Unterwegs mit den Herren Bei Ho Thsai und He Fu Bao - Teil 11
Von Christof Hofbauer
Freitag, 28.08.2015Heute ist Reisetag. Gut, das klingt jetzt vielleicht etwas zu dramatisch. Aber immerhin sind es rund 375 km bis Baiyin. Bei 120 km/h Höchstgeschwindigkeit und wahrscheinlich 90 km/h Durchschnitt auf der Autobahn, dass zieht sich. Also früh raus und ab ins Auto.
Lange hatten wir gestern noch über das für und wieder diskutiert. Schließlich gäbe es hier im Tal noch genug Stellen die mehr als nett wären. Aber die Fahrzeuggestellung wird halt langsam etwas eintönig. Nur immer SS7E und HXD 1.1 ist auf die Dauer doch etwas ermüdend. Außerdem, man erinnere sich, nach unserem ursprünglichen Plan, ja, wir hatten mal einen Plan …… *hihihihihi* ….. einen Plan – in diesem Land ….. *hahahaha* …… Moment, geht gleich wieder …. *huahahaha* ……. also *schnief* so jetzt ……. wir hatten da mal eine Absichtserklärung, ja das ist besser, so nennen es auch die Politiker wenn sie etwas beschließen von dem sie im Vorherein schon wissen, dass sie es nie realisieren werden, die lautete: viel Dieselstrecken!
Und hier hängt Strippe. Wenigstens an einer Strecke um Baiyin nicht. Dazu noch Dampfloks und die vage Hoffnung, dass auf der von Lanzhou nach Norden führenden Linie etwas Älteres läuft oder zumindest etwas anderes als hier. Alles Argumente die für einen Wechsel sprechen. Dass die Gegend durch die Lössberge auch nicht ganz unfotogen sein könnte, dass lässt sich auch vermuten. Zudem dürfen wir die Zeit nicht außer Acht lassen. Es sind nicht mehr viele Tage und wenn wir eine vernünftige Runde zusammen bringen wollen, müssen wir uns bewegen. Unterm Strich stand dann auch die Entscheidung: Wir verschieben nach Westen.
Morgendlicher Blick aus dem Hotel. Durch eine Lücke zwischen den Häusern kann man sogar die ein- und ausfahrenden Züge beobachten.
Während ich die Ostseite abgelichtet habe, hat Nil sich um die Westseite gekümmert. Das nennt man Arbeitsteilung.
Nach dem auschecken geht’s zum Auto beladen, Schlüsselübergabe, Nil ist heute wieder dran mit fahren. Dafür nehme ich den Platz des Königs auf der Rückbank ein. In unserer Monarchie steigt man nämlich genauso schnell auf wie man wieder fällt. Vom Fahrer zum König, und wieder zurück! Und der König ist unleidlich wenns nicht schnell genug vom Hof geht. Also ran, Herr Nil …… äh, halt …… ehlenweltel Bei Ho Thsai!
Groß ist dieses Tian Shui und es zieht sich, müssen wir doch einmal quer durch. Von unserem Vorort ganz auf die andere Seite bis in den Osten. Gibt allerdings auch Gelegenheit Studien über Land und Leute zu betreiben.
Und eine Tankstelle zu suchen! Ja wirklich, wir haben schon wieder einen leeren Tank. Und das morgens! Schlimm, ich weiß, aber es war nicht unsere Schuld. Gefangen im unsäglichen Dreieck von „den letzten Sonnenstrahl nutzen“, „die Lokale schließen um 21.00 Uhr“ und „keine Tankstelle am direkten Weg“, haben wir uns für das kleinere Übel entschieden: Nicht tanken!
Die anderen Optionen „Bild verpassen“ und „schon wieder zu KFC“ wären keine wirkliche Option gewesen.
Also die nächste Tanke angepeilt und dort wieder mal für Erstaunen und Heiterkeit gesorgt. Und während sich der Fahrer tapfer der anrückenden Armada weiblicher Tankwartinnen stellt, deren Chefin neben den Zapfsäulen im Freien an einem Holztisch residiert, vor sich einen karierten Block, diverse Zettel und den unvermeidlichen roten Stempel, David zwecks Erwerb kühler Getränke entschwindet, entmülle ich, man stelle sich vor, der König, unser Auto: Meuterei! Revolution!
Mit vollem Tank und genügend kühler Trinkerei hoppeln wir weiter in Richtung Autobahn. Mittlerweile wird auch das Frühstück serviert, diverse Backwaren, die alle gleich, nämlich extrem nach Nichts schmecken, und mit Glück nur süß sind. David bezeichnet den Geschmack dieser kulinarischen Offenbarung immer gerne als „generisch“! Auf meine Bitte nach einer Definition dieser Bezeichnung meint er nur lakonisch, man müsse das Wort nicht definieren, da es selbstbeschreibend wäre! Ich beiße ein weiteres Mal ab, gebe ihm Recht und mich mit der Erklärung zufrieden.
Der Kauf der diversen Leckereien sorgte gestern Abend übrigens noch für Heiterkeit. Als wir nach dem Abendessen einen noch offenen Laden zwecks Erstehen von Proviant betraten, waren wir den Besitzern wohl so suspekt, dass immer einer der Angestellten, und deren gab‘s viele, von Gang zu Gang mitschlich um uns zu beobachten, dass wir auch ja nichts mitgehen lassen. So leicht wird man als Angehöriger einer ethnischen Minderheit diskreditiert! *grins* Wir hatten uns aber einen Spaß draus gemacht, und erst recht alles genau angeschaut und aus den Regalen genommen! Wir wollen ja niemanden enttäuschen oder gar arbeitslos machen.
Kleine Anekdote an der Mautstation, bildlich festgehalten von Nil. Bevor wir dran sind, quetscht sich ein Fahrer ganz rechts an der geschlossenen Schranke vorbei. Und das Mädel im Häuschen? Es gerät nicht aus dem selbigen sondern schaut nur ganz gelassen zu! Rätselhaft! Wie will er ohne Kärtchen jemals wieder von der Autobahn herunter kommen? Gibt es irgendwo eine zweite so Autofahrer freundliche Schranke? Des Rätsels Lösung: Der Wagen biegt gleich hinterhalb in die örtliche Polizeistation ab! Hmmm, reuiger Sünder der gleich zu Kreuze kriecht oder die inoffizielle, aber regelmäßig genutzte Zufahrt zu besagter Station? Es darf spekuliert werden!
