noch halten werden. Zumindest in der „Nebensaison“ täten es Triebzüge auch. Eine schlimme Vorstellung für alle Freunde des gepflegten Wagenzuges.
Jetzt ist etwas Luft. Die Os habe ich bei meinen Planungen mal außen vor gelassen. Ich möchte mir in Ruhe etwas für den Rychlik von Hanusovice hoch in Ostruzna etwas suchen. Im Kopf geistert mir eine Phantomstelle im Ort herum. Warum Phantom? Weil es die Stelle mal wieder nur imaginär in meinem Kopf gibt, aber nicht real gibt. Alternativen? Tja, schon beim rein fahren in den kleinen Ort habe ich mit dem Hang links von mir geliebäugelt. Zwar ganz schön weit weg, aber sicherlich mit schönem Panoramablick. Aber wie da hin kommen? Vom Bahnübergang aus sehe ich einen Weg der neben der großen Wiesenfläche hinauf läuft. Da sollte was gehen.
Beim zurückfahren passiere ich innerhalb von Minuten zum zweiten Mal zwei Frauen, die es sich sonnenbadend neben der kleinen Kirche gemütlich gemacht haben. Zur Freude des Herren?
Oben wird erst einmal das Auto im Schatten verstaut, muss einfach sein bei dem Wetter, und dann die Wiese zwecks Probeguck geentert. Alles sehr schön von hier oben. Großes Panorama, große Aussicht, auch auf die beiden sonnenhungrigen. Von hier oben allerdings nur mehr in Stecknadelkopfgröße. Ich will schon wieder zurück zum Auto, doch halt, sicherheitshalber mal ins Kursbuch geschaut! Upps, da gibt’s ja gleich einen bergwärts fahrenden Osobni vlak! Guuut das man ab und zu man nachliest.
Wäre es vor Jahren möglicherweise noch ein 851er oder gar ein 831er gewesen, zuckelt jetzt eine Büchse einsam durch die mährischen-schlesischen Wälder.
Such, such den Zug! Komm, such, such! Es hat schon was von Modellbahn dieser Blick von hier oben. Minutenlang kann man die Züge beobachten, wie sie links von Branna her kommend dem Hang entlang ziehen, ihren Halt in Ostruzna einlegen, um sich dann weiter zum Ramzova Sattel hinauf zu kämpfen. Hier dieselt 810 431-7 die letzten Meter in Richtung Bahnhof Ostruzna. Nach dem Planhalt geht es für Os 3605 weiter hinauf in Richtung Scheitel.
Nun erstmal wieder durch kniehohes Gras und ebensolche Wiesenblumen zurück gelaufen, in den Schatten gesetzt und FRÜHSTÜCK! Mittlerweile ist es nämlich schon gut nach 9.00 Uhr und der Magen kneift. Auch wenn das Verdauungsorgan eines Eisenbahnfotografen ja durchaus leidensfähig ist.
Während ich so vor mich hin schnurpse, jaja es gibt wieder Kracker mit BiFi aus Beständen, hoppelt von hinten ein Hase heran. Der lässt sich von mir nicht stören und so mümmeln wir einträchtig vor uns hin. Ich Gebäck, er Gras! Irgendwas stört ihn aber dann doch und er gibt Fersengeld. Auch meine Beteuerungen, er solle entspannt bleiben, ich täte ihm nichts, können ihn nicht wirklich in seinem Bewegungstrieb hemmen. Auch für mich wird es nun langsam Zeit für einen neuerlichen Ausflug ins Blumenmeer. Herrlich hier, wo im Winter die Skifahrer zu Tal rauschen, zirpt und summt es an allen Ecken und Enden. Ich suche mir meine zwei Stellen, einmal weiter Blick und einmal nach einem kurzen 100 m Sprint der Blick auf das letzte Stück vor dem Sattel, und lausche dann angestrengt in die heiße Vormittagsluft. Ich habe ein Zeitfenster mit kleinem Puffer bis zum Os auf der anderen Strecke. Dort muss ich aber erst noch eine Stelle suchen. Also sollte der Schnellzug möglichst pünktlich kommen. Und das tut er ………… natürlich nicht! Längst ist die Planzeit rum ……. 5 Minuten, 10 Minuten …….. nichts tut sich!
