Skandinavischer Herbst (1)

Von

Prolog

Norwegen. Das Land der spektakulären Landschaften, der roten Züge, des schlechten Wetters. Das Land der hohen Preise und dünnen Fahrpläne. Will man da hin? Absolut!

Es ist ja nicht so, dass ich noch nie dort gewesen wäre. Aber besonders dank den dünnen Fahrplänen gepaart mit der oftmals schwierigen Wettersituation wird man irgendwie nie fertig. Und jedes mal, wenn man denkt man wisse, was man will, fährt man irgendwo einer Strecke entlang und findet: Da drüben ginge ja auch was. Und hier. Und da vorne. Und das obwohl die Fotostellendichte eigentlich nicht besonders hoch ist, im Gegenteil, aber auf die grossen Distanzen kommt dann doch einiges zusammen.

Ok, die Fahrpläne verdichten kann ich nicht, aber wegen der Wettersituation… wärs nicht praktisch, bei schlechtem Wetter einfach arbeiten zu können (also Geld verdienen und so), so dass man nicht raus *muss*, sondern raus *darf*?

Das war so in etwa die Ausgangslage, die mich zu einem Experiment veranlasste: Fünf Wochen Skandinavien, ca. 2 Wochen davon arbeiten. Diese Konstellation hatte einige Konsequenzen: Es fand sich natürlich niemand, der arbeitsmässig eine ähnliche Flexibilität hatte, so dass ich das alleine machen musste. Ich hatte zwar die Hoffnung, dass sich bei stabiler Wetterlage (haha kleiner Scherz ;) naja nicht ganz, ihr werdet sehen) noch jemand kurzfristig dazu entschliessen würde, ein paar Tage hoch zu kommen, aber so richtig damit rechnete ich nicht.

Also, organisieren, los! Meine vorsichtige Anfrage in der Firma wurde erstaunlich wohlwollend aufgenommen, und da es gerade eine positive Änderung bezüglich finanzierung der persönlichen Arbeitsplätze gab, wurde mir sogar ein neuer Laptop (anstelle des bisherigen nicht-mobilen Desktop-Arbeitsplatzes) beschafft.

Die nächste grosse Frage war das Auto. Fünf Wochen Automiete war sicher ganz schön teuer. Ich wollte schon in Kollegen- und Familienkreis rum fragen, da wäre sicher eins aufzutreiben gewesen, aber kaum gratis, u.U. musste man da auch wegen Versicherung schauen, und dann musste ich auch noch zweimal durch Deutschland fahren, auch kein Spass. Fünf Wochen Automiete z.B. in Oslo war ganz schön teuer, so 1500 CHF aufwärts. Schweden war kaum günstiger. Deutschland war zwar günstiger (ca. 900 CHF), aber da waren die Kilometer irgendwie immer limitiert. Eigentlich hätte mir Deutschland zwar zugesagt, denn Vogelfluglinie und Hindenburg-Damm wären auch noch zwei Wunschziele gewesen, aber eben… In Kopenhagen fiel mir dafür fast die Kinnlade runter: Deutlich unter 400 CHF für fünf Wochen Automiete bei Hertz, und das ohne Kilometer-Limite! Ok, für den Preis muss ich niemanden belästigen, das ist gekauft! Als ich dann ein paar Tage später buchen wollte, war der Preis aber selbstverständlich nicht mehr verfügbar. Mist! Ein bisschen rum suchen zeigte aber schnell, dass Enterprise über Expedia gebucht (und nur so!) ebenso günstig zu haben war. 3, 2, 1, meins.

Die Anfahrt sollte stilecht per Bahn stattfinden. Nightjet von Zürich nach Hamburg, dann IC nach Kopenhagen. Hamburg - Kopenhagen ohne Zugbindung, man weiss ja nie, was mit dem Nachtzug genau schief geht (ha!). Gebucht, fertig, organisiert.

Ein Tag nach meiner Buchung kollabierte in Rastatt ein Tunnel. Tolle Wurst. Über Wochen trotz Nachfrage keine Information, wann der Nachtzug wieder fährt. Irgendwann wurde es mir zu bunt, und ich stornierte die Hinfahrt komplett und buchte mir stattdessen einen Flug nach Kopenhagen (Rückfahrt nach wie vor per Bahn). Das war zwar teurer, aber besser als irgendwelche komplizierten Umsteige-Alternativverbindungen. Die Stornierung bei der ÖBB war zwar mühsam (unmögliches, kompliziertes PDF-Formular), wurde dafür am nächsten Tag schon erledigt; bei der DB wars zwar einfacher (simples Web-Formular), dauerte dafür zwei Wochen. Immerhin wurde alles (inkl. Sitzplatzreservation Hamburg - Kopenhagen) zurückerstattet.

Die Anreise per Bahn hatte eigentlich noch einen anderen Grund: Ich wollte (ob sinnvoll oder nicht würde sich weisen) einen Haufen Zeugs mitnehmen, u.a. Stativ, Velohelm (für evtl. Miete in Finse), Netzwerkausrüstung (brauchte ja Internet für arbeiten), und auch mein neuestes Spielzeug, eine Drohne (DJI Mavic). Das war wieder eine Geschichte für sich: Ursprünglich etwa fünf Wochen vor dem Abreisedatum gekauft (man will ja noch testen), habe ich sie nach einem Wochenende schon wieder zurückgegeben, da die Kamera-Optik fehlerhaft war (Linsen nicht zentriert, ist ein Serienfehler). Vier Wochen später war noch immer kein Ersatz beim Händler, aber nach einer entsprechenden Nachfrage kriegte ich dann doch noch kurzfristig ein neues Exemplar.