Nun haben wir die Autobahn erreicht und machen uns auf den langen Weg nach Baiyin. Das Tal hat sich hier deutlich verbreitert, d.h. die Landschaft ist bei weitem nicht mehr so spektakulär wie östlich von Tian Shui. Also verlegen wir uns wieder drauf, die LKW zu bewundern……
….und mögliche Stellen für die Rückfahrt zu finden und zu markieren. Denn wenn es wieder nach Xi’an geht, werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach wieder hier durchkommen. Zäh wie Honig fließt die Zeit dahin und auch nur zäh kommen wir weiter. Nächster „Aufreger“ ist erst wieder die Baustelle der Schnellbahnstrecke von Lanzhou nach Westen, die hier nicht unfotogen durch die Landschaft läuft. Wie solls anders sein in diesem Land, zwar meist aufgeständert, aber von der parallelen Hügelkette gut fotografierbar.
Endlich nähern wir uns Lanzhou und Nil reicht mir zwecks Allgemeinbildung das Handy. Na, dann lesen wir mal was das Netz so her gibt. Mehr als 3 Millionen Einwohner, soso, also auch für chinesische Verhältnisse keine Kleinstadt mehr. Im Tal des Gelben Flusses gelegen. Ist ja interessant. Hat in der Vergangenheit unzählige Male die politische und territoriale Zugehörigkeit gewechselt. Und nicht nur das. Einhergehend wurde auch der Name der Stadt oftmals geändert. Puh, müssen für den Postboten schwere Zeiten gewesen sein, und für die Briefschreiber noch dazu. Da kam wohl öfter mal etwas zurück mit dem Vermerkt „Stadt unbekannt verzogen“!
Lanzhou zeigt sich im Kern wie viele Städte in China. Im Zentrum hohe Wohntürme wohin man schaut und am Rand, ältere, kleine Häuschen, meist bescheidener Natur. Und eine neue Umgehungsbahn. Halb am Hang läuft sie am diesseitigen Ufer das Tal entlang. Darunter sieht man noch vereinzelt Relikte der alten Trasse. Da oben hat man morgens bestimmt einen schönen Blick. Vorne die Bahn, dahinter der Fluss und die Skyline von Lanzhou. Ein Tipp auf das tablet und gemerkt. Wissen wir doch gleich mit was der Tag morgen beginnt. Die Übernachtung haben wir nämlich in Lanzhou gebucht. Warum? Und warum nicht gleich in Baiyin? Wir wollten uns auf unbekannten Terrain alle Optionen offen halten.
Nun geht’s erstmal weiter Richtung Norden. Bei Gaolan wollen wir die Autobahn dann verlassen. Auf der noch ein Stück nebenher laufenden Umgehungsbahn sichten wir derweil HXD 1.1, später, auf der eingleisigen Strecke gen Norden, eine SS7E. Macht mir ja in Sachen Abwechslung nicht gerade Mut!
Bei Gaolan dann mal wieder der aha-Effekt a la China. Laut Karte ist hier weit und breit nichts. In der Realität stehen wir aber gleich nach der Abfahrt in einer größeren Provinzstadt und quälen uns dort von Ampel zu Ampel.
Realität und Wirklichkeit treffen mal wieder zusammen. Während die elektronische Karte nichts als Leer anzeigt, quälen wir uns auf der Prachtstraße, links und rechts von Hochhäusern flankiert von Ampel zu Ampel durch Gaolan.
Urgs! Wenn wir jetzt nicht bald mal ankommen und wieder Schienen sehen, dreh ich hier hinten noch durch! Der König ist unleidlich!
Da so rum zu sitzen auf der Rückbank, gänzlich beschäftigungslos, macht auf Dauer echt keinen Spaß.
Endlich verlassen wir die Bebauung und schon wird’s grandios. Grüner Talgrund, gesäumt von Lössbergen. Nicht hoch, aber zahlreich. Ein Haufen neben dem anderen. Und die Strecke. Eingleisig, zwar elektrifiziert, aber egal, hier könnte was gehen. Schon ist die Müdigkeit weg und das Jagdfieber da. Erst recht als wir zur kleinen Station Fengshuicun kommen. Die heißt wirklich so und was wir darin sehen trägt auch prompt zu unserem Wohlbefinden bei. Eine, an eine Prima erinnernde Doppellok vor einem kompletten Maschinenkühlzug, besser gesagt, vor zwei Maschinenkühlzügen, wartet allen Anschein nach auf die Kreuzung. Also nichts wie umgekehrt und Stelle gesucht. Etwas weiter hinten ging doch ein Weg in Richtung Felder. Ja, genau hier, und dahinten ist auch eine Brücke unter der Bahn durch. Und während wir drauf zu rollen, kommt auch schon der Gegenzug von Süden her. Also nochmal einen Zahn zulegen, nicht das uns das Teil, dass wir im Bahnhof gesehen haben, durch die Lappen geht. Auto in den Schatten, raus und Vollsprint durch die Botanik. Hier passts, oder? Neeee, zuviel Bäume dazwischen. Man soll ja auch noch den Zug gut sehen. Der ist ja schließlich der Bringer! Na dann besser dort! Hoch gewetzt, hm, doch besser da drüben. Immer wenn einer steht, flitzt ein anderer weiter und meint, dort wäre es aber besser. Am Ende haben wir noch rechtzeitig Position bezogen, zwar nicht ideal, aber in Anbetracht der Eile die von Nöten war, ganz passabel.
In Europa meines Wissens mittlerweile so gut wie ausgestorben, in China noch unterwegs! Lange Maschinenkühlzüge! Nachdem sie die Kreuzung mit einem leeren Kohlezug abgewartet hat, beschleunigt HXD 26004 den aus zwei Verbänden bestehenden Kühlzug aus dem Bahnhof von Fengshuicun heraus.
