Unterwegs mit den Herren Bei Ho Thsai und He Fu Bao - Teil 1

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Mögen die Spiele beginnen!



So, jetzt sitzen wir hier, im CRH nach Xi'an und durcheilen die Ebene unterhalb von Beijing mit knapp 300 km/h. Draußen herrscht mit 40°C brütende Hitze. Hier innen verrichtet die Klimaanlage geräuschvoll ihre Arbeit und kühlt den Zug angenehm. Und so lässt es sich in den breiten, bequemen Sitzen des CRH 380 gut herum lümmeln…..



Zwischen Beijing und Xi'an

Mit 300 km/h geht’s durch die Ebene südlich Beijing.




…..und dösen. Und sinnieren! Denn wie um alles in der Welt kommen wir hierher? Gut, wir wollten nach Xi’an. Aber doch noch nicht zu diesem Zeitpunkt der Reise, sondern erst eine gute Woche später!
Vorher war doch Führerschein besorgen, Auto mieten, die Strecken nördlich von Beijing besuchen und die Innere Mongolei geplant…… Und jetzt?

Ja jetzt? Jetzt sitzen wir hier im Zug und rasen gen Westen. Um einige Erfahrungen, Erkenntnisse, und Erlebnisse reicher…….. und zugegebener Maßen auch um einige ganz nette Bilder…….aber Begeisterung? Die will so wirklich nicht aufkommen. Dazu waren die letzten Tage einfach zu aufregend und teils Nerven aufreibend.

Aber vielleicht mal am Besten alles von Anfang an.



Sonntag/Montag, 16.08.2015/17.08.2015


Gestern Abend waren wir noch mit Pascal Essen, der frisch aus Australien und Neuseeland heim gekehrt einige Urlaubsgeschichten loswerden wollte, jetzt sitzen wir in der S-Bahn zum Flughafen Zürich. Von dort geht es heute Nachmittag ab in Richtung "Abenteuer China". Ein Vorhaben, dass wir Jahr für Jahr verschoben haben. Warum? Wegen "hm.....was fährt wo?" und vor allem wegen "wie fahren wir?". Ist es doch bekanntermaßen in China nur erlaubt mit chinesischem Führerschein zu fahren.

Ersteres Problem war recht einfach zu lösen. Ein bisschen Recherche im Internet und die Einstellung, dass wir uns vor Ort einfach überraschen lassen, genügte. Ist sowie so meist schöner und an Verkehr sollte es in diesem Land ja nicht mangeln. Das zweite Problem war dann schon erheblich größer. Wie kommt man an einen chinesischen Führerschein. Einiges an Recherchearbeit war nötig und einiges an eMail Verkehr, und siehe da, die Aussichten waren gut um auch dieses Problem zu lösen. Wegen Mietwagen buchen wollten wir aber noch warten, sollte es mit dem Schein aus irgendeinem Grund nicht klappen, dann hätten wir ein Auto an der Backe und könnten damit nichts anfangen. Grundsätzlich eine richtige Überlegung, aber vielleicht halt auch nur grundsätzlich.......

Aktuell sind wir aber guter Dinge und eilen gen Gate. Ich bin immer wieder positiv überrascht wie kurz die Wege in Zürich sind und wie flott man von der S-Bahn kommend im Flieger sitzt.




Zürich Flughafen

Unser Transportgefäß auf dem Weg nach Osten.




So steht dem Flug in die Nacht nach Osten nichts mehr entgegen. Wir haben uns einen Zweier geangelt, machen es uns gemütlich und sitzen die 10 Stunden bis zum Ziel essend, ratschend und mit dem Bordprogramm beschäftigend irgendwie ab.




Zwischen Zürich und Beijing

Was sollte es auf einem SWISS Flug auch anderes zu Abend geben, wie Schweizer Wurstsalat und Käse! *grins*




Zwischen Zürich und Beijing

Sonnenuntergang über den Wolken. Irgendwo über Russland.



Mir gelingt es sogar zwei/drei Stunden mehr schlecht als recht zu dösen, Neel dagegen "macht die Nacht durch". Dementsprechend zerknittert klettern wir in Beijing aus dem Flieger und ich habe so meine Zweifel, dass ich meinem Passbild auch nur in irgendeiner Form ähnlich sehe. Anscheinend ist die mürrische Dame an der Einreisekontrolle zufrieden und ich bekomme zum Schluss sogar ein Lächeln.

