Norwegischer Frühling Teil 1: Effretikon - Finse
Von David Gubler
Norwegen. Schon wieder? Und das obwohl vom letzten Norwegen-Abenteuer noch nicht mal ein Reisebericht existiert? Ach was, Norwegen geht immer!Aber mal langsam und von vorne. Der Ansporn kam diesmal von Nil, der eigentlich nur eine Hütte bei Mo i Rana für zwei Wochen oder so mieten wollte, um mit der Freundin einige gemütliche Tage oben zu verbringen. Selbstverständlich auch mit Eisenbahnfotos im Hinterkopf, aber nicht nur. Mir kommt da die Aussage eines andere Eisenbahnfotografen in den Sinn. Seine Frau sage immer, sie sei ja eigentlich nur sein Schlechtwetterprogramm… Aber lassen wir das.
Nil fand, es wäre doch lustig, wenn für ein paar Tage noch etwas Gesellschaft da wäre. Hmmmm…
Grund, da hoch zu fahren, gab es wirklich genug. Das Ende der Di 4, zumindest an den Tagzügen, zeichnete sich am Horizont hab. Und mit „Horizont“ meine ich „Ende des Jahres“. Dazu kam, dass da irgendwas mit „VY“ durch die Medien geisterte. Uh-oh. Mit Umbenennungen geht öfter mal ein Redesign einher, und da wissen wir leider nicht, was für Ungemach noch auf uns zu kommt. Silbrige B5? Siffgrüne B7? Goldige El 18? Hundekackefarbige BM 69? Zitronengelbe Flirts? Ok, letzteres wär vielleicht noch toll, aber sonst ist gegenüber dem Rot fast alles eine Abwertung. Über die silbrigen El 18 schauen wir mal grosszügig hinweg.
Ok, und wie soll das Programm aussehen?
Erste Idee war mit dem Zug hoch, dann ein paar Tage in Finse mit hoffentlich viel Restschnee verbringen, dann Zug nach Oslo, Nachtzug hoch nach Trondheim, Tagzug nach Mo.
Mit der Detailplanung wurde es dann mühsam. IC Hamburg - Kopenhagen mit Busersatz, weil die Dänen bauen. Ab Hirtshals gäbe es zwar eine Fähre nach Bergen, aber die war ab dem Nightjet nur mit zig mal Umsteigen erreichbar, was erstens mit Gepäck nur mässig Spass macht und zweitens viel zu grosses Risiko birgt, schief zu gehen. Und auf stranden in einem dänischen Kaff an der Küste hatte ich keinen Bock.
Auch mit dem Nachtzug für den Wechsel Finse - Mo war es schwierig. Der fuhr nämlich am nötigen Datum schlicht überhaupt nicht. Dito jener von Bergen nach Oslo. Was seltsam war, denn die Tagzüge verkehrten nach Plan, die Nachtzüge an den Nächten zuvor und nachher auch. Tolles Timing, Jungs.
Und da war noch das Hotel in Finse. Dort ist die Buchungssituation bekanntlich immer etwas schwierig. Gewisse Tage waren nur zu (noch) höheren Preisen verfügbar, und irgendwann dann mal gar nicht mehr. Als Alternative gäbs zwar die Finsehytta, aber mit Rollkoffer über 500m durch den Schnee ist nicht so sexy und meine insg. rund 30kg Zeugs in zwei Rucksäcken rum zu tragen ebensowenig.
Ich jammerte Nil mal die Hucke voll, dass meine Pläne einfach nicht aufgehen. Irgendwie kamen wir bei einem Bier auf die Idee, dass ich ja auch mit Hurtigruten hoch fahren könnte. Bergen - Trondheim müsste gehen. Mo leider nicht, da liegt der Hafen zu sehr im Nichts draussen (also vielleicht gäbs da einen Bus oder so, aber darauf hatte ich keine Lust, dafür war Trondheim zu praktisch).
Die Buchungsodyssee begann nun erst richtig. Hurtigruten gibt sich sehr viel Mühe, die Hafen-zu-Hafen-Verkehre auf ihrer Webseite zu verstecken. Sie fehlen nämlich auf allen Sprachvarianten, ausser der Norwegischen. Man könnte fast auf die Idee kommen, die wollen nicht, dass dumme Touristen das buchen… Irgendwie stolperten wir aber über ein riesiges norwegisches PDF, das Preise in einer Hafen-Tabelle hatte. Möglich wars also. Bei weiterer Suche stellte sich heraus, dass Hafen-zu-Hafen durchaus online buchbar ist, wenn man die Sprache auf Norwegisch umstellt… Ist ja auch logisch. Nicht.