Na, doch gar nicht so verkehrt der Start in den Fototag. Wurde aber auch langsam Zeit, denn schließlich ist es schon Mittag durch. Beim zurückschlendern zum Auto schweifen unsere Blick in die Umgebung. Eins ist klar, wir müssen rauf……..wieder einmal. Aber ich sehe es ja ein, denn schließlich hat man nur von oben den Blick auf diese fantastische Landschaft. Ein Hügel weiter vorne bietet sich dafür an, also auf den Weg gemacht. Blöd nur, dass die Sache zwei Haken hat. Zum einen gibt es da vorne keinen Schatten fürs Auto, garantiert Mörderhitze im Wagen wenn wir uns wieder verschieben, zum anderen geht’s auf den „Hügel“ verdammt steil nach oben. Mit meiner nur mehr rudimentär vorhandenen Kondition und meiner Höhenangst nicht gerade die idealen Voraussetzungen. Aber was solls, watt mutt, datt mutt! Also geht’s keuchend und mit leicht schlotternden Knien den Hang hinauf, über einen Grad rüber und auf den Nachbarhügel! Aaah! Tolle Aussicht hier! Einfach nur schön! Wir fühlen uns beim „rund um Blick“ wie in eine viel zu große Sandkiste versetzt. Und es würde jetzt keinen wundern, wenn gleich einen riesige Mietzekatze kommen würde, um uns zuzu…….! Lassen wir das! Wie kann man nur auf solche Gedanken kommen? Liegt vielleicht an der Sonne hier oben auf der Kuppe. Die brennt nicht schlecht. Und Schatten, ne Schatten gibt’s keinen, oder doch? Nil beweist Voraussicht, oder die Tatsache das er ein Weichei ist *grins* Er hat einen Regenschirm eingepackt, den er jetzt heraus befördert und, ganz in asiatischer Tradition, zum Sonnenschirm umwandelt! Und wer will ihn jetzt noch wirklich wegen des Schirms aufziehen. Partizipieren wir doch alle vom Schatten den er wirft! Wie an der Schnur gezogen wird sich postiert, den letzten Flecken Dunkel ausnutzend. Nil unterm Schirm, David davor und ich wiederum sitzend vor ihm! So lässt es sich bis zum nächsten Zug aushalten, und das ist ein Schnellzug von Süden her.
Irgendwie keimt bei mir die Befürchtung auf, dass meine Hoffnungen auf „ältere“ Baureihen auch auf dieser Strecke nicht erfüllt werden. Die neuen HXD 2.1 und 2.6 im Güterverkehr, SS7E im Schnellzugdienst, das hatte ich mir ein bisschen anders erhofft. Zwar war ich nicht so verwegen und habe gleich von SS2 oder SS3 geträumt …… oder doch? Ja, schon irgendwie. Aber wird wohl nichts! Das bestätigt auch der nächste Zug der aus Richtung Gaolan heran kommt. Wieder ein langer Lehrzug mit etwas modernen an der Spitze.
Eigentlich warten wir ja schon die ganze Zeit auf einen Schnellzug von Norden her. Doch der hat Verspätung. Eigentlich kein Grund nervös zu werden, wäre da nicht die Wolkenfront, die sich von Südosten unaufhaltsam heran schiebt. Und so schauen wir dem Leerzug intensiv nach, in der Hoffnung er möge gleich raus gehen um im nahen Bahnhof mit dem Schnellzug zu kreuzen. Und als wir schon glauben er wird langsamer, müssen wir doch feststellen, dass er die Station langsam ohne Halt durchrollt. Mist!
Denn so schieben sich nicht nur die Wolken bedrohlich heran, auch die Sonne dreht immer mehr in die Gleisachse. Seitenlicht ade! Aber wechseln bringt jetzt auch nicht wirklich was, da er ja eigentlich gleich kommen müsste, und dann stehen wir irgendwo mitten im Hang oder sind auf der Straße unterwegs und haben ihn überhaupt nicht. Also harren wir aus, mit pendelnden Köpfen, wechselnd von Wolkenfront zu Handyuhr zu Horizont. Meno, Züge sind doch immer so pünktlich in China! Warum der nicht?!?
Dann ist es passiert! Der erste mächtige Wolkenschatten streicht über uns und die Strecke hinweg. Jetzt heißt es zittern das er nicht kommt. Dann wieder bangen, als die Sonne hell strahlt, er möge doch gleich ums Eck biegen. Eine halbe Stunde geht das so. Und dann, dann kommen sie gleich beide auf einmal. Die Wolke und der Zug. Was nichtmehr wirklich da ist, ist Seitenlicht. *grmbl* Doch was ist das? Die Front der Lok sieht anders aus! Auch die Lackierung glänzt nicht in durchgehendem rot? Nein, Beige mischt sich mit rein, soweit wie man auf die Distanz und den Dunst erkennen kann! Das wird doch nicht, das kann doch nicht, doch das ist……. Und natürlich geht jetzt das Licht weg! Wieder mal soooo typisch.
Mit nur wenigen Zügen kommen die Loks der Reihe SS7C auf die Strecke zwischen Baiyin und Lanzhou. Der K9665 Yinchuan – Lanzou , den SS7C 0046 in die Stadt am Gelben Fluß bringt, ist mit einer Laufstrecke von 468 km schon fast ein Kurzläufer für chinesiche Verhältnisse.
Die Maschinen dieser Reihe wurden von 1998 -2006 von Datong gebaut, und damit genauso lang wie die schnittigeren SS7E. Die hergestellt Stückzahl bewegt sich mit 171 Maschinen für China schon fast im Bereich eine Splitterbauart. Wobei auffällt, dass von den diversen Schnellzugbaureihen durchweg nie viele Lokomotiven gebaut wurden.
Aber war doch klar, oder? Da kommt mal was anderes und dann passt das Licht nicht mehr! *vormichhinmaul* Jaja, so ist das eben mit uns Baureihensammlern.