Jetzt heißt es erstmal warten, denn David wird noch zu uns stoßen. Er kommt direkt aus Neuseeland. Nach rund sechs Wochen Tour mit Pascal hängt er einfach noch drei Wochen China an. Vom Winter auf der Südhalbkugel einfach mal in die Sommerhitze im Reich der Mitte. Nicht nur in Sachen Koffer packen eine Herausforderung.

Eine Stunde später ist es soweit, er eilt am Kofferlaufband an uns vorbei, und endlich kann es ins Abenteuer China gehen. Schritt eins, Geld ziehen, denn auch in China gilt: Ohne Zaster beißt der Mensch ins Straßenpflaster. Auf dem Weg zum Automaten bekommen wir Gesellschaft. Irgendwie hat uns dieser nette Herr als Ausländer identifiziert, wie er das wohl gemerkt hat, und bietet uns auf Englisch einen günstigen Transfer in die Stadt an. Nur 500,- Yuan! Hm, mal schnell im Kopf überschlagen......knapp € 90,-? Der Flughafen ist zwar schon ein Eck draußen, aber das ist heftig. Naja, wir müssen eh erst mal Geld abheben. Unser Schatten folgt uns...... 450,- Yuan! Hääää? Wie jetzt? Na dann gehen wir mal noch etwas uninteressiert weiter *grins* 400,- Yuan ........ ne Junge, so nun nicht! Wenn Du jemanden verar..... willst, dann nicht uns! 350,- Yuan ...... wir sind mittlerweile an der Rolltreppe angekommen. Und hier verlässt uns unser Begleiter, den Weg weiter nach unten will er anscheinend nicht antreten. Weder beim Preis, noch bei den Stockwerken *grins* Goldene Regel bei solchen Verfolgern: Spätestens bei der Treppe Richtung Ausgang ist Schluss. Zuviel Aufwand für zuviel Risiko dass der vermeintliche Kunde .... oder das Opfer..... sich dann umentscheidet und man die ganze Strecke umsonst gemacht hat.

Wir nehmen ein offizielles Großraumtaxi, zahlen 200,- Yuan und gut ist. Übergang zu Punkt zwei auf der Liste. Ab zu Mr. Zheng! Vorher ist sogar noch Zeit, dass wir im Hotel unser Gepäck abstellen und einchecken.

Jetzt aber ab in den Norden der chinesischen Hauptstadt und loslegen mit der Aktion "Führerschein". Nächstes Taxi geentert und schon geht es durch den diesig grauen Morgen, durch dessen Dunst sich die Sonne nur mit Mühen kämpfen kann. Baustellen wohin das Auge reicht. Ja, es wird kräftig an Beijings Skyline gearbeitet. Und man sieht, China ist ein Land, in dem sich die Architekten der Moderne so richtig austoben können. Hier eine Zufallsauswahl unter dem Titel „Architektur pur“!




Beijing







Beijing






Beijing






Angekommen bei unserem Kontaktmann wartet der erste kleine Dämpfer auf uns. Die Bestätigung über den Aufenthalt, den man uns im Hotel ausgestellt hat reicht nicht für die Beantragung des Führerscheins. Wir brauchen ein "temporärie registration form" und das bekommen wir nur bei der örtlichen Polizeidienststelle des Stadtteils, in dem unser Hotel liegt. Außerdem entsprechen die Bilder die wir dabei haben, obwohl extra nach den beschriebenen Vorgaben gefertigt, nicht der notwendigen Größe. Also genauer gesagt, die Größe der Bilder stimmt schon, aber nicht die unserer darauf abgebildeten Köpfe! Irritierend! Das bei meinem original '"Oberpfälzer Gschwollschädl".....

Also wieder ab zum Hotel und nach der Polizeistation gefragt. Dort ist man ganz erstaunt, dass wir sowas brauchen und kurz überfragt, wo die nächste Polizeistation ist. Endlich findet sich jemand mit dieser Spezialkenntnis, auf einem Zettel wird ein "Anfahrtsplan" gemalt und ein Taxi geholt. Der Fahrer bekuckt sich den Plan, ist verwirrt und fährt auch so. Irgendwie planlos rollt er durch die Stadt, immer weiter weg vom Hotel, dabei sah es auf der Zeichnung recht nahe aus. Na gut, Beijing ist groß und wer weiß wie die Stadtteile sind. In einer Seitenstraße lässt er uns dann raus. Die Gestik dazu sagt: "Hier irgendwie muss es sein, ich hab keine Ahnung wo, also sucht gefälligst selber!". Genau das tun wir auch.



