Sommerrunde mit Ecken und Kanten – Teil 1

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Da war er nun, der Sommerurlaub 2022. Und irgendwie war kein richtiges Konzept da. Alles hatte sich verändert in den letzten, knapp drei Jahren. Und das hat nicht nur, aber doch zu großen Teilen mit „dem Virus“ zu tun. Wenn Du nur mehr von Woche zu Woche denken und planen kannst, im Bestreben die berufliche Basis zu erhalten und einfach nur unbeschadet durchzukommen, dann geht halt einiges an Planbarkeit und Flexibilität verloren. Und so war es fast zwangsläufig, dass sich unsere Reisegemeinschaft aufgelöst hat. Schade, sehr schade, aber wohl auch nicht zu vermeiden.

Doch hey, was soll’s, selbst ist der Mann. Und so hatte ich mir auch schon mit Finnland ein Sommerziel vorgenommen, gab es da doch noch diversen Grenzverkehr und so einige Dieselstrecken zu erkunden. Nun war aber zwischenzeitlich, aufgrund der Lage seit Februar, ein Gutteil der Verkehre eingestellt, was mich die Frage stellen ließ, ob sich die Aktion dann überhaupt noch rentiert. Aber was wären denn dann die Alternativen?

Vielleicht mal um die ganzen Dinge „in der Nähe kümmern, für die sonst aufgrund der großen Touren keine Zeit war?

Klingt doch schon mal nach einer Idee! Dann schauen wir mal an die Wohnungstür, wo einige kleine Post-it mit Merkerlies kleben, was man zeitnah doch noch alles sich anschauen, und fotografisch umsetzen sollte. Also mal sehen: GTW und alte Sicherungstechnik in der Wetterau, nochmal 114er im Kinzigtal und was fährt denn nun eigentlich nach Limburg, die Thüringer Waldbahn, NE81 im Süden, die 1700 der NS vor den Berliner IC-Zügen, die 406er ICE, deren Lebensuhr bereits vernehmlich dem Ende entgegen tickt, 101er, Re 4/4“ vor Personenzügen in der Schweiz, die letzten 1142er der ÖBB im Planeinsatz, Vogelfluglinie, alle noch offenen Dampf-Schmalspurlinien, 485er in Berlin, 67400 im Elsass, ……..

Viel zu viel, um es in eine Tour zu packen. Egal wie intensiv man drei Wochen Urlaub ausnutzt und wie gerne man Kilometer schrubbt. Also erstmal aussortieren und dann versuchen was zu basteln. Und siehe da, es kam am Ende doch was ganz Schlüssiges heraus und die Vorfreude auf die Heimattour wuchs. Leider nur so lange bis die Wettervorhersage zu Rate gezogen wurde. Hatte man nicht die Woche vor dem Urlaub durchweg im Büro gebraten? Von Regen keine Spur? Warum dann jetzt? Und genau in meiner Ferienzeit?

Kann keiner erklären. Hilft jetzt auch nix, die freie Zeit ist da und will genutzt werden.


Sonntag, 24.07.2022
Arbeitstechnisch so richtig rangeklotzt bis zur letzten Minute, brauche ich erstmal ein klein bisschen Luft, um runterzukommen und meine sieben Sachen zu packen. Ganz so akribisch wie bei den weiten Auslandstouren muss ich ja nicht sein, ist doch im Zweifelsfall das nächste Geschäft um die Ecke. Trotzdem will ich mich nicht stressen, hab ja schließlich Urlaub. Und so geht es auch erst am Sonntag los, zu einer Zeit, die gerade noch so akzeptabel ist.

Am späten Vormittag will ich in Gelnhausen sein, um am dortigen Flugplatz meinen ersten GTW der HLB zu verarzten. Wie immer zieht sich die Strecke von der Oberpfalz bis ins hessische ganz gewaltig. Der Verkehr ist zwar moderat, aber die Baustellen lassen die Angelegenheit dann doch recht zäh werden. Immerhin kann ich meinen Zeitplan gut einhalten, nur um vor Ort festzustellen, dass da Bewuchs technisch nichts oder nur sehr eingeschränkt etwas geht.

Also dann Plan B! Hab ich nicht. Und schon kommt Hektik auf, da der Zug drückt. Luftbild plus Strecke abfahren bringen nicht so wirklich etwas Schlaues hervor. Und auch die Stelle, die laut elektronischem Helferlein nett zu sein scheint, ist elend verkrautet. Einer der Nachteile des Hitzesommers 2022. Alles entlang der Bahnstrecken ist übelst hoch geschossen Also ein Schuss von der als Notstelle gemerkten Brücke oberhalb von Lieblos. Mit etwas Nachhilfe am Ende gar nicht mal soooo schlecht.