Eins ist aber beim Blick aufs Display schon mal sonnenklar, die Sonne passt von hier oben nicht mehr. Also Sprung auf marsch marsch, den Regenschirm eingeklappt und hinunter über den Berg. Äh Jungs, könnte einer bitte vor mir her gehen? Würde mir das Leben echt erleichtern! Ihr wisst schon, Höhe, Hangneigung und so…… So hab ich wenigstens etwas vor mir, an dem sich das Auge festhalten kann. David meint zwar: „Na toll, dann rutscht du weg und räumst den vor dir gleich noch mit ab!“, erbarmt sich aber dann doch und läuft vor mir her. Während Nil, trotz diverser Einsprüche meinerseits, über Höhe, Rutschgefahr, Einbildung und Abstürze referiert! Sehr hilfreich das! *grins* Trotzdem kommen wir unten gut und schnell an. Siehste, hat doch geklappt. So hab ich auch niemanden aufgehalten. Übrigens, die Neigungen dieser Lösshügel sind echt fies, sowohl rauf als auch runter. Rauf wegen Schnappatmung, runter wegen Bremswirkung.
Viel bremsen dürfen wir aber nicht, denn der nächste Schnellzug drückt und wir können uns nicht darauf verlassen, dass er auch Verspätung hat. Nahe der Bahnhofsausfahrt beziehen wir Stellung. Nicht der schönste Platz, aber die erreichbarste Stelle mit der Garantie den Zug nicht zu überfahren und ihn auf der Strecke nur mehr anschauen zu dürfen.
1803 km lang ist der Laufweg des K43 Beijing – Lanzhou. Nachdem der kleine Bahnhof von Fengshuicun passiert ist, geht SS7E 0129 auf die letzten rund 70 km bis zur Endstation.
War ja so klar, dass jetzt bei Volllicht keine SS7C dran hängt, oder? Nächste sichere Leistung ist ein von Süden kommender Schnellzug. Für den solls jetzt in eine große Schleife ein paar Kilometer weiter gehen. Da dürfte das Licht auch für einen Nordfahrer passen. Doch weit kommen wir nicht. Kurz bevor die Schleife beginnt sehen wir schon wieder den nächsten Zug von Baiyin her herunter kommen. 180° Wende und Vollgas zurück. Hektik bricht aus! Wo passt das Licht? Äch, wir müssen auf die andere Gleisseite, oder nein, da vorne könnte es auch gehen, da war ein Weg *brems* neeee, da geht’s nur ins Feld. Etwas weiter, da! Und unaufhörlich kommt der Zug näher. Endlich kommen wir an einigen Bauernhöfe vorbei an die Gleise. Vorsichtig durch, kein Bild der Welt ist es wert jemanden dafür zu überfahren. Vor einer Baumgruppe ist Ende, also raus und laufen, laufen, laufen. Während David im Vollsprint noch zur Bahn hoch kommt und dem Zug auf die Nase schießt, bleiben Nil und ich lieber im Parterre und machen Froschblick.
Zurück geht‘s unter dem Gebelle der ortsansässigen Hundemeute. Die kann uns zwar nicht sehen, denn alle Höfe sind von hohen Mauern umgeben, aber unsere Anwesenheit trotzdem hören und wohl auch spüren.
Wenn auch die Mauern schlicht sind, die Eingangstür darf nicht ohne Schmuck sein. Und auch die Satellitenschüssel vor dem Haus darf nicht fehlen.
Jetzt aber hoch zur Schleife. Doch auch diesmal werden wir ausgebremst. Kaum stehen wir nämlich am Anfang des weit gezogenen Bogens um einen Weg zu dessen Scheitel zu suchen, rollt es schon wieder von hinten. Also rauf auf den nächsten Hügel und in Position gestellt.
C64K 48 07098 ist ein typischer Vertreter der E-Wagen, die hier in der Region zum Transport von Kohle genutzt werden.
Da der Sandweg neben der Strecke nicht in den Bogen hinein führt sondern an einem nahen Gebäude, allem Anschein nach einer Baumzucht, endet, müssen wir noch ein Stück über die Hauptstraße und dann auf einer Dreckpiste, vorbei an verschiedene Ansiedlungen bis ungefähr in die Mitte der Kehre hoppeln. Unser Santana zeigt sich dabei erfreulich „geländetauglich“.
Das wir auf unserem Weg eine Polizeistation passieren, nur um uns dann in Sichtweite direkt unter einem Funkmasten zu platzieren sorgt kurzzeitig für einige Gedankenspiel. Aber wir haben ja unsere Zettel, die das Dasein erklären. Oder auch nicht! Zumindest der Brückenwärter hatte es ja nicht verstanden. Dass das Polizeiauto kurz darauf die Station verlässt, ohne dass sich jemand für uns und den Grund unserer Anwesenheit interessiert, beruhigt dann endgültig. So können wir uns in aller Ruhe dem kommenden widmen. Und das ist zuerst der Schnellzug von Süden her. Und nein, es ist wieder keine SS7C vorne dran.
Stolze 2.156 km lang ist der Laufweg des K886/7 von Xining, am Beginn der Lasabahn, bis nach Tianjin, der Hafenstadt an der Bohai Bucht. Seit Lanzhou ist SS7E 0030 für die Bespannung zuständig.
Rollt ganz schön auf dieser Piste. Kaum haben wir es uns nach dem Schnellzug wieder im Schatten des Funkmastes gemütlich gemacht und begonnen, die Megatüte Chilierdnüsse zu vernichten, kommt schon der nächste Güterzug aus Richtung Gaolan.
Wenn gleich auch lange nicht so elegant wie die SS7E, gibt es von den HXD 21197 auch noch eine Seitenansicht.
Irgendwie sehen die 10.000 PS starken Loks der Reihen HXD 2.1 und 2.6 sehr nach Prima (Alstom) aus. Laut Netz sind sie aber ein Gemeinschaftswerk von Datong und Bombardier und werden seit 2012 gebaut. Zweifel an dieser Aussage bleiben aber meiner Meinung nach. Zumindest scheinen die Maschinen französische Wurzeln zu haben.
