Unterwegs mit den Herren Bei Ho Thsai und He Fu Bao - Teil 12

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Samstag, 29.08.2015

Wer den Weckton in mein Handy gebaut hat, gehört sich nachträglich noch gewürgt. Oder zumindest mit dem elektronischen Düdeln ein paar Stunden lang quälend beschallt. Schwer hieve ich mich aus dem Bett und in die Dusche. Erste Empfindung: Dem Magen geht’s trotz erneuter KFC Attacke gut! Ich bin stolz auf ihn.




Einige Zimmer weiter hat sich Nil von der Sonne wecken lassen.





Nach dem wässern, anziehen und Ausrüstung packen werfe ich auch mal einen Blick aus dem Fenster gen Bahnhof. Mal schauen ob man bei Licht etwas sieht?




Irgendwie stehen uns beim Bahnhofsblick immer Häuser im Weg. So lassen sich auch hier nur Dächer und ein bisschen Fensterband sichten.






China wächst! Vornehmlich in den Himmel. Typisch für alle Städte die wir auf unserer Tour besucht haben sind die vielen neuen Wohnhochhäuser die überall aus dem Boden schießen und das Bild prägen.





Scheint wieder ein schöner Tag zu werden! Blauer Himmel, etwas Dunst und es ist schon viehisch warm. Und! Heute steht tatsächlich Dampf auf dem Programm. Hätte mir vor der Reise jemand erzählt, dass Nil mal mit auf "Dampflok-Tour" geht, ich hätte ihn schlichtweg für verrückt erklärt! *grins*

Aber erst einmal raus an die Umfahrung. Oben am Hang angelegt, bietet sie einen schönen Blick auf den Gelben Fluss und das Stadtzentrum von Lanzhou. Nil hat einen Schnellzug von Baiyin her aus dem Fahrplan gefummelt, der geschätzt ca. halb zehn dort oben vorbei kommen sollte. Und da wir ihn nicht verpassen möchten und wissen, wie unser Auto zugeparkt ist und wie der Verkehr in Chinas Städten sein kann, wollen wir uns sputen und los.




Ja wo ist denn schon wieder der Fahrer??? Während Chef-Navigator David brav zum morgendlichen Betriebssport angetreten ist, drück sich der Fahrer mal wieder mit fadenscheinigen Ausflüchten vor der angesetzten Stählung des Volkskörpers. Dem Obersten des Parteikaders, Herrn Bei Ho Thsai, bleibt dies natürlich nicht verborgen!





Das Auto ist relativ schnell und überraschend unkompliziert befreit, die „Ausfahrtformalitäten“ werden auch zügig erledigt und verkehrsmäßig ist es deutlich entspannter wie gestern Abend, für chinesische Verhältnisse wenigstens. Gemäß Chefnavigator David Weisungen kurve ich durch die Stadt und über den Fluss, noch zwei Ecken und wir landen auf einem Schotter- und Schlammweg. Also, dass wir uns nicht falsch verstehen, wir sind immer noch in der 3 Millionenstadt Lanzhou und auch noch nicht auf einer Nebenstraße. Nein, dicht an dicht schieben sich die Autokolonnen hin und her. Dass man die Staubpiste wässert ist ja vom Grundsatz her schon eine gute Idee......aber sie damit in eine Matschpiste zu verwandeln wohl eher nicht. Manch der großen trüben Pfützen, oder sollte ich lieber Schlammpfuhle schreiben, erwecken den Eindruck, als könne man ganze Autos darin versenken. Und wer weiß, vielleicht stehen ja auch schon einige drinnen.

Von der „Hauptstraße“ abgebogen, führen zweifelhafte Straßen weiter nach oben. Oft stehen wir vor der Entscheidung: Hofeinfahrt oder doch weiterführender Weg? Das einzige was hier hilft ist die bewährte Luftbildüberwachung. Ein Hoch auf die moderne Technik! Hier mit Karten navigieren, auf Papier und im Maßstab 1:350.000, wenn es so etwas überhaupt gab…. Viel Spaß! Kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wie man damals zurechtgekommen ist. Aber irgendwie ging es auch, vielleicht langsamer und ungenauer, dafür aber noch eine Spur „kreativer“. Uns führen die neuen elektronischen Möglichkeiten im hier uns jetzt aber mit wenigen Korrekturen schnell und gut durch das Gewirr von Häusern, Hinterhöfen und Wegen. So landen wir unter der auf einer Brücke, wo auch sonst in China, laufende Umgehungsbahn. Auto im Schatten geparkt, ganz praktisch das, und von dort an per Beine noch weiter den Hang hoch. Bei jedem Schritt staubt es dabei auf. Feiner, hellgraubrauner Sand. Man fühlt sich an die Atacama erinnert.