Fahrt ins Grüne. Mit Ziel Gelnhausen ist 509 104 als HLB 29317 unterwegs, als er nahe dem hessischen Lieblos einen stark verwachsenen Einschnitt passiert.






Gut, der erste GTW wäre schon mal im Kasten. Aber ich bin ja nicht nur wegen er Fahrzeuge hier. Auch die Infrastruktur, mit den vielerorts noch vorhandenen mechanischen Signalen, ist ja ein Grund, sich in der Ecke herumzutreiben. Also Standortwechsel zum Kreuzungsbahnhof Bündigen.

Auch hier ist es alles andere als leicht, einen geeigneten Standort zu finden, bei dem sich sowohl die auslaufenden Schweizer Erzeugnisse des Fahrzeugbaus, als auch die strippengeführte Signaltechnisch vernünftig auf ein Bild bringen lassen. Auf meiner treuen Colakiste balancierend, stehe ich, unter Ausnutzung meiner vollen lichten Höhe von 1,88 m, mitten in einer Brombeerhecke, angestrengt versuchend, möglichst vielen modernen Tand und sich stachelig nach mir streckendes Geäst aus dem Bildausschnitt zu halten.





Von Gelnhausen kommend, rollt 509 104 als HLB 29318 in den Bahnhof von Büdingen, während die HLB 29319 aus Gießen bereits im Bahnhof die Kreuzung abwartet. An diesem Tag hat 509 105 diesen Dienst übernommen.






Viele Abschnitte der Strecken im Wetteraukreis sind noch im Jahr 2022 mit alter Sicherungstechnik ausgerüstet. So auch der Bahnhof von Büdingen (Oberhessen). Dort hat 509 105 mit 509 104 gekreuzt. Jetzt brummt er lautstark, als HLB 29319, am gezogenen Ausfahrtssignal vorbei in Richtung Gelnhausen.






Der „105“ ist also der zweite Kandidat im Rennen. Mal schauen, ob wir ihm später nochmal begegnen. Jetzt soll es erstmal weiter gehen. Bei Ortenberg dreht die Strecke wieder ins Licht, also nichts wie hin. Zeitlich müsste es ganz entspannt gehen, ist doch der Weg nicht allzu weit. Angekommen muss ich aber feststellen, dass man die Stelle mit dem Auto nicht anfahren kann. Es ist ein kleiner Fußmarsch nötig, den ich mir ehrlicherweise gesagt bei den aktuell herrschenden Temperaturen von mehr als 30°C lieber sparen möchte. Zudem macht sie mir aus der Distanz nicht so den Eindruck, als würde dort 100%-ig etwas gehen. Wofür dann der ganze Aufwand? Und schon hat die Bequemlichkeit gewonnen.

Im Streckenabschnitt vorher steht das Licht achsig, der Abschnitt dahinter wäre zwar gut im Licht, aber er ist total zugewachsen. So lande ich schließlich, wenig erotisch, im Abzweigbahnhof von Glauburg-Stockheim. Dort gibt es erst mal einen Nasenschuss auf einen ausfahrenden Desiro der DB, danach verkrieche ich mich in den Schatten, um die Ausfahrt des nächsten GTW zu verewigen. Immerhin gibt das alte Stellwerk etwas Motiv.





HLB 103 verlässt den Abzweigbahnhof Glauburg-Stockheim. Unter der Zugnummer HLB 29321 ist er unterwegs nach Gelnhausen.






So, damit dürfte ich wohl alle GTW abgelichtet haben, die hier heute auf der Strecke hin und her schrubben. Zeit für einen Wechsel. Zudem will ich ja Flügel, Strippen und das Flair vergangener Bundesbahntage aufs Bild bringen. Und davon gibt es hier nun leider nichts mehr zu sehen. Also noch schnell etwas fotografisch im abgestellten DB-Park gewütet und dann schwitzend ab durch die Mitte.





Wochenendruhe im Bahnhof Glauburg-Stockheim für 642 567-1 und seine Kollegen.






Noch haben sie Pause. Morgen heißt es für 245 019 und ihre Kollegin dann wieder die mit Pendlern besetzten Doppelstöcker in den Ballungsraum Rhein-Main zu bringen.






Einmal quer durchs Hessische. Die ausgedörrte Landschaft um mich herum und die Hitze lassen eher Assoziationen zum Balkan im Sommer aufkommen, als zu deutscher Provinz. Beienheim heißt das nächste Ziel. Kleiner Ort mit Abzweigbahnhof. In früherer Zeit ging hier von der Linie Friedberg – Nidda mal die Strecke nach Hungen ab. Obwohl noch vorhanden, liegt sie nun zum größten Teil brach und wird nur mehr auf dem kurzen Abschnitt nach Wölfersheim-Södel befahren. Allerdings gibt es wohl Bestrebungen, den weiteren Streckenabschnitt wieder zu reaktivieren. Sind wir gespannt.

