Schaut mal die Zwei! Sind das nicht He Fu Bao und Bei Ho Thsai? - Teil 1
Von Christof Hofbauer
Also mal ehrlich! Ich hatte ja nicht gerade einen roten Teppich erwartet oder ein Spalier aus applaudierenden Hotelmitarbeitern, aber etwas mehr als die geschäftsmässige Freundlichkeit der Herrschaften am Empfang hätte es schon sein dürfen. Waren wir im letzten Sommer nicht sicherlich die Gäste, die am häufigsten in diesem Hotel eingecheckt haben?Na gut, Undank ist aller Welten Lohn und so bringen auch wir das Prozedere lächelnd hinter uns, das notwendig ist um eine Schlüsselkarte in diesen heiligen Hallen zu erhalten. Contenance, Contenance!
Noch ein paar nette Worte, dann geht’s hoch ins Zimmer. Back again im New Otani Chang Fu Gong!
Oben im Flur werden bang die Zimmernummern gezählt. Rückseite oder Straßenseite, Rückseite oder Straßenseite, Rückseite oder....? Jepp, Rückseite, in Richtung Bahn. Jetzt muss nur noch die Höhe stimmen. Zimmertür auf, Vorhang auf *äch…..dreckige Scheiben* und *taadaaa* wir haben tatsächlich Bahnblick. Also erstmal schnell Koffer und Rucksack ins Eck, rein gefläzt in den Sessel, als wäre man in den letzten Stunden nicht schon genug gesessen, und raus gekuckt was da so abgeht. Man sieht nicht viel, aber immerhin. Der Betrieb lässt sich gut beobachten. Ich könnte es hier fürs erste aushalten, leicht umfächert von der Kühl- oder besser Gefrierschrankluft eines typischen asiatischen Innenraumes, aber mein Zimmergenosse und Reisebegleiter für den ersten Tag drängelt. Er will raus!
Ach meno! Aber man muss ihm zu Gute halten, er hat ja nicht vor Jahresfrist schon diverse lauschige Stunden auf der Brücke oder der Stadtmauer verbracht. Ich schon….. Und so habe ich es eigentlich gesehen. Aber, man ist ja ein netter Mensch. Und außerdem, wenn‘s hier schon so rollt…. Und wenn am Ende noch was seltenes kommt. Dann wäre ich doch der erste der rum heult. Also auf, in die kurzen Klamotten geschmissen, Foto geschultert und raus in die Schwüle, raus in den Smog von Beijing!
Also schon wieder Beijing! Also schon wieder dieses China!
Spürt man die mangelnde Euphorie in diesen Worten? Es stimmt, irgendwie konnte so die ganz dolle Vorfreude im Vorfeld nicht aufkommen. Warum? Hm, wie erklär ich das jetzt am besten?
Der vorrangigste Grund war, dass ich glaube, dass Besuche kurz hinter einander in einem besonderen Land die Spannung auf selbiges doch merklich verringern. Es ist nicht mehr alles neu und zu "ach genau, weißt du noch als...." ist der Abstand zu kurz. Die Gefahr ist groß, dass es nurmehr geschäftsmäßig wird, austauschbar, Alltag. So als wäre man nur kurz mal ums Eck gegangen. Zudem war die letzte Tour durch China durch ihren ganzen Verlauf etwas Besonderes. Etwas, dass es so, zumindest hier, nicht mehr geben wird. Etwas einmaliges, dass während der Reise mehr als einmal nervig war und uns an den Rand der Verzweiflung gebracht hatte, in der Nachschau sich aber in ein mehr als tolles Erlebnis verklärt hat. Von so einer Reise erzählst Du in 20 Jahren noch mit glänzenden Augen.
Um so mehr besteht bei schneller Wiederholung die Gefahr, dass alles was dann kommt nurmehr ein müder Abklatsch ist.
Zudem habe ich vor der Reise einfach die Gefahr gesehen, dass es wieder so endet wie vor Jahresfrist und ob ich dass nochmal so kurz hintereinander brauchen würde, war doch eher zweifelhaft. So hätte ich denn dann auch eher zu Südamerika, Myanmar oder ähnlichem tendiert.