Endlich rollt das Gespann links um die Kurve, lässt sich gefühlt ewig Zeit den Bahnhof zu erreichen, bleibt unendlich lange stehen, um dann nach der Anfahrt fast nicht vom Fleck zu kommen. Endlich ist er an der ersten Stelle.
Wie froh bin ich, dass der Disponent eine 750.7 den Berg herauf geschickt hat. Eine grün-graue 754er wäre wohl bei der Distanz in der Wiese ziemlich unter gegangen. Aber so hebt sich 750 715-5 vor dem R 1405 doch deutlich vom umrahmenden grün ab, derweil sie den kleinen Ort Ostruzna umrundet.
Jetzt kommt die Sprinteinlage, die auch bei nachgelassenem Fitnesslevel problemlos gelingt und von der Lok sind noch einige „Nahaufnahmen“ im Kasten. Ich schaue der Garnitur noch zu bis sie in Ramzova erneut zum Halten kommt, dann mache ich mich auf dem Weg zu meinem Rucksack, der irgendwo in der großen Wiese liegt.
Hört sich jetzt dramatischer an. Der Pfad, den ich ins Gras getreten habe, weist mir untrüglich den Weg. Ohne wäre es deutlich schwerer bis unmöglich geworden. Hoppelnd wie ein Hase geht es zurück, ich habe von Meister Lampe eben gelernt, denn Zeit ist knapp. Es drückt der Osobni vlak.
Runter und rüber nach Branna, über die Berge ins nächste Tal nach Stare Mesto, vorbei am Schild Klodzko …… Schlesien zieht irgendwie …… hinunter Richtung Hanusovice, immer der Strecke entlang. Zeitlich passt noch alles, doch Motiv, Motiv ist keines da. Entweder ist die Strecke auf der anderen Talseite oder hinter Bäumen oder beides. Und da wo dies nicht der Fall laufen Gleis und Straße parallel. Kurz hinter der Flussbrücke im Wald, unweit der Ausfädelung aus der Linie rüber nach Lichkov drehe ich wieder um. An der einzigen Stelle die mir machbar erscheint baue ich mich auf, und werde nervös! Nein, nicht weil das keine „Überstelle“ ist, sondern weil hier eine erschreckende Anzahl von orangen Männchen auf den Schienen herum turnt!
Wieder eine gesperrte Strecke? Ich mag es gar nicht glauben. Doch die Orangen gehen recht sorglos ihrem Handwerk nach. Messen, besprechen, schreiben, diskutierten! Gut, schnell dürften die Züge hier nicht sein und wenn die Stelle gut gesichert ist…… Und genau so ist es auch. Etwas nach der geschätzten Durchfahrtszeit pfeift es und DAS tschechische Nebenbahnfahrzeug bringt seine Beförderungsfälle ….. nein, hier sind es ja noch Reisende ….. hinunter zum Knotenbahnhof.
810 049-7 rollt als Os 13663 bei Chrastice hinunter nach Hanusovice.
Nächster Zug auf meinem Zettel ist der Kibel von Polen her kommend in Richtung Letohrad. Geplant habe ich den bei Jablonne nad Orlici abzulichten. Wie es da aussieht? Keine Ahnung, aber da passt die Sonne wieder.
Kurzer Abgleich mit dem Navi. Da ist noch Puffer drin. Reicht um das Triebwagentreffen in Hanusovice zu verewigen.
Reger Betrieb herrscht am teilmodernisierten Bahnhof von Hanusovice. Während ein Teil der Reisenden zu den bereitstehenden 810 026-5, 810 049-7 und 843 028-2 strebt oder die Züge wechselt, behalten die rechts nicht mehr im Bild befindlichen „Artgenossen“ lieber bis zum letzten Moment ihre Schattenplätze.
Schon bei der Anfahrt zum Bahnhof bin ich wieder auf das Flügelrad mit CSD aufmerksam geworden und heute will ich es auch mal bildlich festhalten.
An den Fahrzeugen werden die Hinweise auf die Tschechoslowakische Staatsbahn zumindest mit Hilfe von Farbe beseitigt. Dagegen zeigen sich an der Infrastruktur, auf Mülleimern, Gebäuden oder anderen Dingen noch Signets aus vergangenen Zeiten. An der Vorderseite des Bahnhofs von Hanusovice prangt das große Flügelrad bis heute unverändert.
