Betrunkene Finnen und verregnete Trolle 7: Zwei Anfänger auf grosser Biketour...
Von Peter Hürzeler
Donnerstag 15.9.2016Kurz vor 7 ging heute der Wecker in unserer exquisiten Unterkunft. Draussen war es noch dunkel, aber man konnte sehen, dass das Wetter gut werden sollte. Pünktlich um halb acht standen wir beim Morgenbuffet. Nachdem wir uns dort gesättigt hatten, konnten wir auch noch Lunchpakete schnüren. Draussen fuhr derweil eine Green Cargo Re mit einem Containerzug durch. Wir liebäugelten gestern noch ein bisschen mit einem Foto des Zuges, angesichts der Sonnenstände taxierten wir das aber als schwierig. Die Situation heute bestätigte die Befürchtungen: der Zug ist für die Jahreszeit zu früh.
Viertel nach acht standen wir dann vor der Bikevermietung. Ärgerlicherweise öffnete die erst 15 Minuten später. So gab es für mich während der Warterei mal ein Foto des Finsevatnet in der aufgehenden Morgensonne.
Schon bald waren wir einige NOK leichter, dafür beide mit einem Mountain Bike ausgestattet. Wir beide absolute Wanderratten sassen jeweils seit etwa 10-15 Jahren nicht mehr auf einem Velo. Ob das gut geht.....
Egal, die Bikes waren gemietet, es gab kein zurück mehr. Voller Elan starteten wir unsere Biketour und fuhren entlang des Rallarvegen einmal entlang der alten Linie über den Pass auf die hintere Seite des Finsetunnel. Die ehemalige Strecke ist heute um die Fahrleitung und um die früheren Schneegalerien befreit. Von letzteren gab es zu aktiven Betriebszeiten einige. Gemäss älteren Karten war praktisch die komplette Strecke obendurch mit Schneegalerien verhüllt. Nach der Einstellung, respektive nach dem Ersatz der Strecke durch den neuen Finsetunnel konnte diese abgebaut werden.
Die Strecke dient seither für Schienenvelofahrten (zumindest bis vor einigen Jahren, ob das so heute noch geht weiss ich nicht). Wir fanden in der aufgehenden Morgensonne entlang des Rallarvegen viele nette Ecken zum fotografieren und bedauerten, dass da jetzt keine Di3 mit ein paar angehängten B3 Wagen als Motiv zur Verfügung standen.
Mit viel Ächzen und Mühen schafften wir beide absoluten Veloprofis dann auch die Steigung bis auf den Kulminationspunkt von 1343m um danach hinten runter fahren zu können. Der Weg war zeitweise aber so steinig, dass wir da freiwillig zu Fuss gingen. Die Frage steht unsererseits im Raum: Wie kann so etwas Spass machen? Wir waren auf alle Fälle froh, als wir kurz vor 10 beim westlichen Tunnelportal mit schmerzendem Füdli vom Velo steigen durften. Schon bald war nun der erste Regiontog nach Oslo fällig, welcher kurze Zeit später aus der Schneegalerie herausgefahren kam.
Voll an uns vorbei beschleunigend verschwand der Zug dann im Finsetunnel:
Kurz darauf folgte ein Güterzug mit zwei Cargonet El19 (Railpool 185ern). Der war schon gestern dem Regiontog gefolgt und verspätete so den Regiontog aus Oslo. Grund dafür ist eine verschobene Fahrlage des Güterzuges wegen der baubedingten Streckensperre zwischen Bergen und Voss. Dass der heute im Vergleich zu gestern aber zwei Loks drann hatte erstaunte uns etwas, nahmen wir aber dankend an.
Da das Licht für den nun anstehenden Regiontog nach Voss (Bergen) noch nicht so wirklich gut war, blieben wir gleich hier beim See und wollten einen Nachschuss mit Spiegelung machen. Zuvor überraschten uns aber noch zwei Robel von Jernbaneverket. Das Lokpersonal hatte sichtlich Freude an uns: Als wir erspäht wurden gab es ein Hupkonzert :).