Doch wie komm ich jetzt hier her? Dazu braucht es eine gepflegte Rückblende ....*sphärische Musik* ....
Hotelzimmer, Xi'an, September 2015 .... ja, ich glaube hier liegt die Wurzel. Im Gespräch zweier müder Reisender, die nach mehr als 9-stündiger Autofahrt am drittletzten Tag einer aufregenden Tour Resümee ziehen und feststellen, dass nicht viel gefehlt hat und man wäre das erste Mal gescheitert. Schon da habe ich gespürt, es gärt in Nil. Das hat sein Ego angegriffen. Von einem Land und den örtlichen Umständen lassen wir uns doch nicht in die Knie zwingen, wir nicht, dass geht besser! Bestimmt! Und das wird bewiesen!!!
*Achtung: Die Schilderung könnte aus Gründen der Dramaturgie übersteigert sein!*
Aber die Saat war gelegt!
Zeitsprung: Es war noch keine Zeile des Reiseberichts im Netz und noch nicht mal die Hälfte der Bilder waren bearbeitet, da gab es schon die ersten Geschichten von unserer Reise ins Reich der Mitte. Und zwar in der archaischten Form der Weitergabe von Mythen, dem gesprochenen Wort. Und so hatten wir, im gedämpften Schein der Neonröhren in Wien-West, ein Grüppchen Interressierter um uns versammelt, die teils staunend, teils wissend unseren Erzählungen folgten. Es war der Abend an dem die Schar tapferer dso-ler sich aufmachte per Schlaf- und legendärem 3 Teller-Speisewagen gen Brasov zu reisen. Und einer davon, Gunar, das Ansinnen äußerte, dass nächste Mal, so wir denn ins Land des kleinen Reisgerichts reisen, gerne mit dabei sein zu wollen.
Kleiner Rückblick für dabei gewesene. Individuen der Gruppe dso-Tour 4.0 machen sich bereit für den Einstieg in das Reiseparadies nach Brasov.
Nächster Akt: Winterwanderung, ohne Winter, mit Blick auf winterliche, schweizer Alpen, ohne Schnee!
Während ich mich, um Atem ringend, nach oben schleppte, tauschten wir Argumente für und gegen China aus. Eins wurde mir dabei klar, Nil war wild entschlossen es dem Reich der Mitte so richtig zu zeigen. Eine Tour an der wir scheitern, dass darf nicht sein. Und auch wenn wir es ja noch hingebogen hatten, dass musste, wie gesagt, einfach besser gehen.
Und da hier alle, mangels Sauerstoff nur hingehauchten Argumente, wie "wenn es wieder mit dem Auto nicht klappt" oder "doch lieber etwas anderes machen, zwecks der Abwechslung" meinerseits an diesem schweizer Fels abprallten um sich in der weiten Bergwelt zu verlieren, senkte ich devot den Kopf und nahm mein Schicksal an! So sei es!
Wirklich so dramatisch? Nein, nicht wirklich. Denn einigen Argumenten konnte auch ich mich letztendlich nicht verschließen. So ist es Fakt, dass die DF4 im Zugdienst wohl rasant weniger werden würden. Vor allem die grünen und orangen DF4B. Und wollte man die ein oder andere "alte" Ellokbaureihe noch im aktivem Dienst bewundern, durfte man auch nicht mehr allzu lange trödeln. In China geht halt alles etwas schneller als im Rest der Welt!
In diesem Zwiespalt gefangen, also zwischen "nicht schon wieder" und "möglichst schnell nochmal hin, weil...." beugte ich mich dann einfach der Mehrheit unserer Gruppe, die dieses Mal gleich aus 5 Reisenden bestehen würde. Denn neben Nil, David, Gunar und mir ist auch Pascal mit dabei.
Uff, 5! Das macht alles dann zusätzlich noch ein bisschen komplizierter. Zwei Autos, nicht gerade ideal wenn man schon Probleme hat eins zu bekommen *grins* , mindestens 7 Interessensschwerpunkt, schon mal eingerechnet dass der ein oder andere selbst nicht weiß was er will, dass aber dafür mit voller Vehemenz, und so weiter und so weiter.....