Für mich ist jetzt Zeit weiter zu fahren. Aktion „in Richtung Heimat fotografieren“ ist mit den Etappen Horni Lipova, Ostruzna, Chrastice, Hanusovice bereits erfolgreich angelaufen. Soweit so gut! Doch kein Plan ohne Alternativen! Bessere Alternativen vielleicht so gar?
Während ich zwischen Hanusovice und Kraliky durchs Tal gondle kommt mir so eine Alternative in den Sinn. Warum eigentlich dem Kibel in Jablonne auflauern, wo ich keine Ahnung habe, wie es da aussieht. Warum nicht hinüber nach Polen fahren und sich da was suchen? Hab zwar auch keine Ahnung wie es dort ist, aber oberhalb von Lichkov gibt es einen langen Abschnitt der richtig im Licht liegt, da wird sich schon was finden. Blick ins Kursbuch, Zeit hab ich! Blinker rechts und ab nach Polen! Grenzgänger eben!
Wenige Kilometer vor Medzylesie, bei Kamienczy gibt es eine Möglichkeit zur Strecke hin quer zu fahren. Soweit so gut, doch die Gleise überqueren das Seitental auf einem hohen Damm. Da bleibt nur eins, Auto abgestellt, Rucksack geschultert und bei gut 30° C in der prallen Sonne den Wiesenhang hochlaufen. Vor oder nach dem Damm, dass ist noch die Frage! Intuitiv vor dem Damm! Warum? Keine Ahnung, aber wie ich oben bin sehe ich, die richtige Entscheidung! Denn zwar ist hier auch der Bahndamm verbuscht, aber nicht so stark wie hinter mir, wo fast keine Lücke ist. Zum eigentlich fälligen Grünschnitt traue ich mich nicht hinunter, da ich nur eine vage Vorstellung habe, wann der Zug durchfahren könnte.
Triebwagen-Legende in gelb-weiß. EN57-1952 bei Kamienczyk auf dem Weg ins tschechische Lichkov. Von dort geht es dann weiter als Os 15122 in Richtung Letohrad.
Eigentlich sollte jetzt noch ein Güterzug gen Tschechien folgen, bespannt mit eine 130er der CD. Hier auf polnischem Gebiet wäre es auch ein nettes Motiv. Und der Güterzug kommt dann auch genau so, wie alle anderen denen ich schon auf dieser Strecke aufgelauert habe………….nämlich gar nicht!
Ich stehe noch mehr als eine halbe Stunde in der Hitze, um die Erkenntnis reicher, dass ich hier wohl keinen Güterzug, dafür aber einen Sonnenstich kriegen werde. Immerhin hat die Denkpause neben Durst auch die Erkenntnis gebracht, dass ich ja den direkten Weg nach Hause, man erinnert sich „Aktion nach Hause fotografieren“, bereits verlassen habe und somit der Plan eigentlich als gescheitert angesehen werden könnte. Was „hindert“ mich daher daran mal nach Klodzko zu schauen? Im Grunde gar nichts. Auch das Navi hat nur wenig dagegen, ist doch die rechnerische Reisezeit von hier nach Weiden fast gleich mit der von Klodzko nach Weiden. Und nachdem mich die Hinweisschilder gestern und heute schon immer so angelacht haben, gebe ich jetzt den Verlockungen einfach nach.
Vorher wird aber nochmal in Medzylesie vorbei geschaut, nur um die Bestätigung des bereits vermuteten zu finden: Kein Güterzug!
Durch das Land meiner Wurzeln mütterlicherseits rolle ich nun Richtung Glatz. Groß auf Motivsuche bin ich nicht mehr. Das Ziel steht fest: Stützmauer an der Bahnhofsausfahrt! Standard, ich weiß. Aber so viel Zeit habe nicht mehr und außerdem spekuliere ich etwas auf einen dort abgestellten Privatdiesel. Und die Spekulation geht auch auf!
66237 im EWS-Livre abgestellt in der Bahnhofseinfahrt von Klodzko.