Nur, die passenden Daten für die Reise nach Trondheim waren auch da nicht mehr verfügbar. Aber die Idee mit Hurtigruten gefiel mir trotzdem.
Also wie weiter? Eigentlich hatte ich ja angedacht, die Ferien ohne eigenes Mietauto zur verbringen. Das liess ich fallen, denn die Lösung war nun ein paar Tage früher nach Mo zu reisen und dort ein Auto zu mieten, bis Nil mit Freundin da ist. Das verschob die ganze Finse-Geschichte eine Woche nach vorne auf buchbarere Termine.
Die letzten Frage war nun die Hinreise. Die Rückreise musste zeitlich bedingt sowieso mit dem Flieger stattfinden. Für die Hinreise hätte ich fast die Variante über Hirtshals gebucht, aber im Nightjet waren nur noch Sechserabteile zu horrenden Preisen verfügbar, was dann schlussendlich der letzte Sargnagel für diese Variante war. Für 120 CHF konnte ich nach Oslo fliegen, da waren deutlich über 300 CHF für Nightjet, durch Dänemark fahren und Fähre, sowie Aussicht auf Anschlussbruch einfach nicht mehr attraktiv. Als kleinen Ausgleich entschied ich mich, den Rückweg auch wieder ab Oslo zu fliegen, aber immerhin Mo - Oslo per Bahn zurückzulegen.
Der Plan war also nun: Flug nach Oslo, Zug nach Finse, paar Tage dort oben, dann zwei Nächte flexibel, Zug nach Bergen, Hurtigruten nach Trondheim, Tagzug nach Mo, Auto mieten, paar Tage an der Nordlandsbahn, Auto abgeben und von Nil aufgabeln lassen, paar Tage in einer abgelegenen Hütte, Tagzug nach Trondheim, Nachtzug nach Oslo, Flug zurück nach Zürich. Puh, ich glaub ich hatte noch nie so komplizierte Ferien.
Samstag, 27.4.2019
Pünktlich um 04:50 holte mich der Wecker aus dem Bett. Im Halbschlaf zur S-Bahn und kurz drauf war ich schon am Flughafen. Dort dann das übliche Prozedere. „Zufällig“ musste bei mir ein Sprengstofftest gemacht werden. Ich flog nun etwa das vierte Mal ab Zürich mit den Drohnenakkus im Gepäck, und jedes. einzelne. mal. wurde ich „zufällig“ für den Sprengstofftest ausgewählt. Tollerweise war der Test dann noch positiv, wahrscheinlich gefiel dem Apparat meine Handcreme nicht oder so, so dass ich mich noch befummeln lassen durfte. Zu finden gab natürlich nichts. Naja, wenns die Leute beruhigt. So, jetzt fertig /Rant.
LH 1210 Zürich ab 06:55 - Oslo Lufthavn an 09:10
Schon beim online-Check-In stellte ich fest, dass der Flieger kurzfristig von 3+3-Bestuhlung (wohl A321 oder so) auf 2+3-Bestuhlung gewechselt wurde. Nil machte mir schon Hoffnungen, dass es evtl. eine Fokker 100 von Helvetic sein könnte, aber leider wars so langweiliges modernes C-Series-Geraffel. Booooring.
Der Flug war dann etwas schüttelig, aber wir kamen pünktlich in Oslo an. Das Gepäck kam auch schnell, und keine 10 Minuten nach Erreichen des Flughafenbahnhofs sass ich schon in einem Flirt nach Oslo. Notabene einem früheren als auf meinem Ticket stand, aber den Kondi störte das nicht.
L12 Oslo Lufthavn ab 09:43 - Oslo S an 10:06
In Oslo wurde kurz geshoppt (in Finse ist bekanntlich nix mit shopping) und gegessen, und schon bald musste ich auf den Zug.
Regiontog 601 Oslo ab 12:03 - Finse an 16:19
Die Fahrt im B7 war wie erwartet angenehm und ereignislos, bis Geilo. Dort wartete eine Hundertschaft Skilangläufer auf den Zug. Der Grund dafür war das Skarverennet, welches heute stattfand, und von Finse nach Geilo führte. Muss wohl sowas sein wie der „Engadiner“ in der Schweiz. Jedenfalls setzte VY eine ganze Reihe Flirts als Zusatzzüge ein, aber auch die Regelzüge bekamen natürlich eine Ladung Sportler ab. Zum Glück wollten die in Finse alle wieder raus, sonst wär das schwierig geworden…
Kurzer Check-In im Hotel und anschliessend einen Blick auf den grafischen Fahrplan. Dieser verriet, dass bald ein solcher Zusatzzug in Finse wendet. Das Wetter war zwar nicht toll, aber war ja auch kein Aufwand. Flirts auf der Bergenbahn - immer wieder mal was Neues.