Von oben dann der Ausblick auf Stadt und Strecke. Fehlt nur noch der Zug. Der erste kommt von hinten, gezogen von einer SS7E. Verleitet mit seiner schönen rot-weiße Wagengarnitur doch geradezu zu einem Nachschuss, oder?




Da die Strecke in Richtung Baiyin, sowie ein Teil der Umfahrung von Lanzhou, eingleisig sind, muss SS7E 0077 mit ihrem Schnellzug nach Norden oberhalb der Stadt in die Ausweiche um für den kreuzenden K9663 Platz zu machen.





Wie überall in China wird auch hier kräftig gebaut und erweitert. So auch die Route aus dem Bahnhof heraus und hoch auf die Umgehungsbahn. Und da die Kurve über das Tal noch eingleisig ist, hängt hier am vordersten, noch nicht angeschlossenen Gleis auch keine Strippe.

Mittlerweile steht der Schnellzug von eben in der Ausweiche. Also Zugverkehr aus der richtigen Richtung! Und was da vorne dran um die Kurve biegt lässt meinen Puls etwas schneller gehen. Ganz klar die Front einer SS7C. Bingo! Schnell gedreht......NEIN.....diesmal weit und breit keine Wolke die das Foto stören könnte. Jetzt nur beim abdrücken nichts falsch machen. *grins*




Mit dem morgendlichen K9663 rollt SS7C 0113 über die Umgehungsbahn in Richtung Lanzhou. Im Hintergrund als Kulisse die modernen Wohnhochhäuser der Stadt und der Gelbe Fluss.





Prima, so kann der Tag beginnen! Mal wieder etwas anderes vor die Linse bekommen, als die allgegenwärtigen HXD1.1 und SS7E. Da freut sich doch der Baureihensammler! Und diesmal sogar mit vollem Licht!

Während wir auf die nächsten Zugleistungen warten, die beiden anderen eine Terrasse weiter unten, ich ganz oben auf der Stützmauer, lasse ich so meinen Blick über das Tal und die Hänge streifen.




Ist schon eigenartig diese Landschaft hier. Sieht aus wie Wüste, doch kippt man ein bisschen Wasser hin, wird alles sofort üppig grün.





Überall an den Hängen hat man diese Terrassen um darauf Bäumchen und teilweise Gemüse zu platzen. Ersteres macht sicherlich in Sachen Geländeschutz Sinn. Die Vorstellung was hier bei diesem sandigen Untergrund passiert wenn mal ein außergewöhnliches Unwetter mit heftigen Niederschlägen tobt, lässt mich schon etwas Gänsehaut bekommen.

Nun aber wieder der Eisenbahn gewidmet, denn da beginnt es hinten zu bläuen, zu wäschebläuen genauer gesagt. Farbton und Silhouette lassen keinen Zweifel, oder keine Hoffnung, aufkommen, was das auf uns zu rollt.




HXD 11226 schleppt einen langen Güterzug in Richtung Osten.





Nach einem weiterem Güterzug, diesmal HXD 11100 mit einer Schlange Container, blasen wir zum Aufbruch. Keinen Moment zu früh, denn Mr. Hong nähert sich meiner Position. Sein Blick hat etwas mürrisches. Ob es jetzt der allgemeine „ich sehe Ausländer Blick“ ist oder die Missbilligung dass ich auf der gemauerten Umrandung einer Pflanzfläche stehe, ich will es gar nicht genauer eruieren. Darum setze ich mich Hang abwärts zu den beiden anderen auf die untere Terrasse ab. Die packen auch schon zusammen, denn schließlich soll es heute nach Baiyin gehen. Allgemeiner Rundguck mit anschließender Dampfloksession. Die Frage ist nur: wie??? Unter uns hat sich auf der Autobahn ein Stau aufgebaut und auf eine Fahrt über die Hoppelpiste von eben haben wir auch keine so rechte Lust. Also ab in die andere Richtung, durchs "Quartier" wie die Mitreisenden sagen. Auf gerade mal ein Auto breiten und grob betonierten Wegen geht‘s entlang von Hausmauern, Ecken und dem Abgrund hinunter in Richtung Gelber Fluss. Zumindest solange, bis vor uns zwei Autos die Straße blockieren. Mit den dazugehörigen Menschen und einigen Anwohnern die diskutierend und gestikulierend daneben stehen. Auffahrunfall! Aber so heftig, dass die Airbags alle offen sind und der Vorderbau des auffahrenden alles andere als gesund aussieht. Auf die Seite gehen oder fahren? Nööö! Man winkt uns ganz freundlich über einen Stapel Eisenrohre und Baustahl. Das geht schon! Gut! Hoffentlich gehen nicht wir gleich, weil die Reifen die Tortur nicht ausgehalten haben. Sie halten und wir kurven weiter dem Flussübergang entgegen.