Da nicht auf einen Besuch hier eingestellt, habe ich natürlich keine Fahrpläne dabei. So muss ich mich mit dem behelfen, was am Mann ist, nämlich mit den tschechischen. Und da zeigt mir die Tabelle bei den internationalen Strecken, dass in einer guten dreiviertel Stunde der nächste Zug gen Lichkov fahren soll. Dann wär ich so gegen drei weg, passend für eine gute Ankuftszeit in der Oberpfalz.
Bis dahin? Erstmal das verarzten was im Bahnhof steht. Und das ist neben einer ET22 vor einem Güterzug ein grau-roter Kibel.
EN57-1267 wartet in Klodzko auf die kommenden Aufgaben.
Während ich noch mit dem E-Triebwagen beschäftigt bin, rollt von hinten SA135-002 ein.
Ich mache mich wieder auf in den Bahnhofskopf. Dort will ich den Zug nach Tschechien ablichten und wer weiß, vielleicht kommt ja noch etwas anderes vorbei. Und es kommt….
Dritter Triebzug an diesem Tag, dritte Variante. Drei Fenster und weiß-gelb, hier in Form des EN57-856, der als R 66382 unterwegs ist.
Nun könnte eigentlich noch der Güterzug ausfahren. Es herrscht auch Bewegung in den Seilzügen, Weichen klappern, doch bei der ET22 gehen die Lichter aus. Keine Ausfahrt! Stattdessen rollt von hinten SA135-009 langsam in den Bahnhof ein. Und vom R 15125 nach Tschechien ist immer noch nichts zu sehen.
Und während meine letzten Körperflüssigkeiten verdampfen, schweifen meine Gedanken ab und zurück in die Zeiten, als ich von oberhalb der Stützmauer aus dem fahrenden Bus heraus auf die unten dampfenden Ty2 und Tkt48 fotografiert habe. Immer wieder geht der Blick in Richtung Bahnhof. Und endlich, endlich zeigt sich dort ein Licht! Und nur eine gefühlte Ewigkeit später rollt der Triebwagen heran.
Mit ordentlicher Verspätung verlässt EN57-1703 den Bahnhof von Klodzko, um als R 15124 weiter in Richtung Tschechien zu rollen.
Mittlerweile hat der Lokführer des Güterzugs seine Maschine auch wieder bestiegen, doch es dauert noch 20 Minuten, bis sich die Fuhre in Bewegung setzt. Eine Zeitspanne in der ich die mir bis zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Fahrschulautos Klodzkos besichtigen kann, scheint doch die Straße hin zum Bahnhof eine beliebte Route zur Schulung der hiesigen Fahranfänger zu sein. Seit ich hier bin rollen diese nämlich ohne Unterlass an mir vorbei.
Langsam, unendlich langsam zieht ET22-1017 ihre Fuhre aus den Gütergleisen des Bahnhofs Klodzko hinaus auf die Strecke in Richtung Grenze. Sicherlich liegt dies nicht an fehlender Leistung der Maschine, eher an den maroden Gleisanlagen.
Auch das hat also noch geklappt, die blaue PKP Cargo Lok ist das Abschlussbild. Nun ist auch für mich die Zeit zum Aufbruch gekommen. Schließlich habe ich noch einige Stunden Fahrt vor mir und das gerechnet ohne den Stau in Nachod, von dem ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nichts weiß.
Über die Hauptroute geht es nach Kudowa. Unterwegs versuche ich immer wieder das gesehene mit meinen Erinnerungen an frühere Besuche in Einklang zu bringen, aber 30 Jahre sind eine lange Zeit. Bestimmt wird es, so nehme ich mir es wenigstens vor, keine so lange Zeit mehr dauern, bis ich hier wieder vorbeischaue. Und nicht zuletzt das Steinviadukt vor Kudowa ist ein Grund um her zu kommen.
Durch den bereits erwähnten Stau in Nachod, für den es irgendwie keinen Grund gibt, und weiter über Landstraßen und Ortsdurchfahrten geht es gen Westen, bis dann endlich die Autobahn kommt. Natürlich ist in und um Prag auch noch Stau, wer hätte auch anderes erwartet, und so zieht sich die Fahrt doch etwas länger wie erhofft. Doch nach 3 Tagen angefüllt mit so vielen schönen Eindrücken und netten Bildern nimmt man so etwas dann doch relativ entspannt in Kauf. Und irgendwann verheißt die Autobahnabfahrt in Vohenstrauß aus das nahende zuhause.