Angesichts der Menschenmassen, die sich gleich aus dem Zug ergossen, fragte ich mich, wieso ich überhaupt noch ein Zimmer buchen konnte. Mysteriös.
Angesichts des Wetters war die Motivation für grosse Sprünge heute nicht so vorhanden, entsprechend freute ich mich primär über das wie immer sehr leckere Abendessen. Die Wetterprognosen? Unzuverlässig wie immer. Morgen Vormittag wohl schlecht, aber nachmittags waren durchaus Chancen auf mögliche Lichtblicke angekündigt, vielleicht…
Sonntag, 28.4.2019
Wie üblich hier oben gab es keine Eile, früh aufzustehen. Vor 10:00 bewegt sich eh kein Rad (auch die nächsten Tage nicht), ausser vielleicht ein vereinzelter Bauhobel. Auch das Wetter machte noch gar keine Anstalten sich zu bessern.
Gute Neuigkeiten gab es aber von der Rezeption: Mein Keller-Zimmer (günstigste Buchungskategorie halt…) wurde upgraded auf ein „normales“ Zimmer, und so verschob ich mein Zeugs kurz vor Mittag dort hin. Das Zimmer war zwar definitiv netter, aber die Aussicht leider vom neuen Apartmentgebäude südöstlich des Hotels zugebaut. Aber da das Hotel tolle Aufenthaltsräume mit Aussicht hat war das auch nicht tragisch.
Anschliessend machte ich mich mal auf den Weg, mich etwas südlich von Finse an die Strecke zu stellen. Das Wetter war zwar noch immer bäh, aber ich hatte auch keine Ahnung ob und wann es besser wird (kann bekanntlich schnell gehen) und wie schnell man auf dem Schnee vorwärts kommt.
Unterwegs stellte ich mich kurz bei einer bekannten Stelle auf, denn es war gerade Regiontog-Zeit. Die Stelle hab ich zwar schon, aber immer nur bei schlechtem Wetter. So auch heute.
Vorwärts kam ich ohne, später mit Schneeschuhen relativ gut, obwohl im Schnee kaum etwas vorgespurt war. Bei ein paar Schneefängern stellte ich mich mal auf und harrte der Dinge, die da geschehen mochten.
Der „ToiToi-Express“ transportierte die fürs Skarverennet in Finse aufgestellten mobilen Toiletten ab
Nun tat sich aber was am Himmel! Immer mehr Blau kam hervor. Leider noch nicht genug für Regiontog 601 Oslo - Bergen. Aber dafür für die Rückleistung des vorherigen Leermaterialzuges 11422!
Die bekannte El 18 2254 kommt mit ihrer B5-Garnitur als Regiontog 607 aus Ål zurück und ist wieder auf dem Weg nach Bergen
Der nächste Programmpunkt war nun eine CargoNet-Leistung aus Bergen. Weit weg musste ich dafür nicht. Die Wolken machten zwar wieder Anstalten, in die Quere zu kommen, aber am Schluss ging es doch knapp gut.
Nun machte ich mich wieder auf zurück in Richtung Hotel, war doch das Abendessen auf 19:00 bereit. Die nun folgenden Züge waren tendenziell eh mit wenig Seitenlicht unterwegs, bzw. die Wolken machten sich wieder breit. Der nächste Regiontog nach Oslo kam allerdings noch in der Sonne, wenn auch der Sonnenstand nicht mehr so recht passen wollte, und deshalb etwa Basteln angesagt war.
Nun hätte ich in der Theorie noch Zeit gehabt, mich für den folgenden westfahrenden Güterzug 5527 aufzustellen. Da der aber etwas vorzeitig unterwegs war und die Kreuzung mit dem 64er von Haugastøl nach Tunga verlegt wurde, kam der mir zuvor und es gab nur einen unschönen Notschuss kurz vor Finse.
Damit war das Programm für heute durch - unerwartet erfolgreich angesichts dessen, dass gestern früh die Wetterprognose für heute noch ganztags starke Bewölkung vorhergesagt hatte!
Das Abendessen war wie immer lecker, und anschliessend wurden noch ein paar Pläne für morgen geschmiedet, denn die Prognosen waren für den ganzen Tag ausgezeichnet! Aber da müsst ihr euch noch gedulden.