So, das war jetzt die zuweilen etwas nervenaufreibende Vorbereitung. Da ich nicht der grosse Reisebericht-Schreiber bin, werden die weiteren Teile etwas kürzer ausfallen.

11.9.2017: Effretikon - Göteborg

S-Bahn-Fahrt zum Flughafen Zürich und der SAS-Flug nach Kopenhagen waren äusserst unspektakulär. In Kopenhagen war dann erst mal die Suche nach dem Shuttle-Bus zum Auto-Vermiet-Zentrum angesagt, aber auch das war kein Problem, und warten musste ich keine Sekunde, der Bus stand schon bereit und fuhr gleich ab.

Durch meine Plan-Änderung war ich etwa eine Stunde früher als ursprünglich angedacht, und ich war deshalb gespannt, ob ich das Auto schon kriegen würde. Ja, kein Problem. Meine Frage nach Winterreifen wurde hingegen verneint, gabs noch nicht. Doof, Schnee im Oktober in Norwegen war eigentlich zu erwarten. Aber die Sommerreifen seien ja quasi neu. Jaja, tolle Ausrede, kann ich dann dem Polizisten nach einem Unfall sagen ;) Auf den Preis drauf geschlagen wurde noch eine Versicherung für die allfällige Rück-Überführung des Autos aus dem Ausland, aber bei dem Preis konnte ich mich da auch nicht drüber ärgern. Dafür gabs (ohne Aufpreis, glaubs) ein RFID-Teil für die Öresundbrücke. Nett.

Das Auto war ein fast neuer Skoda Fabia 1.2L (gebucht hatte ich die zweitkleinste Kategorie, Polo oder so). Also durchaus ein kleines Upgrade. Auch nett.

Kastrup


Nur Navi hatte das Auto keins. Ich habe ja insgeheim darauf gehofft, eins zu kriegen obwohl ich nicht bereit war, einen Aufpreis zu bezahlen (die Preise dafür sind ja idr. eher horrend), das hatte in der Vergangenheit schon öfter geklappt. Das war bisschen doof. Ich hatte zwar natürlich Osmand und Google Maps dabei, aber keine Handy-Halterung fürs Auto. Aber das Handy konnte man zum Glück in die Mittelkonsole stellen, passt.

Die Fahrt nach Göteborg war wenig spannend, abgesehen von der Öresund-Querung, natürlich ein Highlight.

In Göteborg hatte ich im STF-Hotel in der Innenstadt ein Zimmer gebucht, weil es die einzige bezahlbare Unterkunft war, die nicht den Eindruck einer Absteige machte. Nun ja, dafür waren die Parkplatz-Preise im Parkhaus nebenan happig, 33 CHF für eine Nacht, momol.

Da ich reichlich früh unterwegs war, ging ich natürlich noch etwas fotografieren. Zwei M29, gebaut 1969 bis 1972.

M29 844 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


Für die Einen ist es einfach ein öffentliches Verkehrsmittel, für die Anderen die vielleicht hässlichste Strassenbahn der Welt: Eine M31 mit “Sänfte”. Die Dinger waren ursprünglich mal M21, gebaut 1984 - 1992, bis 1998 - 2003 die Sänfte nachgerüstet wurde.

M31 341 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


M31 378 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


Deutlich gefälliger sind die neueren M32 von AnsaldoBreda (2004-2012). Wie zuverlässig die Dinger sind will ich hingegen lieber nicht wissen.

M32 425 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


Göteborg hat ein sehr schönes Stadtzenrum (auch wenn alles mit Läden vollgepflastert ist). Hier eine M31...

M31 304 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


… und dieselbe Stelle mit M32.

M32 457 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


Die älteste Generation, die noch fährt, sind die M28 (1965 - 1967). So eine fehlte mir noch, aber das sollte sich gleich ändern:

M28 738 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


Und zum Abschluss nochmal die absolute Hässlichkeit in Tram-Form.

M31 308 der GS bei Göteborg (Brunnsparken)


Das war jetzt aber genug Strassenbahn für fünf Wochen. Gehen wir noch kurz rüber zum Hauptbahnhof.

Ok, einige mögen jetzt argumentieren, dass es mit der Hässlichkeit weiter geht; mir persönlich gefallen die Gumminasen aber durchaus gut. Eine X31K kommt gerade an.

X31K / IC3 4329 der Öresundståg in Göteborg C


Die X12 dürften ziemlich auf dem absteigenden Ast sein, deshalb musste der natürlich auch abgelichtet werden.

X12 3217 der VTA in Göteborg C


Der Ankunftsanzeiger kündigte einen Snabbtåg an, der kein X2000 war. Ich hoffte natürlich auf was lokbespanntes, aber es war dann leider eine Regina.

X55 "X3000" 3346 der SJ in Göteborg C


Das Highlight war dann aber der Blå Tåget, auf den ich primär gewartet hatte. Der Taurus ist zwar keine schöne Lok, aber die HectorRail-Farbgebung ist gar nicht leid. Wie man aber mit einem mässig besetzten Zugspaar pro Tag Geld verdienen will, wurde mir nicht so ganz klar.

242 531 der HCTOR in Göteborg C


Nach einem kleinen Snack mussten noch die nächsten Tage geplant werden. Die Wetterprognosen waren ziemlich grauenvoll. Es war nicht mal auszumachen, in welche Richtung ich mich bewegen sollte. Ich entschied mich daher, nach Geilo zu fahren; von dort kommt man in alle Richtungen weg, und wenn es unerwartet schön wird hat man auch was zu tun. Ausserdem fand sich im Internet eine Jugendherberge (Ustedalsfjorden Vandrerhjem), da konnte ich auch ein paar Tage äusserst günstig rum sitzen wenns sein musste.

So, das wars mal fürs erste. Ha det bra!