Dann kam aber mit rund 20min Verspätung der Regiontog aus Oslo nach Voss durch.
Gemäss Tagesfahrplan kam nun ein Güterzug von Cargonet in Richtung Oslo vorbei. Wir kraxelten dazu auf einen angrenzenden Hügel hoch. Dann begann die Warterei. Rund anderthalb Stunden nach Plan kamen wir zur Erkenntnis, dass der wohl Ausfall hatte. Wie schon gestern nichts mit El16. Sonst schon wenige Züge und dann so etwas.
So war dann halt erst um 1300 der zweite Regiontog des Tages aus Oslo fällig, welcher auch recht pünktlich aus dem Finsetunnel geschossen kam:
Nun begann wieder die Warterei. Aufgrund Bauarbeiten zwischen Bergen und Voss war ein an sich vorhandener Güterzug als Ausfall vermeldet. So war die nächste Zugsleistung leider erst der Regiontog nach Oslo, welcher etwa 1430 durchzufahren hätte. Zwischenzeitlich zogen wieder die beiden Robel durch. Ich vertrieb mir die Zeit einerseits mit verdrücken des Lunchpaketes, andererseits mit etwas Landschaftsfotografie. Die Gegend ist einfach wunderschön:
Ein weiterer Robel anderer Bauart schob sich zwischenzeitlich auch noch ein paar Meter aus der Schneeschutzgalerie um kurz danach wieder darin zu verschwinden. Langsam aber sicher wurde es dann aber Zeit für den Regiontog. Zur Planzeit des Regiontog tat sich nichts. Für uns war das etwas ärgerlich, da aus der Gegenrichtung auch ein Güterzug in Anmarsch war. Mangels Internetverbindung konnten wir uns aber kein Bild der Situation machen und so hiess es warten und hoffen. Schlussendlich tauchte der Regiontog mit etwa 15min Verspätung auf. Die Spiegelung im See war nicht mehr optimal, da inzwischen etwas Wind aufgekommen war.
Sofort nach Durchfahrt des Zuges stiegen wir vom Hügel hinunter. Leider zu spät. Wie wir unten waren und zur geplanten Stelle verschieben wollten, schoss der Güterzug aus dem Finsetunnel. Für einen Notschuss reichte es mir gerade noch so, aber geplant war das so nun definitiv nicht. Ärgerlich sondergleichen. Da ist sonst schon wenig Verkehr und aus irgendwelchen nicht wirklich erklärbaren Gründen sind die Personenzüge dennoch dauernd verspätet, so dass es dann zu solchen für uns nachteiligen Kreuzungsverlegungen kommt. Eigentlich hätten die beiden Züge ja in Haugastøl kreuzen sollen. Jetzt haben sie den Abständen nach zu urteilen in Fagernut getan.
Etwas angesäuert machten wir uns nun auf den weiteren Weg. Wir schwangen uns wieder aufs Bike und fuhren weiter. Mit schmerzendem Füdli und immer schwerer werdenden Beinen kämpften wir uns km für km weiter in Richtung Myrdal. Auch wenn es nun meistens leicht bergab oder zumindest ebenwegs war, für uns beide war es anstrengend, doch da mussten wir durch. Die Strecke selber ist in dem Bereich nicht sehr fotogen. Rund um den Bahnhof von Hallingskeid reiht sich Tunnel an Schneetunnel. Nur an wenigen kurzen Streckenstücken ist die Bahn frei sichtbar. Am Ende des Klevavatn hatten wir aber eine weitere Stelle ausgemacht, an der wir den anstehenden Regiontog nach Bergen verartzten wollten. Leider konnten wir aber nicht wie gewünscht ans andere Ende des Brückenkopfes stehen. Es führte schlicht kein sichtbarer Weg dahin. Der Seeabfluss war zu tief und der Fluss riss zu fest als dass man dort durchgekommen wäre und ein queren der Bahnbrücke war angesichts der Situation schlicht eine hirnverbrannte Idee. So standen wir dann halt quer zur Brücke. Ein Zug nach Oslo wäre da wesentlich besser gewesen als einer von Oslo, aber wenns nichts anderes gibt muss man halt mit den Zügen arbeiten diees gibt. Ein abwarten der nächsten Leistung aus Bergen scheiterte daran, dass wir Hobbybiker dann noch bis Myrdal weiter fahren mussten und das war noch ein ziemlich weiter weg. Die knappe Stunde die uns da zur Verfügung gestanden hätte, hätte hinten und vorne nicht gereicht...