Beijing





Bei der Anfahrt hat David in einem Hof Polizeiautos stehen sehen und siehe da, da ist die Wache. Nur das dort die zuständige Beamtin trotz englisch beschrifteten Schild überfordert ist. Erstmal werden wir auf die Sitzbank gescheucht, dann wird telefoniert. Kurze Zeit später kommt eine junge Kollegin die Englisch kann. Sie erklärt uns freundlich, wir sind hier falsch, da nichtmehr im richtigen Stadtteil. Hatten wir uns auch irgendwie schon gedacht. Also neue Adresse und 2 km bei 35° C mit schwerem Rucksack zurück. Aber endlich sind wir richtig, bekommen unser Formular und nehmen nun ein Taxi in Richtung Hotel. Mittlerweile sind die Zimmer bezugsfertig, wir können unser Gepäck verstauen und auch die Rucksäcke zurück lassen, bevor es wieder zu Mr. Zheng geht. Fehler, schwerer Fehler! Warum? Auflösung folgt bei Mr. Zheng.

Als wir alle Unterlagen auspacken fällt mir auf, ich hätte das Sideboard aus dem Hotelzimmer mitnehmen sollen! Warum? Dort drauf liegt nämlich mein Fotorucksack und darin ist mein anderer Geldbeutel, in dem mein deutscher Führerschein steckt. Eigentlich also da wo er hingehört, nur nicht gerade jetzt!

Die Mitteilung löst nicht nur bei Mr. Zheng "Augen verdrehen" und einen zweifelnden Blick auf die Uhr aus, sondern auch meine beiden Mitreisenden lieben mich aktuell wie Fußpilz. Ja nu, es ist jetzt so wie es ist. Mein Angebot schnell mit dem Taxi zum Hotel zurück zu fahren hat die Aussage zur Folge, dass man es dann für heute vergessen könnte mit dem Führerschein. Zudem hat der "Fotograf" im Erdgeschoss noch Mittagsruhe, was ein nachmachen der Bilder dort unmöglich macht.

Herrn Zhengs Geduld ist nun recht strapaziert mit den drei Europäern, er bleibt aber nach einigen Seufzern gelassen und macht sich daran die nötigen Formulare auszufüllen. Dabei ist ein interessantes Detail, dass er Neels und meinen Namen ins Chinesische "übersetzen" muss. Denn wir brauchen für den Schein unbedingt chinesische Namen! Und so werden sie geboren, die Herren Bei Ho Thsai und He Fu Bao, die für die nächsten drei Wochen David Reisebegleiter darstellen werden.

Plötzlich springt Mr. Zheng auf, bedeutet uns dass wir ihm folgen sollen und eine Rundreise durch die Hauptstadt beginnt. Erst mal wird ein Fotograf gesucht. Naja, ein kleiner Laden mit Digitalkamera, drei doch schon recht abgewirtschafteten Computern, zwei Druckern die schon etwas Lebenszeit hinter sich haben, aber zwei äußerst fixen Leuten, die im Nu die Bilder nach Vorgabe erstellen. Und ich muss sagen, entweder liegt es an deren "Fotokunst" oder an ihrer Fähigkeit in Sachen Photoshop, ich sehe auf meinen Fotos durchaus annehmbar aus! Und dass will schon was heißen! *grins*

Nächste Station: Gesundheitscheck!

Im Eiltempo werden wir durchgecheckt. Sehtest mit jeweils einem verdeckten Auge, dann Test auf rot-grün Schwäche, beides mit Bravour bestanden, und schon haben wir das nächste Formular mit dem typischen, wichtigen roten Stempel ohne den in China garnichts geht. Schnell, schnell raus, weiter zum Hotel und meinen Führerschein geholt. Im Laufschritt ins Zimmer und zurück und schon gehts ab zur Verkehrbehörde. Vorher noch in einer Firma daneben in der Pförtnerbude mit Bett schnell meinen Führerschein kopiert, pro Seite 1 Yuan, dann an den Schalter für "Foreign Visitors". Lustigerweise muss man dafür der Beschilderung zu den Toiletten folgen. Erst wenn man die passiert hat, sieht man das Hinweisschild. Dort gibts nochmal kurz Schreibarbeit, dann heißt es warten!
Nach gut 20 Minuten werden wir aufgerufen, dürfen an den Schalter vortreten und uns per Unterschrift in einer Liste verewigen! Und ja, wir sind im Jahr 2015 erst die 143-sten und 144-sten die als Ausländer einen temporären chinesischen Führerschein bekommen!