Aber egal wie sicher oder unsicher Aussagen über ihren Stammbaum sind, eines ist auf alle Fälle klar, sie beherrschen den Güterverkehr auf dieser Strecke! Und das finde ich jetzt nicht unbedingt ganz so prickelnd. Jaja, ich weiß, noch nicht mal einen Tag hier, die Baureihe zum ersten Mal gesehen, und schon mäkelt er rum *grmbl* Aber ich kann ja auch nichts dafür. Ich steh halt auf Abwechslung! *grins*
Immerhin bietet der nächste Zug aus Norden neben der bekannten Zuglok ein kleines, aber nicht weniger leckeres Zuckerl!
Auf dem Weg nach Lanzhou ist HXD 21205, als sie die weite 180° Kehre bei Xing Wancun durchfährt. Im Schlepp hat sie, neben ihrem Güterzug, auch noch DF4 9572.
Ihre besten Tage hat DF4 9572 augenscheinlich auch schon hinter sich, als sie, eingereiht in einen Güterzug, hinter HXD 21205 in Richtung Lanzhou rollt. Ob sie jemals wieder mit eigener Kraft unterwegs sein wird darf zumindest bezweifelt werden.
Tja, wegen dieser Art Grünlingen sind wir eigentlich ins ferne China aufgebrochen. Allerdings war die Absicht die Vertreterinnen dieser Reihe aktiv vor Zügen zu fotografieren und nicht leer laufend in Zügen. Aber man wird ja bescheiden, den Umständen halber. So freuen wir uns über das Bild und räumen langsam unsere Sachen zusammen, denn wir wollen nach dahinten, in die höheren Hügel/Berge, die man im Bildhintergrund sieht. Da ist es bestimmt noch spektakulärer! Ja und leider sicherlich nicht so bequem um an passende Fotostandorte zu kommen, denke ich. Welche trübe und doch gleichzeitig weise Vorahnung! Vorher gibt’s aber noch ein Landschaftsfoto!
Während die Bahnstrecke in der Schleife langsam ansteigt, dann den Höhenrücken mittels Scheiteltunnel durchquer um dann langsam wieder in Richtung Baiyin abzufallen, überwindet die Straße den Höhenunterschied in zwei kurzen Abschnitten. Von Gaolan her kommend ist dieser mit einigen unübersichtlichen Kurven bestückt. Hier lassen sich mal wieder die Eigenheiten des chinesischen Straßenverkehrs bewundern. Es wird gedrängelt, gerast und überholt. Und um die Kurve schauen? Neee, warum!?! Man hat ja vorher schließlich um die Kurve gehupt! Und das muss ja wohl genügen.
Wohl nur die zweitbeste Lösung für ein sicheres Ankommen, denn zum einen droht ständig ebenfalls hupender Gegenverkehr auf der eigenen Fahrspur, zum anderen einer dieser LKW deren Untermotorisierung in proportional umgekehrten Verhältnis zu seiner Überladung steht, und dessen Wesen, mit dem armdicken Abgasstrahl, eher einer Nebelkerze, denn einem Transportfahrzeug gleicht!
Wir fahren am Kamm erst ein kleines Stück auf gleicher Höhe mit der Bahn, dann geht es hinab in den Talgrund, während die Strecke weiter oben am Hang entlang läuft. Etwas missmutig schaue ich mir die ganze Geschichte an, bedeutet das doch wieder klettern in steilem Gelände. Puh, darauf habe ich ja jetzt Lust!
Aktuell bin ich aber von solchen nervenzehrenden Aktivitäten noch befreit. Stellenguck ist nämlich angesagt. Immer ratsam, wenn man irgendwo neu ist. Könnte sich doch gleich hinter der nächsten Kurve DER Ausblick überhaupt bieten. So arbeiten wir uns bis Baiyin vor bzw. bis zum dortigen Westbahnhof. Läuft die Strecke zuerst noch mehr oder weniger parallel zur Straße, schwenkt sie bei Houchang Chuanzi ab und ist erst kurz vor dem Bahnhof Baiyin West wieder ohne Fußmarsch oder Geländefahrt erreichbar.
Baiyin West! Hat durchaus seinen Reiz in meinen Ohren. Denn wie weit kommen eigentlich die Dampfloks der Minenbahn, oder von mir aus auch die Dieselloks? Ich bin da im Moment nicht so wählerisch! *grins* Es müsste doch Übergaben geben. Und außerdem enden bzw. starten doch hier einige von der Minenbahn geführte Personenzüge! Auf alle Fälle müssten wir so oder so auf Dieselloks treffen. Und das bedeutet Abwechslung.
Nun, viel zu holen gibt’s hier nicht. Der Bahnhof selbst ist so verbaut, dass man links und rechts davon nirgends an die Gleise kommt. Also versuchen wir es ein Stück weiter vorne, auf einer Seitenstraße die laut Karte die Bahn kreuzt. Was sie auch brav tut, aber leider nur mittels Tunnel unter einem gut 20 m hohen Damm, auf dem die Bahn ein Tal überbrückt. Nix gutt! Neben dem Streckengleis nutzt zwar auch die Zufahrt zum kleinen Bw am Hang gegenüber dieses Bauwerk, aber eben alles unfotografierbar, denn die Sonne ist schon drüben. Ansonsten könnte man ja wenigstens mal zum Betriebswerk hochfahren, in dem sich neben einer HXD 2.1 auch noch eine grüne DF4 und einer der mächtigen sechsachsigen Rangierdiesel sehen lassen. Aber ob es so ratsam ist, dort mit gezückter Kamera herum zu springen? Wir wollen es nicht testen. Lieber den Rest des durchs Reisen eh schon kurzen Tages mit Bilder machen an der Strecke verbringen, als hier eventuell in einer Amtsstube herum diskutieren zu müssen. Das gleich in Sichtweite einige Kasernen der Armee sind bestärkt uns in unserer Haltung.
Also kehrt marsch und zurück zur Strecke. Klettern! *urgs* Gerade kämpfe ich mit mir, ob sich beim Betriebswerk einsacken lassen nicht doch die bessere Lösung gewesen wäre.