Aber, es kann ja auch ganz witzig sein. Mehr Leute, mehr Spaß.....
Start der Vorbereitungen war gleich um den Jahreswechsel herum. Während Nil begann sich um die Autos zu kümmern und dafür nach Internet Recherche unzählige Mails verschickte, machte ich mich an die Themen Führerschein und mögliche Reiseziele. Und auch Gunar stürzte sich massiv in die Vorbereitung. Sammelte Informationen über interessante Strecken, mögliche Fotostellen und erstellte so Unterlagen, über die wir auf unserer Fahrt manches Mal nur staunen konnten und ohne die das ein oder andere tolle Bild wohl nicht entstanden wäre!
So gab es, noch während Nil und ich im Januar 2016, an der OREX in Südafrika sitzend, an der letzten Folge des 2015er Berichts feilten, schon die ersten Ergebnisse in Sachen Sommer 2016! Noch ein Treffen in Wetzikon, dann Flüge buchen, viele Absprachen über whatsapp und schon war der Abreisetag da.
"Aug in Aug" oder sollte ich besser sagen "Nase an Nase" mit unserem Aufenthaltsort für die nächsten 11 Stunden.
Warum um alles in der Welt wird auf der Karte des Informationssystems einer chinesischen Linienmaschine die Untergangsstelle der Gustloff angezeigt???
In zwei Wellen ging es diesmal ins Reich der Mitte. Während Gunar und ich uns gestern via Frankfurt auf die Reise machten, und so einen Tag Vorsprung haben, werden Nil, Gubi und Pascal heute abfliegen.
Frühstück für Harte! Nur gut dass ich auch mit herzhaften Nahrungsmitteln am frühen Morgen kein Problem habe. Zudem bereitet es den Magen gleich darauf vor, was auf ihn so die nächsten drei Wochen so alles zukommen wird.
Geschafft! Nach rund 11 Stunden Nachtflug ein erster Blick durch die Scheiben des Fingers in den dunstigen pekinger Vormittag.
Treffen morgen Nachmittag im Hotel, dann Zeit zur allgemeinen Verfügung, Montag Führerscheine besorgen, Dienstag Auto ..... *hihi....bitte was?* ..... ja Auto! Wir sind nämlich guter Dinge dass es diesmal klappt.
Für Mittwoch ist dann Gang zum Bahnof vorgesehen, Zugtickets kaufen nach irgendwo hin ...... NEIN, weg, weg ihr bösen Gedanken!!! *grmbl* Mittwoch sind wir natürlich bestimmt schon längst nördlich von Beijing unterwegs ..... ganz sicher ...... also höchst wahrscheinlich ...... naja hoffentlich ..... äh, vielleicht ...... we will see!
Mittlerweile sind Gunar und ich schon ein ganzes Stück vom Hotel in Richtung Stelle auf der Stadtmauer getappst. Es ist drückend schwül und hey, den Himmel hab ich aber auch schon mal blauer gesehen. Der Vergleich zeigt so richtig, was wir im letzten Jahr doch ein unverschämtes Glück hatten, mit unseren Sonnenbildern. Der Militärparade sei Dank! Gut, Hitze und Schwüle waren ähnlich. Schon heute Vormittag am Flughafen hatte uns der Hammer getroffen. Nach Nachtflug und Dauerklimatisierung von Flughafengebäude zu Flughafengebäude war es beim Gang zur Metrostation als würde man in warme, feuchte Handtücher laufen. Puh, schwitzen, nein triefen auf Kommando. Gunar hatte die Metro einem Taxi vorgezogen und so sind wir brav mit den Öffis gen Zentrum geschauckelt.
Nun in kurzen Hosen und Shirt, nur mit dem Foto umgehängt, läuft es sich schon wesentlich leichter, aber das Wasser verlässt trotzdem in Strömen den Körper. Auch die Sonne knallt ordentlich durch den Dunst, was das Warten auf der Stadtmauer nicht gerade angenehmer macht. Aber dafür gibt's hier wie gewohnt ordentlich Entertainment.
SS8 geht immer! Irgendwie nett, die kleinen Maschinen. Hier rollt 0106 in den Hauptbahnhof um einen Schnellzug zu übernehmen.