Dann die Ernüchterung! Die Hängebrücke über die wir den Gelben Fluss überqueren wollten ist gesperrt und in Reparatur. Dem Aussehen nach ist das auch dringend nötig. In die Richtung geht also nichts, heißt die ganze Schose wieder zurück und rein in den Innenstadtverkehr. Und dort angekommen geht es wieder einmal nur zentimeterweise und mit viel hupen vorwärts. Vorbei an wartenden Passanten, entlang eines Straßenmarktes auf dem, neben vielen anderen Dingen auch eine große, eine sehr große Zahl kleiner flauschiger Hunde angeboten werden, und es steht zu befürchten, dass so eine Maße nicht nur zum Streicheln und lieb haben veräußert werden soll.

Es dauert ewig und eine chinesisch gelöste Stauumfahrung vor einer Ampel, bis wir endlich den Autobahnanfang erreichen. Doch auch da keine Besserung. Ein Stau folgt auf den nächsten und davor immer wieder das gleiche Spiel. Wild die Fahrspur hin und her wechselnde Chinesen, von denen jeder aus tiefster Seele davon überzeugt ist, nun schneller vorwärts zu kommen. Krönung ist die Abzweigung auf die Autobahn gen Norden. Einspurig, weil in eine Baustelle mündend, stauen sich gleich fünf wilde Reihen um auf diese eine Spur zu wechseln! Denn, wie schon gesagt, jeder meint er sei schlauer als die anderen, indem er nur an den bestehenden Schlangen vorbei fährt um sich anschließend ganz vorne rein zu drängeln. Ergebnis: Es geht gar nichts mehr, da sich die einzelnen Spuren nur mühsam auf eine zusammen frimeln. Dabei wird auch noch der letzte Meter der Sperrfläche zwischen weiterführender und abzweigender Autobahn genutzt. Zur Krönung, weil man seine Landsleute ja kennt, steht 400 m weiter ein Bauarbeiter auf der gesperrten Fahrbahn, nur um die, die meinen hier alle überholen zu können, wieder in die offene Spur zurück zu jagen! Man steht also unter wildem Gehupe wieder.

Wenig später haben wir aber auch diesen Pfropf erfolgreich überwunden, und wenn man die Anzahl der Fahrzeuge auf der Autobahn sieht, fragt man sich jedes Mal, wie die Staus zusammen kommen. Der Verkehr ist nämlich sehr überschaubar. Diesmal fahren wir nicht über Gaolan, sondern nehmen die Ausfahrt Baiyin East. Von da an dürfte, sollte es nicht mehr weit sein bis zur Kreuzungsstelle von Minen- und Staatsbahn. Ein guter Fleck um sich bis zum Personenzug nach Shenbutong etwas Überblick zu verschaffen bzw. vielleicht noch ein Bild mitzunehmen.

Das mit dem "schnell erreichbar sein" erweist sich aber einmal mehr als bloße Theorie. Denn alles was man nur irgendwie aufreissen und zu Staub verarbeiten kann, wird im China dieser Tage auch aufgerissen und zu Staub verwandelt. Da wo wir laut Plan abbiegen müssten ist eine Baustelle, an der nächsten Möglichkeit danach auch, und so weiter und so fort. Neben den industriell bedingten Partikeln in der Luft, hängt über Baiyin auch noch die Staubglocke der ganzen Baustellen. Ehe wir es uns versehen, sind wir mitten in der Stadt gelandet. Also versuchen wir es hinten herum. Mit dem Erfolg, dass wir zwischen LKWs auf einer breiten Staubpiste dahin rumpeln, die irgendwann sicher mal eine vorzeigbare Promenade wird. Links und rechts schießen neue Wohnhochhäuser in den Himmel. Baiyin wächst, unsere Ungeduld auch. Es ist jetzt schon Nachmittag und wir sind ewig unterwegs.