Der Regiontog war fast pünktlich als er bei uns durchzog.
Anschliessend ging es auf dem Bike weiter nach Myrdal. Immer dem Rallarvegen folgend ging es über Stock und Stein durch eine herrliche Landschaft gen Myrdal zu:
Kurz bevor wir Myrdal erreichten kreuzten wir die Flåmsbana, was uns zur Idee anregte dort mal den Fahrplan zu schauen. Siehe da, es kam noch ein Zug auf den wir nur wenige Minuten warten mussten und die Strecke am Gegenhang hatte sogar noch etwas Licht. Es wurde aber minütlich weniger...
Bange Minuten später kam der Zug dann auch aus dem Tunnel gefahren. Die Situation wäre einige Minuten vorher besser gewesen, aber für ein Tagesabschlussbild reichte es allemal.
Die Idee noch ein Foto des im Bahnhof stehenden Zuges der Flåmsbana zu machen liessen wir dagegen sein. Die Sonne war weg und viel gescheites hätte es so nicht mehr gegeben. Als Ersatz dafür habe ich aber noch ein paar Bilder aus dem Jahr 2006. Damals waren hier noch El17 im Einsatz:
In Myrdal gab es dann ein Stelldichein mit der Nachfolgerin El18
Heute so auch nicht mehr vorhanden: Bm69A
Kurz darauf gaben wir mit geschundenem Füdli, arg müden Beinen und total verschwitzt die Bikes dann am Bahnhof ab, nur um sie eine halbe Stunde später zusammen mit vielen anderen Bikes in den Regiontog nach Finse einzuladen. Die Jungs von der Bikevermietung hatten uns per Zufall gesehen und gebeten ob wir helfen könnten, da die Einladezeit etwas knapp sei. Sie wurde noch knapper, da der Zug mal wieder mit +20 dahergefahren kam. Um schneller einzuladen halfen schlussendlich sowohl der Lokführer wie auch das Zugspersonal und der Bahnhofsvorstand beim verladen mit. Der Gepäckwagen war danach voll...
In Finse wiederholte sich dann das Spiel beim Auslad. Fix und fertig ging es dann ins Hotel unter die Dusche und danach um 9 zu einem feinen Dreigänger im Speisesaal zu erscheinen. Bei einem Bier sinnierten wir noch etwas darüber ob sich der Tag so gelohnt hat. Die Stellen hinter dem Finsetunnel sind wirklich stark und eine Reise wert, ab dort bis Myrdal gibt es dagegen nur noch wenig gescheites/erreichbares. Problematisch ist halt die Erreichbarkeit. Ab Finse bis zum Westportal sind es zu Fuss rund 3-4h Marschzeit. Alternativ zu obendrüber kann man auch mit dem Zug nach Hallingskeid reisen und von dort gut eine Stunde zu Fuss zum Westportal marschieren. In Hallingskeid halten aber leider nur einige wenige Züge, auch verliert man bei Anreise mit der Bahn einige Zugsleistungen im Tagesrandbereich. Andererseits ist das Bike sehr teuer, für ungeübte Biker wie uns der Weg obendrüber nicht ohne und die Distanz von Finse bis Myrdal dann mit rund 36km nicht zu unterschätzen. Wir tendieren heute dazu, dass wir wohl ein zweites mal mit der Bahn via Hallingskeid anreisen würden und dann von dort gut 1h zum Westportal hochwandern würden. Nichtsdestotrotz: Der Tag hat sich für uns definitiv mehr als gelohnt und so legten wir uns zufrieden, aber hundemüde ins Bett.
Wie es morgen weiter geht wird euch dann wieder David erzählen.