Angekommen in Beienheim, das verwaltungsmäßig zur Stadt Reichelsheim gehört, stelle ich fest, dass hier die Zeit irgendwie stehen geblieben ist. Jede Menge Nebenbahnambiente aus vergangenen Zeiten. Und das mitten im Großraum Frankfurt. Flügelsignale mit dazugehörigen Seilzügen und Gegengewichten, niedere Bahnsteige, Kilometersteine, eine Laderampe, Holzmasten die Freileitungen tragen. Da fallen die homöopathisch ausgeführten Modernisierungen wie teilweise erneuerte Bahnsteigkanten und das ein oder andere Schild nicht wirklich auf. Genau das, was ich gesucht habe. Einzig die auch hier überbordende Vegetation und die schier unerträgliche Hitze trüben die Freude über die anstehende Fotosession ein wenig.





509 107 hat als HLB 29418 nach Nidda den Abzweigbahnhof Beienheim erreicht, um hier mit der entgegen kommenden HLB 29421 zu kreuzen.






Nach der Kreuzung mit 509 107, verlässt 508 106 der HLB als RE 29421 nach Friedberg den recht naturbelassenen Abzweigbahnhof Beienheim.






Stillleben mit alter Sicherungstechnik. Während die GTW der Hessischen Landesbahn den Planungen nach zum Fahrplanwechsel 2022/23 aus den Einsätzen auf dieser Linie verschwinden werden, sind auch die Tage der mechanischen Sicherungs- und Weichenanlagen bereits gezählt.






Als nächstes steht die Leistung nach Wölfersheim-Södel an. Der kurze Streckenstummel bietet indes recht wenig Möglichkeiten sich zu stellen. Im Ort geht gar nichts und zwischen dem Endpunkt und dem Abzweig Beienheim ist es einfach nur flach und verkrautet. Die beste Chance bietet sich noch nahe des Bahnübergangs an der Straße nach Echzell. Das man hier bequem anfahren und im Schatten warten kann, ist gerade auch kein Nachteil.





509 111 als HLB 24668 unterwegs auf der zur Stichstrecke degradierten Linie nach Wölfersheim-Melbach. Allerdings bestehen Planungen, in naher Zukunft die Strecke nach Hungen wieder zu reaktivieren. Dann wird die Zeit der GTW dort aber bereits vorbei sein.






So, wieder zurück nach Beienheim zur nächsten, anstehenden Kreuzung. War vorhin die südliche Ausfahrtsgruppe dran, muss jetzt die im Norden herhalten. Auch wenn die Sonne noch nicht optimal steht, nehme ich pünktlich Aufstellung.





Einfahrt frei, zwei Flügel! Nur das Ortschild im Hintergrund verrät es. Wir sind tatsächlich im Jahr 2022 in Deutschland, mitten in Hessen, unweit der Bankenmetropole Frankfurt/M.






Klappernd sind die Flügel des Einfahrtssignals wieder in die Haltstellung gefallen, während 509 107 als HLB 29423 langsam in den Bahnhof Beienheim dieselt. Dort wird mit 508 106 an, der als HLB 29420 in der Gegenrichtung unterwegs ist, gekreuzt.






Ausfahrt für 508 106 als HLB 29420






Etwas mehr als 20 Minuten dauert es jetzt, bis die Leistung aus Wölfersheim-Södel wieder zurückkommt. Bis es soweit ist, schau ich mir den Bahnhof noch etwas an. Spitze beim Fahrdienstleiter durchs Fenster und bewundere das Wespennest, welches eingebettet in der Ziegelmauer für ordentlich Flugbewegungen sorgt. Dann stehe ich auch schon wieder in der prallen Sonne auf der Güterrampe, bereit den silbern glänzenden GTW in leicht morbiden Ambiente aufzunehmen.





Wie aus der Zeit gefallen wirkt der Bahnhof von Beienheim. Gerade kommt 509 111 aus Wölfersheim-Södel eingefahren. Als HLB 24669 geht es für ihn nach kurzem Halt weiter nach Friedberg.






Zugegeben, ich bin mittlerweile recht gut durch. Hitze und eine eher kurze, unruhige Nacht zeigen so langsam Wirkung. Also bricht nun auch nicht wirklich dynamische Aktivität aus. Vielmehr verziehe ich mich, nebst Auto, in den Schatten, um das weitere Vorgehen zu planen. Wohin als nächstes, wo übernachten und was morgen? HLB-Flirt? Wäre interessant. Nochmal die VT2E besuchen, an ihren letzten Tagen? Auch nicht so verkehrt. Blöd nur, dass sich hier in der Ecke nichts Gescheites, oder bezahlbares, als Übernachtung auftreiben lässt. Zudem scheint das Wetter morgen sehr wechselhaft zu werden. Morgens noch leidlich schön, dann eingetrübt mit Regenschauern. Also sollte man früh stehen und dann an einer Strecke sein, wo ordentlich Verkehr Chancen auf mehrere Versuche garantiert.