Doch da! Die erste Dampflok-Sichtung! In einem Anschluss steht Tender voran eine SY vor einem Kesselzug und dampft friedlich vor sich hin. Leider unfotografierbar, aber immerhin die Erkenntnis bringend: Es gibt also noch Dampf in Baiyin. Das lässt für den Personenzug hoffen. Nun haben wir auch wieder Straßenbelag unter den Reifen, naja, mehr oder weniger zumindest. Nicht mehr lange und wir stehen gut geschüttelt, aber wenig gerührt auf unserem Feldherrnhügel nahe der Streckenkreuzung. Industrielandschaft pur.



Auf dem Weg zum Fotohügel kommt man an mehreren dieser Gedenk- oder gar Grabstellen vorbei. Was es im einzelnen ist, konnten wir nicht klären. Ein beschauliches Fleckchen Erde für die letzte, ewige Ruhe sieht aber sicherlich anders aus, als diese Abraumhalde.





Die Sonne knallt unerbittlich auf unsere Köpfe. Wie auf dem Präsentierteller stehen wir auf dem Erdhügel und sehnen uns im Moment nach nichts mehr, wie nach einem Bäumchen. Wenn uns das Thermometer gerade nicht angelogen hat, haben wir schon wieder knapp 40°C. Aber der geländeerprobte Eisenbahnfotograf hält sowas ja klaglos aus. Wenigstens einige davon. *grins* Dürfte nur noch was kommen. Tut es auch. Weiter hinten rangiert eine rot-beige Diesellok in einem Anschluss und kurz danach stampft vernehmlich eine weitere SY mit einem Zug von Süden her kommend vorbei. Leider alles gegen das Licht und viel zu weit weg um es auf den Chip bannen zu können. Also, schauen, hören und genießen.

Dann endlich Kundschaft für uns. Erst leise, dann immer lauter dröhnend kommt ein Kohlezug mit einer DF8D heran.




Hörbar schwer tut sich DF8B 5077 damit, einen schweren Kohlezug nach Baiyin zu bringen. Kurz vor der Ortsgrenze kreuzt sie dabei die Minenbahn in Richtung Shenbutong.





Haben schon eine mächtige Stimme, die Loks der ab 1997 in einer Stückzahl von knapp über 1.000 Exemplaren gebauten Baureihe. Vorrangig werden sie auf Grund ihrer Leistung und der Höchstgeschwindigkeit im Güterzugdienst eingesetzt. Hier in der Region beherrschen sie die Staatsbahnlinie in Richtung Pingchuan, auf der sie vor einigen Jahren die DF4 abgelöst haben.

Das hat ja gepasst. Nach dem ganzen Geöddel auf der Herfahrt hatte ich ja schon fast nicht an so eine Punktlandung geglaubt. Erst recht nicht, da wir ja nicht wussten wieviel auf dieser Strecke rollt. Jetzt können wir wieder abrücken und uns einen Platz für den Personenzug der Minenbahn suchen. Zwar gibt es überall im Netz zu lesen, dass der nur in den kalten Monaten mit Dampf fährt, aber wer weiß! Die Dieselstrecke ist dann morgen dran. Evtl. mit etwas Industriedampf eingestreut.......mal sehen.

Läuft die Straße die ersten Kilometer noch durch flaches Gelände neben der Bahn her, allerdings meist durch eine Busch- und Baumreihe von dieser getrennt, wird es kurz hinter einem Bahnübergang schnell steil links und rechts der Bahn. Man ist mitten in den Lösshügeln. Wer nun weiter will, muss durch einen Kontrollposten, an dem aber bei der Hinfahrt niemand was von uns wollte. Anschließend heißt es Auto abstellen und klettern. Denn die beiden Stellen, wo die Bahn ins Licht dreht, sind nur gut zu erwischen wenn man hoch hinaus will......und kann! Und da liegt bekanntlich ja mein Problem! Schlecht in so einem Gelände, noch schlechter wenn man mit zwei trittsicheren Schweizern unterwegs ist. Während die schon oben am Berg stehen, irre ich noch unten herum in der Hoffnung eine Alternative zu finden oder einen flacheren Aufstieg. Fürs erste vergeblich und so nützt es mir nichts, dass sich der Güterzug zu den Minen mit lauten Wummern ankündigt. Für mehr als einen halbherzigen Querschuss reicht‘s nicht. Ist halt so! Und man kann‘s ja immer noch als Lokporträt verkaufen.