Wieder im Tal angekommen rüsten wir zum Aufstieg. Dabei lass ich mir gleich von Nil den Autoschlüssel geben. Sollte ich nämlich nicht weiter können, dann bleib ich halt einfach unten, genieße von dort die Landschaft, relaxe und lese ein bisschen. Zwar nicht optimal, aber was hilfts. Dann geht’s mit vollem Gepäck nach oben. Und 15 kg auf dem Rücken ziehen schon gewaltig. Erst ganz kommod auf einem Weg und ich habe schon Hoffnung das es eher easy wird, dann ein Trampelpfad, na gut, ist auch noch nicht so schlimm, dann stehen wir vor einem steilen Betondamm, jetzt wird’s kritisch. Oben rollt ein Güterzug in Richtung Gelber Fluss, wären wir mal eher gekommen. Die letzten Meter bis zum Fuß des Damms sind schon ordentlich. Also für mich, die beiden Schweizer Berggämsen laufen noch wie meinereiner auf dem Gehsteig, dann der Aufstieg auf den Damm. Ursprünglich waren hier mal, wenn auch nicht breite aber so doch vorhandene Betonstufen eingelassen. Vorhanden sind diese nur mehr auf den ersten 5 - 6 Metern, danach wechselt ihr Erhaltungszustand auf rudimentär vorhanden und auf den letzten 4 – 5 Metern auf Restbrösel bis schräge Fläche. Da kleb ich nun und kann nicht anders. Runter gehen wäre jetzt nicht wirklich besser, außerdem sind doch die Schienen schon so nah. Auf allen Vieren geht’s also im Eiltempo hoch und ich bin froh endlich wieder auf gerader Fläche zu stehen. Nur ein Gedanke nagt an meiner Seele: Ich muss da ja auch irgendwie wieder runter! Ein Problem dem ich mich später widmen werde. Nun gilt es erstmal zu schauen wo die anderen beiden sind! Weg! Wie weg? Na weg!
Gut, sie sind einfach keine so Weicheier wie ich und haben daher die Krabbeltour deutlich schneller hinter sich gebracht. Jetzt sind sie schon irgendwie um die nächste Ecke. Naja, geh ich mal kucken, ob ich ein Plätzchen für mich finde und sie dabei vielleicht gleich mit. Wenn nicht, auch egal, ich hab den Autoschlüssel, das gibt einem eine bestimmte Wichtigkeit.
Erstmal die Strecke nach hinten abgelaufen. Neee, geht garnicht! Dann nach vorne durch einen Einschnitt. Sieht schon besser aus! Ah, und da oben stehen ja auch die beiden Vertreter eines europäischen Bergvolkes. Aber nönö, der Hang den es da zu bewältigen gilt um da rauf zu kommen, der ist mir zu steil. Da nehm ich lieber den nächsten Hügel, da ist der Aufstieg recht human und Sonne hat es auch länger, für die ganzen Züge die nicht kommen! Wie nicht kommen? Jepp, denn seit dem Südfahrer eben, der auch noch passen ins Licht gefahren wäre, ist jetzt tote Hose. Und wir sitzen schon gut eine Stunde hier auf unseren Kuppen. Die beiden anderen auf der rechten, ich auf der linken…
……und wenn dann doch etwas rollt, dann rollt es von hinten! *uäääh* So wie von David dokumentiert!
Natürlich kommen auch die beiden einzigen um diese Uhrzeit verkehrenden Schnellzüge von hinten. Einmal der K9672/3 nach Changzheng mit einer SS7E an der Spitze, gefolgt von einer HXD3D. Der Wagengarnitur nach schätzen wir es könnte sich um einen „Lhasa-Zug“ handeln.
Dann herrscht wieder Ruhe auf der Linie, die heute unter Tags so stark befahren war. Es scheint sich wie ein roter Faden durch unsere bisherigen Fototage zu ziehen, gegen Abend reißt es immer ab.
Langsam räumen die Nachbarn auf dem Hügel zur rechten ihre Ausrüstung zusammen und beginnen mit dem Abstieg. Ich kann gar nicht hin sehen. Wenig später scharren unter mir am Hang Füße und zwei schräg aussehende Gestalten entern meine Fotoposition. Von ihrem Platz aus war nämlich mittlerweile bereits der Schatten in den Einschnitt gezogen. Hier geht es noch einige Minuten länger, auch wenn sich ebenfalls schon eine dunkle Fläche über das Gleis zu schieben beginnt.
Immer wieder richten sich bange Blick nach hinten, wo sich, schon knapp über dem Horizont, die Sonne immer mehr in eine dicke Schmodderschicht schiebt. Wie lange wird es noch gehen? 5 Minuten? 10 Minuten? Vielleicht doch noch eine Viertelstunde? Längstens! Und das auch nur noch mit Funsellicht! Sollten wirklich die ganzen Mühen und der vergossene Angstschweiß der Kletterei umsonst gewesen sein? *mmpf* Und der Abstieg steht mir ja erst noch bevor! So sitzen wir hier oben auf unserer Kuppe, meist still, und lauschen auf das Rauschen eines Zuges.
Und da, wirklich kurz vor knapp, endlich, es schiebt sich etwas um die Kurve am Ende der langen Gerade!
Durch diese hohle Gasse muss er kommen! Wirklich keine Minute zu früh, rollt ein Güterzug aus Richtung Baiyin in den Einschnitt vor uns.
Mit einer Schlange aus Kessel- und beladenen Kohlewagen rollt HXD 21232 durch die Lössberge bei Houchang Chuanzi.
So, die sieben Sachen packen und mit dem Abstieg beginnen. Noch länger warten hat keinen Sinn. Nur Minuten nachdem der Zug durch ist, schluckt der Schatten die ganze Szenerie.
Bis zum Gleis geht’s ganz munter, der Strecke entlang sowieso, dann die gut 15 m den Damm runter! Auf allen Vieren, in bewährter Methode, teils rutschend, durchweg bangend, dann hab ich wieder festen Boden unter den Füßen. Puh! Und ich bin früher auf Bäume geklettert wie ein Weltmeister? Tja, früher eben!