Erstaunlich auch, wieviele DF4C den Hauptbahnhof noch anfahren. Hier kommt DF4C 5013 mit dem T18/T17 Mundajiang - Beijing durchs Bahnhofsvorfeld.
Zugegeben, es gibt spannendere Flecken zum Fotografieren in diesem Land. Und eigentlich habe ich von hier ja schon genügend Bilder aller Variationen. Aber Gunar war eben noch nicht hier und so ist es für ihn der erste komprimierte Kontakt zur chinesischen Eisenbahn und hey, es ist halt auch verdammt praktisch, so nachmittags nach einem Interkontinentalflug durch die Nacht mit ordentlich Zeitverschiebung! Also Blick wieder auf die Schienen.
Und da kommt mit DF4C 0014 schon die nächste Vertreterin dieser Dieselgeneration daher. Am Haken hat sie T32 Hang Zhou Huai Rou Bei - Beijing.
Gut das die Züge hier so lange Laufwege haben. Könnte sonst eng werden, allein schon wenn der Zugchef den Abfahrts- und den Zielort ansagen will. Von den Unterwegshalten mal ganz zu schweigen *grübl* !
Zwischen drin ist auch der "Bahnhofshund" unterwegs. Auch die DF7 sind so Maschinen die mich begeistern können. Sehen sie doch mit ihren Rundungen und dem mächtigen Frontscheinwerfer recht urig aus. DF7 3020 ist übrigens eine "alte Bekannte", hat sie doch schon letzten Sommer hier rangiert. Nicht gut für den Nummernsammler in mir.....
Und schon rollt die nächste DF4C ins Bild. DF4C 5015 kommt vom Bw her gerollt und im Hauptbahnhof einen Zug zu übernehmen.
Jaja, schnell kann man hier einen Speicherchip füllen. Aber irgendwie wiederholt sich halt auch alles. Trotzdem harren wir aus, auch wenn das Licht eigentlich schon rum ist. Aber es könnte ja doch noch etwas besonderes kommen. Zudem, wir haben keine großen Alternativen und das vom Dunst erzeugte Streulicht ist hier mal von Vorteil. Na dann, bleiben wir halt noch ein bisschen.
Hm, nicht unbedingt etwas besonderes, aber immerhin eine nette Kombination aus Neuem und Semi-Neuem. SS9G 0106 und HXD3D 0052 rollen gemeinsam in Richtung Betriebswerk.
Mehr intuitiv halte ich beim nächsten Zug drauf. Die beiden Wagen am Ende der Garnitur fallen mir irgendwie auf. So eine Lackierung hab ich glaube ich noch nicht gesehen. Neu? Hm.... ganz sicher bin ich mir nicht. Ein Foto machen kann aber nicht schaden. Erst beim genauen Hinschauen fällt mir auf, die Schriftzeichen auf der Seite sind definitiv NICHT chinesisch......die sind koreanisch! Moooooment! Wenn die Koreanisch sind und es noch keinen Tunnel unter dem Gelben Meer gibt, dann bleibt nur eins: BINGO!
Mit Zug K27/28 Beijing - Pyongyang kommen Wagen der Nordkoreanischen Staatsbahn bis in die chinesische Hauptstadt. 다침30 5311 wird an diesem Abend zusammen mit einem weiteren nordkroeanischen und ettlichen chinesischen Wagen aus der Abstellung in den Hauptbahnhof geschoben.
Ja super! Zwar nur Wagen, aber wann wird man schon mal wieder die Chance haben, von dieser Bahngesellschaft etwas abzulichten. Aber es kommt noch besser! Insgeheim habe ich ja schon etwas darauf gehofft. Groß, grün und eindruckvoll blubbert sie langsam heran. Eine wahre Rarität! Nur 4 Stück gibt es bekanntermaßen von ihrer Reihe und man braucht schon ein kleines bisschen Glück sie zu erwischen. Wenigstens dann, wenn man ohne Plan nur mal kurz hier steht.
Mit dem Y520 Quinhuangdao - Beijing kommt Doppellok DF11Z 0003 durch das Bahnhofsvorfeld des Beijinger Hauptbahnbahnhofs gerollt.