Einmal DF7G 5183 der Baiyin Nonferrous Metals Corporation mit einem Leerzug in Richtung Mine aus der Froschposition…..






…..und einmal aufgenommen von David aus der Sicht des Adlers.





Hm, aber für den Personenzug, evtl. ja mit Dampflok sollte ich mir schon etwas anderes einfallen lassen. Da taucht Nil oben am Grad auf, gestikuliert und ruft herunter, hinten rum gäbe es einen Anstieg und der sei flach. Gut, flach und flach ist jetzt reine Definitionssache. Aber man kann‘s ja mal versuchen. Also los marschiert und siehe da, es geht zwar ordentlich aber überschaubar nach oben. Langsam schöpfe ich Hoffnung auf ein Panoramabild, doch so richtig glauben kann ich es nicht. Und was soll ich sagen, nach langen Minuten schweißtreibenden Anstiegs stehe ich fast unter der Bergspitze. Doch da geht nichts mehr weiter. Einfach zu steil. Da ist Ende für mich und meine Nerven. Was jetzt? Nil versucht mich zu ermuntern, meint aber auch, wenn ich hier nicht rauf ginge wo sie sitzen, wäre der eigentliche Fotostandort draußen auf dem Grad wohl erst recht nichts für mich! Wie Recht er doch hat. Also wieder runter, nachdem ich geschaut habe, dass es für die Rückfahrten geht, und unten etwas gesucht. Hat ja auch sein Gutes. Schließlich hat man da mal die Lok groß drauf. Man muss sich halt die Sache einfach nur schön reden. *grins * Ich grabe mir soweit es geht einen Steg hinaus in den Hang und warte dort mit gespitzten Ohren. Und wirklich, mit leisem sch.sch.sch.sch.... kündigt sich der Personenzug an. Tatsächlich Dampf geführt!




Ob man jetzt aktuell Diesel sparen muss oder für diese einfache Leistung keine Diesellok hernehmen will oder vielleicht alle in Frage kommenden Maschinen defekt sind...... Uns ist es egal!




Einige Zeit vorher war ihr Hecheln schon zu hören. Nun schiebt sich SY 1583 mit ihrem Personenzug langsam um die Kurve und in den Einschnitt hinein. Ins Auge fallen bei diesem Blickwinkel auch gleich die auf dieser Linie verlegten extrem kurzen Schienenstücke.






In ihrer ganzen Pracht klappert die Maschine vorbei in Richtung Shenbutong.





David sah die ganze Sache so.





Übrigens hatte sich die Zugfahrt auf eine Art und Weise angekündigt, die für den Eisenbahnfreund alles andere als erfreulich ist. Minuten bevor man den Dampfzug gehört hat, bewegte sich eine lange Schlange Privatautos und Busse in Richtung Mine. Dafür war der Personenzug so gut wie leer! O weh, o weh, o weh.

Wie lange wird es dauern und das Zugpaar wird mangels Bedarf eingestellt? SY-Freunde sollten sich also beeilen. Aber wenn auch der Personenzug als Leistung wackeln dürfte, aktuell scheint im Güterverkehr immerhin noch ordentlich Dampfbetrieb zu sein, waren doch an diesem Tag mindestens drei Maschinen eingesetzt.

So, ich schnüre nun wieder mein Bündel und mache mich auf den Aufstieg "take two". Ist aber auch nicht weniger anstrengend als der erste Versuch. Mittlerweile haben sich auch Nil und David von ihrer Bergspitze herunter begeben und lagern malerisch im kärglichen Schatten eines Strommastens, denn die Sonne brennt tierisch, auch wenn immer wieder leichteres Gewölk vor ihr herum wabert. Nun ist die Frage, wie lange dauert es bis der Personenzug wieder zurück kommt und hält bis dahin das Licht. Ob die Hofhunde vom Bauernhof gegenüber, die die ganze Zeit das kleine Tal beschallen, uns die Antwort auf diese Frage bellen oder nur ihre Stimmbänder trainieren wollen, blieb ungeklärt. Träge kriecht die Zeit dahin und uns geht langsam der Gesprächsstoff aus.