Unten erstmal was trinken, im Gegenzug biologische Reststoffe entsorgen und ab auf die Piste. Bis Gaolan ganz easy, dort aber mühsam. Denn wie dirigiert man den Fahrer bei fehlender Beschilderung durch eine Stadt, wenn auf der Landkarte nur eine einzige Straße, noch dazu in unverbautem Gelände, eingezeichnet ist? Und so passiert das Unvermeidliche, wir stehen nach einigen Abbiegemanövern plötzlich in einem Hinterhof! Geht’s hier zur Autobahn nach Lanzhou? Wohl eher nicht! Also persönlichen Orientierungssinn eingeschaltet. Und der funktioniert besser, wir haben bald darauf wieder die Hauptstraße und danach die Autobahn erreicht.
Dort ist der Verkehr überschaubar und wir haben Hoffnung bei Zeiten in Lanzhou am Hotel anzukommen. Ihr wisst ja, die Sache mit „um 21.00 Uhr gibt’s nichts mehr zu essen“! Und Hunger haben wir nicht schlecht. Bestand doch die Ernährung aus „generischem Gebäck“ zum Frühstück, und Nüsschen und Gummischeiß im Laufe des Tages. Nicht wirklich magenfüllend für drei ausgewachsene Kerle.
Doch die Straßen um Lanzhou sind tückisch, das werden wir die nächsten Tage auch immer wieder merken. Plötzlich stehen wir vor einem Tunnel im Stau. Schnell wird eine dritte Spur eröffnet, man hat ja mittlerweile Routine, und es geht dort zügiger voran bis kurz vor den Tunneleingang. Drängeln ist angesagt und schwupps, sind wir wieder in der Schlange. Kurz vor uns die Polizei! Das ist ja praktisch. Die kommen bestimmt gut durch und wir hängen hinten dran. Weit gefehlt! Denn kaum ist der Grund des Staus, ein Unfall auf der Überholspur mitten im Tunnel, sichtbar, drängeln die von drüben zu uns rüber. Und dabei wird auch die Polizei nicht verschont! LKW, PKW, laut hupend, auf unsere Spur schneidend, nicht nur einmal wird das Polizeiauto vor uns, teils mit fast schon brachialer Gewalt, genötigt ein Fahrzeug von der anderen Spur vor sich einscheren zu lassen! Kümmert die beiden Männer in Uniform aber irgendwie überhaupt nicht! Genauso wie der Unfall! Kaum dort angekommen biegen sie nicht etwa ein um diesen aufzunehmen, zu helfen oder nur den Verkehr zu regeln, NEIN, hoch erfreut über die wiedergewonnene Mobilität treten sie munter aufs Gas und sind entschwunden!!!
Unglaublich, unvorstellbar, unbegreifbar! Bei einem Unfall in einem Tunnel fährt die Polizei einfach weiter! „Not our business!“ Die Kollegen, welche auch immer, werden sich schon drum kümmern!
Unsere Hoffnungen jetzt auch flott voran zu kommen lösen sich alsbald in Luft auf. Auf Lanzhous Straßen ist um die Uhrzeit der Teufel los, und wir müssen einmal quer durch. Unser Hotel ist direkt am Bahnhof, und der ist wiederrum auf der anderen Seite des Tals. Also runter von der Autobahn, einmal über den Gelben Fluss und ab ins Getümmel. Im Stopp and Go mit heftigster Beschallung geht es vorwärts und wir nähern uns unserem Ziel. Gleich am Bahnhof die letzte Kreuzung. Hier sollte irgendwo unser Hotel liegen oder besser gesagt stehen. Ist nur schwierig zu verorten, denn die Markierung auf der Karte zeigt es halb auf der Bahnhofskreuzung, halb auf dem Bahnhofsvorplatz, irgendwie. Grobe Tendenz nach links, also links abbiegen! *aaaaaaah* Wir blicken in eine Reihe weißer Lichter, die sprungbereit lauer und wie auf Kommando auf uns zuschießen! LINKS IST EINE EINBAHNSTRASSE!!!
Unbarmherzig fällt die Meute über uns her, was bleibt ist die Flucht auf die Busspur am Bahnhofsvorplatz. Wildes Gehupe aller Orten, man ist mit unserem Manöver eindeutig nicht einverstanden! Also schnell gedreht, in den Verkehr eingeordnet und upps, wir blicken schon wieder frontal in zwei Scheinwerfer, große Scheinwerfer! Nämlich die eines Linienbusses. Doch diesmal hat unser Fahrer nichts falsch gemacht. Die gute Dame hinterm Steuer fährt eindeutig auf unserer Spur. Ja sie fährt, denn die Tatsache, dass wir Stoßstange an Stoßstange mit ihr stehen, hindert sie nicht daran zu drängeln. Also Rückwärts ein Stück ins Gewühle, schnelle Ausweichbewegung und weg. Zum Dank, dass wir unsere Spur so bereitwillig geräumt haben gibt es nicht etwa einen Gruß, nein, ein ärgerliches Hupen nach dem Motto „das geht aber auch schneller“.
Wir müssen drehen, denn wie gesagt, laut Karte liegt das Hotel linkerhand der Kreuzung, also hinter uns. Da dort Einbahnstraße ist, müssen wir um den Block. Sprich ab ins Quartier, zweimal rechts und parallel zurück. Doofe Idee! Unversehens sind wir in einer schmalen Seitenstraße, links und rechts verranzte Nudelbuden mit Tischen davor, und Gegenverkehr, obwohl Einbahnstraße, gibt es in Form von Rollern auch. Es ist so eng, dass wir fast die Essstäbchen der an den Tischen speisenden streifen und ich mühelos die Reiskörner in den einzelnen Gerichten zählen kann. Sicher nicht angenehm zum Fahren und ich bin froh dass ich nicht vorne links sitzen muss. Immerhin kann ich mir die ganzen erstaunten, verblüfften Gesichter in aller Ruhe anschauen! *grins* Ihr wisst schon, Alf, Melmac und so!
Und etwas anderes kann ich beobachten. Überall auf dem Gehsteig knien Menschen, die kleine Papierhäufchen verbrennen oder verbrennen lassen. Die Mienen der Leute und ihre Haltung deuten darauf hin, dass es sich dabei um einen rituellen Brauch handelt. Wirklich alle paar Meter brennen so kleine Feuerchen!