Eine herrliche Maschine! Diese Größe, der Sound, kantig und schnittig zu gleich, top gepflegt! Ein Traum von einem Schnellzugdiesel. Dahinter eine artreine Garnitur, einfach ein edler Anblick wie sie so an uns vorbei zieht. Und ..... *taadaaaa* ..... es ist die 0003! Was daran so besonderes ist? Na, zusammen mit der im letzten Sommer fotografierten 0001 habe ich jetzt 50% aller Maschinen einer chinesischen Lokbaureihe fotografiert und im Archiv! Wenn das nicht mal eine außergewöhnliche Leistung ist! *grins*
Gerne hätte ich auch eine DF10F genommen. Ihres Zeichens auch Diesel-Doppel-Schnellzuglok und mit 6 Exemplaren nicht um viel weniger selten wie die DF11Z, und ganz ehrlich, den Rest der Zeit die wir hier noch bleiben hoffe ich still und heimlich auch noch, dass dieses Schmankerl ums Eck kommt, aber man kann halt nicht alles haben. Und so freue ich mich auch beim Gehen über das Trostpflaster in Form der rot-beigen DF4D 0062 und auch die DF7C, die für das letzte Eisenbahnbild des Tages Modell steht, kann durchaus begeistern.
Vorher aber noch etwas Kultur!
Immer wieder eindrucksvoll diese Dächer. Und natürlich machen wir auch einen Rundgang durch das Gebäude und über die Stadtmauer. Schließlich ist Gunar zum ersten Mal in Beijing.
Neben Orange einiger DF4B ist das rot-beige von diversen DF4D sicher die schönste Farbvariante der großen DF4-Familie. DF4D 0062 ist an diesem Abend auf dem Weg vom Bw in Richtung Bahnhof.
Wie man an den Bildern sieht haben wir unseren Ausguck auf der Stadtmauer verlassen. Das Licht war nun doch recht mau und so wirklich konnte ich mich für die Stelle auch nicht mehr begeistern. Aber die Kameras sind schon mal eingeschossen, nur die Uhr umstellen, dass habe ich mal wieder vergessen. Erst in den nächsten Tagen wird mir das auffallen. Immer das selbe halt.... oder sollte es doch am fortgeschrittenen Alter liegen.
Gunar will sich mal gerne den Bahnhofsvorplatz ansehen. Und da ich nichts besseres vorschlagen kann, schleppe ich mich einfach mit. Hinten rum geht es, durchs Quartier, um in vorauseilendem Gehorsam schon mal ein paar schweizer Termini mit einzufügen. Von oben von der Mauer haben wir gesehen, dass es hier einen Durchgang zum Bahnhofsplatz geben sollte. Hinter den hohen Häusern an der Hauptstraße und dem alles überragenden Marriot ist tatsächlich noch ein Stück altes Beijing erhalten geblieben. Klein, verwinkelt, mit engen Straßen und Wohnhöfen, etwas gruselig und penetrant übel riechend.
Nicht gerade ein Spitzenprodukt der Beijinger Hotelerie, aber immerhin verkehrsgünstig, sprich nur wenige Gehminuten vom Bahnhof weg, gelegen.
Es ist schon verrückt, welche Gegensätze es auch hier in der Hauptstadt gibt. Noch ein paar winkelige Gässchen und wir stehen plötzlich wieder im modernen Beijing, mit 6-spurigen Straßen, Gehupe, Lärm, Menschenmassen. Und dem Bahnhofsvorplatz. Hier ist weniger los wie bei meinem letzten Besuch, wobei weniger sehr relativ ist. Statt geschätzten 5 Chinesen pro qm sind es heute nur 4, der Lärmpegel ist aber der gleiche und Schuppsen und geschuppst werden geht in China ja sowieso immer. Ich verziehe mich in eine Nische der Fußgängerbrücke und "genieße" den Trubel während Gunar mit der Freude eines Kleinkindes beim ersten Jahrmarktsbesuch hier und dahin läuft, um immer wieder neue Bilder vom Chaos anzufertigen. Endlich hat er genug im Kasten und wir können uns dezent zurück ziehen. Weit kommen wir allerdings dabei nicht, denn vernehmliches Knurren aus der Gegend um die Mitte unserer Körper erinnert uns lautstark daran, dass die letzte "Mahlzeit" am heutigen Tag, das Frühstück im Flieger war. Urgs, lang her und nicht gerade sättigend. Also was nun? Burger Laden oder Nudelbude? Naaa klaaar: Nudelbude! Wenn er mich anknurrt, hat er einfach nichts anderes verdient!