Beijing

Jaaaaa! Da ist das Ding! *juhu*
(Habe mir erlaubt aus Gründen der Verschönerung mein Gesicht unkenntlich zu machen. Zudem wurden einige Verzierungen eingefügt um niemanden auf Ideen für Kopien zu bringen *zwinker*)





Gleich am ersten Tag hat es geklappt, die unserer Meinung nach erste und schwerste Hürde zu überwinden. Zufrieden und glücklich verlassen wir das Gebäude! Man, wie haben wir uns geirrt!!!
Herr Zheng setzt uns bei einer U-Bahnstation in der Nähe ab, es ist genau die Linie die bis zu unserem Hotel fährt, und wir bedanken uns beim Abschied vielmals für seine Hilfe, ohne die das alles wohl nicht geklappt hätte.

Also wenn etwas einfach zu durchschauen ist, dann das Tarifsystem der U-Bahn in Beijing. Und so sitzen wir wenig später in einem der Züge und rumpeln gen Hotel. Und da es noch Licht hat, zieht es uns nach einem kurzen Besuch auf dem Zimmer sogar noch an die nicht weit entfernte Brücke kurz vor dem Zentralbahnhof. Eine Stelle von der schon unzählige Bilder entstanden sind. Aber wenn sie schon mal so schön vor der Haustür liegt. Und nett ist sie ja auch.




DF11G 0046 der CNR in Beijing

Das erste Eisenbahnbild in China nach 10 Jahren. Mit 8.300 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h sind die Maschinen der Reihe DF11G wahre Dieselgiganten. Die leer fahrende DF11G 0046 ist auf gerade dem Weg ins Depot. Die Geräuschkulisse die sie dabei erzeugt, lässt uns schon davon träumen, welch ein Erlebnis es sein wird, die Maschinen von langen Schnellzügen unter Volllast zu erleben.





CRH5 5017 der CNR in Beijing

CRH5A-5017 kann seine italienischen Wurzeln nicht verleugnen. Mit Triebzügen dieser Baureihe erreicht auch der Schnellverkehr den "Hauptbahnhof" von Beijing.





DF7 3020 der CNR in Beijing

Der Großteil der Garnituren wird von den jeweiligen Zuglokomotiven von oder in die Abstellanlage gebracht. Für den Rest sind zwei „Bahnhofshobel“ zuständig. Während einer davon, nämlich DF7 3020, einen Zug in den Bahnhof drückt, baut sich unten der tägliche Feierabendverkehr langsam auf.





DF7C 5612 der CNR in Beijing

Der zweite in Aktion befindliche Rangierdiesel, die DF7C 5612, unterscheidet sich nicht nur durch die auffällige Lackierung, sondern auch durch die niedrigere Kurzschnauze von der Kollegin.





So, die ersten Bilder sind im Kasten. Zeit noch ein bisschen sigthseeing und Stellenkunde zu machen.




Beijing





Wir umrunden das Gelände des Hauptbahnhofs, queren den Vorplatz mit seinem unendlichen Gewimmel und landen schließlich nicht weit entfernt im einem chinesischem "Schnellrestaurant" vor Reis- und Nudelgerichten. Von dort schleppen wir uns mit gefühltem Bauch und beschwert mit Bier in Richtung Zimmer. Jetlag und eine mehr oder weniger durchwachte Nacht setzen uns nun doch heftig zu und so dauert es auch nicht lange und es herrscht Nachtruhe.

Fazit für den ersten Tag: Sehr erfolgreich! Wir haben den Führerschein und die ersten Bilder im Sack! Und der morgige Tag verspricht auch Klasse zu werden. Vormittags zur freien Verfügung, sprich raus an die Brücke, und nachmittags dann mit einer Chinesin treffen, die David von der Arbeit her kennt. Mit ihr solls dann in auf den Tien Na Men-Platz gehen, in die Verbotene Stadt und dann in ein Altstadtviertel zum Essen.

Dann mal gute Nacht und schöne Träume!