DF7G 5183 kommt mit einer Reihe beladenen Güterwagen wieder zurück, um diese nach Baiyin zu bringen.







Was immer auch auf diesem Bauernhof gehalten oder angebaut wird, die Hund beschützen es lautstark.






Endlich, nach gefühlten Stunden des Wartens lässt sich auch SY 1583 vernehmen. Tender voraus tritt sie die Rückfahrt an. Der arme Lokführer, der sich jetzt 20 km lang verbiegen muss.






Auch die, leider nur wieder dürftig gefüllten, alten Reisezugwagen sind mir ein paar Bilder wert. Gleich hinter der Lok läuft YZ22 020.





So, was jetzt? Hier auf einen zweiten Güterzug zur Mine zu warten ist wohl sinnlos. Vorne in die staubige Stadt stürzen und dort herumgeistern? Nö, auch nicht. Also mal ein bisschen die Dieselstrecke der Staatsbahn ab- und dem anstehenden Personenzug entgegen fahren. Vielleicht geht ja noch ein Bild heute. Und nebenbei gleich mal wieder Stellenguck für Morgen. Ein guter Plan!

Aber erstmal klappt‘s nicht mit dem Fahren! Kaum ist der bereits erwähnte Kontrollpunkt in Sicht, erhebt sich der vorher träge dort lümmelnde Beamte und schreitet zur Tat, sprich er hält uns an. Nil öffnet die Tür und eine der üblichen chinesisch-deutschen Kommunikationen entsteht. Redeschwall auf Chinesisch gegen bedauerndes Schulterzucken und hervorgebrachter Beichte, dass wir diese Sprache nicht können, auf Deutsch. Beide Parteien schenken sich nichts bei dem Spiel. Derweil nähert sich von links ein Kollege. Durch Zeichen gibt er mir zu verstehen, man würde gerne bei uns in den Kofferraum schauen!?!? Na gut, wenn er will. Ich steige aus, während der Kollege rechts am Auto Nil wieder in den Wagen scheucht, da der bereits Anstalten gemacht hat, das Fahrzeug ebenfalls zu verlassen. Ah verstehe, zwei gegen einen *grins* . Ich öffne den Kofferraum und die beiden sehen ...... Koffer! Ich weiß nicht was sie erwartet haben? Berge von Erz, Abraum oder so? Eine geklaute Dampflok? Etwas ratlos fingert einer der beiden an unserem Reisegepäck herum, bis ich ihm durch ziehen an meinem T-Shirt und deuten auf die Koffer klar mache: Da sind nur unsere dreckigen Socken drin! Interesse? Er beginnt zu verstehen, zieht nun seinerseits an seinem Uniformhemd, sagt was auf Chinesisch und deutet ebenfalls auf die Koffer. Ich nicke und plötzlich sind alle zufrieden und wir dürfen weiterfahren. Klappt doch mit der Völkerverständigung.

Nun steht uns die zweite Durchfahrt in Richtung Hauptstraße bevor. Kurz erliegen wir dem Glauben, dass es da doch noch einen besseren Weg geben muss, bei dem LKW-Verkehr, besinnen uns aber schnell, dass wir hier in China wären und somit eine Straße im eigentlichen Sinn nicht zwanghaft notwendig wäre um Schwerverkehr abzuwickeln. So ist es denn dann auch und wir hoppeln, eingehüllt in einer riesigen Staubwolke und eingebunden in einer schleichenden Kolonne großer LKWs, die ausgeschilderte Umleitung entlang, die aussieht, als würde sie nirgendwo hin gehen. Doch klar landen wir nach gut 20 Minuten wieder auf der Hauptstraße. Ist ja alles geregelt in diesem Land, wenn auch anders als bei uns! Pragmatischer eben! *grins*