Nun kommt mir die Ortskenntnis zu Gute. Unweit vom Bahnhof kenne ich vom letzten Besuch her ja ein Etablissement, welches wir nun ansteuern. Und so nehme ich auch dieses Mal dort meine erste Mahlzeit auf chinesischen Boden ein. Tradition, Tradition! Wenn das mal kein gutes Omen für eine "interessante" Tour ist.
Innen dann die erste Enttäuschung! Wir setzen uns hin, stützen die Ellenbogen auf und .... nichts! Unglaublich! Wir kleben nicht fest! Was ist nur aus den guten und vertrauten chinesischen Gasthaustraditionen geworden. Oder wird der Föddl in solchen Lokalen turnusmäßig immer Mitte Juli getauscht und die daraus resultierenden guten Wischergebnisse garantieren in den ersten Wochen noch eine klebefreie Säuberung, da sich in dem kurzen Zeitraum noch nicht genügend Reststoffe ansammeln und Bakterien ausbilden konnten?
Es wäre mehr Zeit notwendig diesem Phänomen genauer auf den Grund zu gehen. Aber die haben wir nicht, denn unerwartet schnell steht ein freundlicher Herr vor uns, übergibt uns die reich bebilderten und umfangreichen Speisekarten, zückt gleich darauf sein hochmodernes Eingabegerät um unverzüglich unsere Bestellungen aufzunehmen. Während wir die ersten zaghaften Blicke auf die Fülle der dargebotenen Speisen lenken, zeigt der Gute schon erste Zeichen der Ungeduld. Er stehe ja schließlich nicht zur Verzierung da! Was ist jetzt, bestellen sie nun endlich?!? Eine Eigenart die uns in vielen chinesischen Restaurants begegnet ist bzw. begegnen wird. Man erwartet unverzüglich nach Überreichung der Speisekarte, dass bestellt wird! Und das unabhängig davon, ob die Karte nun Langnasen gerecht bebildert ist oder ausschliesslich aus mongolischen Schriftzeichen besteht. Ja wo kämen wir denn da hin, wenn sich hier jeder Zeit zum auswählen liese!?!
Das denkt sich wohl auch unser Facharbeiter im Bereich Gastronomie. Und da wir trotz mehrmaliger auffordernder Blicke immernoch die Frechheit besitzen in Ruhe auswählen zu wollen, wendet er sich spontan den Neuankömmlingen am Nachbartisch zu, um dort das selbe Spiel zu beginnen. Die sind aber genauso entscheidungsfreudig wie wir und so passiert es, dass während er dort mit wachsender Ungeduld wartet, wir zu einem Resultat gekommen sind, was ich ihm nun auch per Handzeichen mitteile. Ein Blick sagt mehr wie tausend chinesische Worte: "Ja was denken denn sie. Nur weil sie sich jetzt endlich mal entschieden haben meinen sie, ich drehe mich um und komme sofort wieder zu ihnen um die Bestellung auf zu nehmen. Nene, so ja nun nicht. Sie hatten ihre Chance, nun sind dieses netten Menschen hier dran." Eine Einstellung um die ihn jede aus Prinzip missgelaunte Münchner Biergartenbedienung aus tiefsten Herzen beneiden würde.
Nur andererseits hat er sich jetzt auch in ein Dilemma manövriert. Denn die am Nachbartisch sind auch nicht schneller. Leicht unschlüssig geht sein Kopf hin und her, die ganze Körperhaltung spiegelt die Zerrisssenheit wieder. Schließlich gibt er sich einen Ruck und geschlagen. Brav nimmt er unsere Bestellung auf und wenig später sitzen wir vor kühlen Getränken und leckerem Essen. Dann mal guten Appetit und in Gedanken ein Prost an Nil. Ab morgen habe ich einen verlässlichen Partner zum Anstoßen!