Endlich sind wir mit unserer Blockumrundung fertig, nähern uns der eingezeichneten Position. Doch erhellendes bringt das nicht zu Tage. Kein Hotel, einzig ein ausgebrannter Gebäudeturm, der wohl mal ein Hotel gewesen sein könnte und dessen Fassade rechte Ähnlichkeit mit dem Bild auf unserer Buchungsbestätigung hat! *schluck*
Wir suchen weiter und entschließen uns, in dem Hotel was wir gerade auf der anderen Seite der Kreuzung gesehen hatten, zu fragen. Problem nur, wir müssen wieder über diese Kreuzung. Und hier tobt weiter das Chaos. Zwar gibt es Ampeln, aber in dem Durcheinander wird die Kreuzung nie geräumt. Mit dem Erfolg, dass die einen noch nicht weg sind, wenn die anderen bereits wieder hereindrängen. Und bei der Kreativität des Findens neuer Fahrspuren sind die Chinesen ja unübertroffen. Traffic jam!
So stecken auch wir binnen kurzem im Gewühle fest und es kommt wie es kommen muss *rums* Fast hatten wir es geschafft, da meinte ein entgegenkommender Rollerfahrer sich noch durch eine kleine Lücke rechts von uns durchdrücken zu müssen. Unsere Tür und sein Knie gingen daraufhin eine kurze Verbindung ein, alles aber gottlob ohne bleibende Schäden, wie die spätere Kontrolle unserer Tür ergibt. Und da auch der Rollerfahrer nach Austausch böser Blicke unverzüglich weitergefahren ist, hat sein Knie den Aufschlag wohl auch ohne größeren Blessuren überstanden.
Jetzt nach dem Schreck aber erstmal geparkt, gleich um die Ecke gibt’s einen Stellplatz, und im Hotel gefragt, ob man uns weiterhelfen kann. Dort an der Rezeption dann die Überraschung: Das Hotel heißt zwar laut Außenbeschriftung ganz anders als das gebuchte und sieht auch nicht so aus, aber ja, man wäre es trotzdem. Reservierung ist da, bitte hier ausfüllen, dort bezahlen, dahinten am Hof parken, alles wird gut.
Auch das ich mein tablet auf dem Tresen der Rezeption habe liegen lassen. Denn kaum machen wir uns auf dem Weg etwas essbares zu suchen, läuft mir eine der jungen Damen winkend nach um mir das Teil mit einem freundlichen Lächeln zu übergeben. Ich hatte den Verlust noch nicht mal bemerkt. Ob wir allerdings unser Auto morgen vom Hotelparkplatz wieder herunter bekommen, dass bezweifeln wir doch stark. Nach dem einchecken hatten wir es von der Straße in den Hinterhof umgestellt. Und dort sind nun bei ungefähr 40 Stellplätzen ca. 100 Autos geparkt. Manche so, dass sie den Hof erst wieder verlassen können, wenn das Beamen erfunden worden ist.
Für uns steht der letzte Akt des Tages an: Essen suchen! Und diese Herausforderung ist auch nicht ohne, denn mittlerweile haben wir die magischen 21.00 Uhr überschritten. Die Nudelbuden in der nächsten Querstraße dürften zwischenzeitlich auch schon alle geschlossen haben. Zudem trauen wir unseren Verdauungsorganen nicht unbedingt eine direkte Konfrontation mit den dort angebotenen Speisen zu, mit ihren ganzen gewollten und ungewollten Zutaten.
Also was bleibt, nach einmal die Straße rauf und wieder runter? KFC im Bahnhof! *würg* Demütig, naja etwas rummaulen muss sein, ergebe ich mich dem Schicksal und stelle mich an. Es herrscht leichte Konfusion hinterm Counter und uns wird mitgeteilt, es würde gut 30 min. dauern, bis unser Essen bzw. die essensähnlichen Erzeugnisse die in Pappschachteln präsentiert werden fertig sind. Na nu, was hilfts. Wir setzen uns nieder, besprechen den morgigen Tag und lassen ansonsten die Kultur dieses fremden Landes auf uns wirken. Neben uns ein junger Gamer, der sich hektisch mit seinem tablet beschäftigend und dabei immer wieder genauso hektisch undefinierbare Hähnchenteile und inzwischen kalte Pommes zwischen die mahlenden Zähne schiebt. Auf der anderen Seite eine junge Mutter, deren Kleinkind gerade die Milchtüte zu Boden befördert, was nur zur Folge hat, dass die ganze Familie nun in einer großen weißen Pfütze seelenruhig weiter isst, und vor uns die bekannte klebrige Tischplatte, die verhindert, dass einem beim Burger essen die Ellbogen abrutschen. Alles zusammen untermalt von einer Geräuschkulisse, die das Tragen von Ohrenstöpseln ratsam erscheinen lassen würde. Mit einem Wort: China eben! Schön!
Draußen vor dem Gebäude gibt’s dann noch eine ungewollte körperliche Verbrüderung mit einem Ortsansässigen, der aber wohl eher bei seiner Umarmung nicht an Völkerverständigung, sondern mehr an meinen Geldbeutel gedacht hat. Während ich noch damit beschäftigt bin dieses tet-a-tet auf etwas robuste Art zu lösen, nutzen die anderen beiden die Gunst des Augenblicks und entziehen sich ähnlicher Gefahren.
Noch Getränke kaufen, dann ab ins Hotel. Dort verhängen David und ich noch das kleine Fenster im Bad, gleich hinter der Toilette. Standardmäßig ohne Rollo bietet es vom Zimmer aus intime Einblicke auf die wir dann doch sehr gut verzichten können. Noch etwas Buchführung, sprich Lokdaten und Orte ins Büchlein eintragen und ab in die Falle!
Ein letzter Blick aus dem Fenster von Nil. Mittlerweile hat sich der Verkehr auf der Kreuzung und dem Vorplatz schon etwas beruhigt und entzerrt.
Programm für den morgigen Tag:
Erstmal soll es für einige Bilder raus gehen an die Umgehungsstrecke und dann ab nach Baiyin! Der Dampf ruft! Vor allem der Personenzug. Aber vielleicht ist ja auch noch der ein oder andere Güterverkehr geboten. Und da gibt es ja auch noch die Dieselstrecke der Staatsbahn zu erkunden. Genug zu entdecken also!