Ein kurzer Getränkestopp, ein entgegen kommender Kohlezug mit DF8B an der Spitze, viel Verkehr auf der Hauptstraße und verwaiste Haltestellen, das sind so die Höhepunkte auf unserer Fahrt entlang der Dieselstrecke der Staatsbahn, die von Baiyin gen Osten geht. Dort wollen wir uns morgen austoben, darum ist wie erwähnt heute Stellenguck angesagt. Und Personenzug fotografieren, was meine Kollegen in ihrer wohlgemeinten Begeisterung "da könnte man stehen" und "dort könnte man hinaufklettern" und "das sollte man sich noch anschauen" etwas zu vergessen scheinen. Erst mein entschiedenes "JETZT sollten wir uns mal für den Personenzug stellen" bringt uns an den Fahrbahnrand und in Position. Höchste Zeit, meiner Meinung nach. Wir haben nur einige wenige Ankunfts- und Abfahrtszeiten von diversen Zwischenstationen und die scheinen auch nicht ganz schlüssig. So bleiben naturgemäß Schätzungen von etwaigen Durchfahrtszeiten recht vage. Sprich, man sollte sich lieber früher stellen, als zu spät. Und wie Recht ich mit dieser Einschätzung habe zeigt sich dadurch, dass kurz nachdem wir uns raus gestellt haben auch schon ein Diesel durchs Tal dröhnt.




Keine Minute zu früh haben wir uns auf dem kleinen Sandhügel neben der Straße postiert. Mit kräftigem Blubbern kommt DF8B 5016 mit dem kurzen Lokalzug 7516 aus Richtung Jingyuan daher.





So Kinners, jetzt können wir auch in Ruhe weiter nach Stellen schauen, was wir dann auch tun. Bis zu einer Brücke über den Gelben Fluß bei Jingyuan. Seeeeehr fotogen, nur fast nicht umzusetzen. Man müsste ganz weit weg stehen. Schade das!

Mittlerweile ist es schon fast dunkel und wir machen uns auf den Weg zurück nach Baiyin, diesmal über die Autobahn. Geht ganz flott und so ist auch noch tanken drin. Man höre und staune! Wir sind ja durchaus lernfähig! Nil hat das Hotel über eine chinesische Seite gebucht und wir sind gespannt, was uns erwartet. Von außen her ein wau und auch der Eingangsbereich ist toll. Nur was uns die beiden jungen Damen hinterm Counter, erst in fließendem Chinesisch, dann mittels Gesten und eingeschalteten Übersetzern auf Computer und Handy mitteilen ist weniger berauschend! "Wir dürfen nicht an Ausländer vermieten!" Ja *grmbl* warum bietet ihr dann euer Hotel auf der Seite an, sogar auf Englisch! Und WARUM ist hier alles was hängt, steht oder blinkt nicht nur auf Chinesisch, sondern auch auf Englisch beschriftet????

Die beiden sind sehr bemüht und versuchen uns zu einem anderen Hotel zu lotsen. Gut so, denn es ist mittlerweile schon wieder 21.00 Uhr durch. Mit Essen gehen wird‘s also mal wieder nichts. Doch jetzt interessiert eigentlich erstmal nur das Nachtlager.

Wir bekommen wieder eine Wegbeschreibung auf Chinesisch ..... weniger hilfreich ...... dann per Zeichnung ...... im Prinzip schon hilfreich, wenn, ja wenn sich die beiden Mädels nicht uneins wären über die Strecke. Da wird von einer eine Skizze gezeichnet, die die andere wieder zerknüllt weil sie nicht stimmt, und so weiter. Auch über rechts und links scheint es Differenzen zu geben. An sich ja äußerst unterhaltsam und auch belustigend, wären wir nicht müde, verstaubt und hungrig. Am Ende bekommen wir einen Zettel mit der Adresse. Den sollen wir, so wird uns bedeutet, dem Taxifahrer geben mit dem wir gekommen sind! Neeeeiiiiin, wir sind selber mit dem Auto da! Ungläubig begleitet uns eins der Mädels hinaus und staunt verwundert als wir tatsächlich unseren Wagen aufsperren. Dann deutet sie uns nochmal die Richtung und wir sind auf dem Weg. David hat zwischenzeitlich das Hotel im Netz gefunden und die Adresse auf die Karte übertragen. Ist einfach die Straße runter! *grins* Und dafür der ganze Aufwand.