Gut gefüllt machen wir uns auf den Weg in Richtung Hotel. Zwischendrin noch ein kurzer Halt an einem der unzähligen kleinen Läden, kühle Getränke und Snacks bunkern, dann schleichen wir schwer bepackt heim. Jeder Schritt eine Qual. Langstreckenflug, Klima- und Zeitumstellung, Übernächtigung......alles bricht nun massiv über uns herein. Im Zimmer noch schnell geduscht, mit der Heimat gechatet und ab in die Federn. Und während wir in Windeseile ins Traumland wechseln, haben sich rund 8.000 km westlich von uns die Schweizer auf den Weg gemacht.......
...darum mal weiter mit Nil
Ja ist es schon wieder so weit? Ja! ;)
Los geht's um 20:35 MEZ ab Genf, GVA, Geneva, Genebra. Wie immer ... warum eigentlich hat Genf die günstigeren Verbindungen als Zürich? Ist ja irgendwie unfair. Das Problemchen könnte die (noch) fehlende AirChina Verbindung sein. Die bekommt Zürich dem vernehmen zwar bald, aber halt noch nicht im Sommer 2016.
Also fahren wir halt nach dem Arbeiten am Samstag um 15:03 ab Zürich mit dem ICN bis Genf. Die Gruppe mit Kindern einer .. naja ... Schule wars kaum ... Pfadihippieschule vielleicht ... ist in Biel wieder draussen und dann haben wir unsere Ruhe und viel Platz
Mit dabei in diesem Zug sitzen auch das bekannte Gubi und wieder einmal der Zingg, der die Gelegenheit auch gepackt hat mit uns in den Urlaub zu fliegen / fahren. Könnte am diesmal passenden Datum gelegen haben ;).
Das Wetter in der Schweiz an diesem Samstag ist wunder prächtig, schön und heiss. Wobei das Wort heiß nach der Ankunft in Peking eine andere Dimension bekommen wird, nennen wir es also warm - ja es ist warm an diesem Nachmittag in der Schweiz. Entlang der Seen vor dem Jurabogen geht's nach Genf. Zum Flughafen ist wegen Bauarbeiten noch einmal umsteigen angesagt. In einen Briger IR ... ganz komische Gefährte seit dem Fahrplanwechsel.
Wir sind natürlich viel zu früh am Flughafen und entsprechend können wir nach uns nach dem Check-In noch zum Essen niederlassen. Was isst man bevor man nach China fährt? Beim Iran ists klar, Würste mit Bier ... aber in China gibts beides auch. Pasta? Pasta! Nudeln gibts zwar in China auch, aber mit Italienischer Pasta haben die Nudelbuden in China ja nur ganz bedingt etwas zu tun. Das scheint uns also eine gute Lösung. Lecker ist's auf alle Fälle!
Als die Zeit kommt laufen wir zum Gate und per Bus auch bald zum Flieger. Der A330-200 der Air China ist gut gefüllt, was bei der Grösse des Fliegerchens auch kein Wunder ist, die paar Plätze verkauft man schnell ... und wenn man solche Angebote macht wie AirChina sowieso.
Erwartungsgemäss, ich war ja gewarnt worden, ist der Flieger zu 99% mit Chinesen besetzt, ok abzüglich uns waren es vielleicht noch 95%. Das andere sind zwei bärtige BackPacker mit Jesuslatschen die vermutlich "voll dufte" durch China reisen. Nun ja, wir sehen sie wieder ...
Der Flug selber ist dank Unterhaltungssystem gar angenehm. Irgendwie absolut langweilig und während des zweiten Films bin ich dann auch eingenickt.
Abendstimmung im Flieger. Dazu mampften wir unser Abendessen und es gibt zum Einstimmen auf China ein Bierchen aus dem Reich der Mitte.
Und während sich die anderen beiden "Dütschen" in Beijing schon bald wieder aus den bequemen Federbetten schälen, dösen wir mehr oder weniger gut durch die Nacht!
Dann mal bis morgen in Beijing!