Wir also wieder geparkt, raus aus dem Auto und rein in die erneut prunkvolle Hotelhalle. Und dort verfällt die junge Dame an der Rezeption bei unserem Erscheinen augenblicklich in absolute Panik. Entsetzt starrt sie uns an, liest mit geröteten Wangen unsere per Zettel gestellte Frage nach einem Zimmer und beginnt dann unter ausstoßen von Ausrufen und raufen der Haare Nummern auf ihrem Telefon zu wählen, nur um jeweils noch panischer zu werden, wenn sich beim gewählten Anschluss niemand meldet. Wir würden am liebsten wieder gehen, so peinlich ist es uns, dass wir die Gute so in die Verzweiflung treiben. Gleichzeitig ist es süß anzusehen. Als Nil ihr zwecks Kommunikation sein Handy hin hält, damit sie auf den Übersetzer spricht, ist es ganz vorbei. Sie weiß zwar was er will, traut sich aber nicht mehr zu sprechen.

Irgendwann eilt dann doch Verstärkung herbei, nur helfen können die mangels Sprachkenntnissen auch nur bedingt. Dafür nutzen sie den Übersetzer besser und wir erfahren dass, was wir eh schon geahnt haben: Keine Vermietung an Ausländer!

Was nun? Die Frage nach einem Hotel in Baiyin, wo wir als Nicht-Festlandchinesen unterkommen könnten bleibt unbeantwortet. So kommt schon langsam der verzweifelte Gedanke auf, zurück nach Lanzhou zu fahren und morgen wie ganzen Kilometer wieder hier herauf zu öddeln. Irgendwie doof, aber andererseits, der Mensch muss ja wo schlafen.

Während dieser ganzen Diskussion ist mir eine Idee gekommen. Ich hatte mal im Netz einen Bericht gelesen, in dem ein Hotel erwähnt war. Problem eins, ich muss dafür ins Internet. Wird mittels Übersetzer gelöst und wir bekommen Zugang zum Wlan. Problem zwei, ich muss zum Lesen des Berichts erstmal die gesamte Datei herunter laden, und die ist lang und groß. Und das Wlan ist langsam! *urgs* Alles nicht so schlimm, stünde man nicht nachts um kurz nach halb zehn in einer Hotelhalle zwischen lauter durcheinander redender Chinesen, die einen jetzt eigentlich nur wieder draußen haben wollen. Endlich ist der Bericht geladen. Und während David schon nach freien Zimmern in Lanzhou schaut, finde ich nach einigem Suchen endlich die Textstelle mit dem Hotel! Es gibt also hier eins in Baiyin, dass Ausländer beherbergen darf. Wieder die Adresse mittels Internet gecheckt, siehe da, es liegt auf derselben Straße, nur diesmal in der Gegenrichtung. Also rein ins Auto und nix wie hin. Auch dieses Hotel sieht toll aus und noch toller ist, dass keinem bei unserem Anblick die Schweißperlen auf der Stirn stehen, man auch beim Zücken unserer Pässe völlig ruhig bleibt und ja, man habe Zimmer für uns! Zwei an der Zahl, für zwei Nächte? Kein Problem. Eine Viertelstunde später stehen wir deutlich erleichtert in unseren tiptop Schlafgemächern und schnaufen durch. Hätte knapp werden können heute Nacht.

Die anderen beiden gehen kurz Einkaufen oder besser poschten. Suppe für heut Abend, Knabberzeug und Süßkram fürs Frühstück morgen und Getränke stehen am Zettel. Derweil erledige ich so das ein oder andere am Zimmer. Nun da sie zurück sind, wird Wasser gekocht und lecker Nudelsuppe aus dem Pappbecher gegessen. Und das „lecker“ meine ich durchaus ernst! Bin ich doch ein großer Fan dieser Nudelsuppen!




Es ist angerichtet!





Beim Schlürfen unseres Abendessens planen wir den morgigen Tag. Erstmal gleich in der Frühe die Genehmigung für die Minenbahn besorgen. Denn wenn wir schon hier nochmal auf Dampfpirsch gehen wollen, dann auch überall hin und ohne immer auf der Hut zu sein, ob irgendwo Security herum schleicht, der das evtl. nicht passt. Wir haben uns mittlerweile nämlich eingelesen und heraus bekommen, dass sich die hier komisch haben können, taucht man ohne dieses Schreiben an den Gleisen auf. Anschließend soll es raus an die Dieselstrecke gehen.

Suppe ist weg, Plan steht, dann mal gute Nacht!