VT2E hatte ich nun schon mal bei wechselndem Wetter. Flirt können warten, dafür stand doch die Strecke nach Limburg auch auf der Liste. Fahren dort evtl. wie im letzten Jahr noch 143er? Oder wurden sie von den 114er abgelöst, die auf der Kinzigtalbahn frei wurden? Zudem gibt es ja da auch GTW Leistungen, auf dem Abzweig nach Wiesbaden. Aber irgendwie fahren die da nicht, ergibt sich wenigstens aus dem Fahrplanstudium. Oder doch? Bin verwirrt, überfordert und gerade etwas demotiviert. Gut dass die nächste Kreuzung ansteht und so für Ablenkung sorgt.





Detailaufnahme. Kameraüberwachung bei 509 107.






Einfahrt für HLB 29425 aus Nidda. Gerade passiert 508 106 die Signalgruppe des Bahnhofs Beienheim.






Ausfahrt nach Nidda. 509 107 verlässt als HLB 29422 den Bahnhof Beienheim.






Wieder zurück im Auto fallen die nächsten Entscheidungen recht flott. Erstmal geht es nach Hungen. Von Gelnhausen her steht ein Zug an, den man schön bei der Einfahrt mit der dortigen Signalgruppe ablichten kann. Da zwischenzeitlich auch entschieden ist, morgen an die Linie nach Limburg zu gehen und folglich die Übernachtung in Frankfurt geplant wird, macht eine anschließende Weiterfahrt gen Norden, entlang der Strecke keinen rechten Sinn. Zumal die dortigen Motive mit alter Infrastruktur im diese Tageszeit eher ungünstig im Licht liegen. Dagegen lockt die Kinzigtalbahn in der Hoffnung, dass man in der HVZ doch noch die ein oder andere 114er ins Rennen schickt. Zudem könnte ja auch ein 415er vorbeikommen. Die, aufgrund der geringen vorhandenen Stückzahl, die wohl „exotischte“ alle ICE-Reihen.

Der Bahnhof von Hungen zeigt sich durch Modernisierung verwüstet und in weiten Teilen verkrautet. Trotzdem geht sich, schwankend auf der schon bekannten Kiste, ein Bild mit Signalgruppe aus.




Wie viele Bahnhöfe zwischen Gelnhausen und Gießen, verfügt auch noch der Bahnhof Hungen über mechanische Signale. 509 104 der HLB passiert als HLB 29328 die südliche Ausfahrtsgruppe der Station.






Ja, es gibt sicherlich spektakulärere Motive, aber Ziel ist und war es ja, auch die alte Infrastruktur mit auf den Chip zu bannen. Ewig wird man diese nicht mehr bewundern können und einmal weg, ist das Heulen und Zähneknirschen dann groß.

Nun solls aus oben genannten Gründen aber gut sein. Einen kurzen Tankstopp fürs Auto und ein Nogger für mich, rolle ich auf der Autobahn mit Grundrichtung Süden. Die Außenkurve an der Ausfahrt von Wirtheim soll es sein. Die könnte jetzt gerade schön im Licht liegen. Tut sie auch, wenn auch nur ganz, ganz knapp.





Von Dresden her kommend ziehen 411 082-1 und 415 001-7 als ICE 1556 in Wirtheim durch die Kurve.






146 251-4 schiebt den RE 4524 nach Fulda.






Ihre wahre Leistung nicht wirklich auf die Schienen bringen, können die ICE auf der kurvigen Kinzigtalbahn. 401 014-6 schlängelt sich als ICE 375 von Berlin kommend, der Mainmetropole Frankfurt entgegen.






Eigentlich hätten die Loks der Reihe 114 bereits im Herbst 2021 von Vectrons und Traxx abgelöst werden, doch auch im Sommer 2022 sind sie noch entlang der Kinzig unterwegs. Nach dem Planhalt in Wirtheim beschleunigt 114 038-3 die RB 15527 wieder in Richtung Frankfurt/Main.






Mal eine Wäsche vertragen, könnte 412 053. Als ICE 838 von Berlin-Gesundbrunnen her kommend, zieht er durch die Kurve hinter dem Bahnhof Wirtheim.






Und nochmal der Klassiker im Kinzigtal. 401 558-2 hat als ICE 771, von Hamburg her kommend, bald den Wirtschaftsraum Rhein-Main erreicht.






Ordentlich Programm in kurzer Zeit. Zwar „nur“ Alltagsverkehr, aber so manch Schätzchen wird mehr oder weniger zeitnah aus dem Betriebsdienst verschwinden. Und auch der Standort wird wohl so nicht mehr vorhanden sein, sollte die Aus-/Neubaustrecke realisiert werden.

Auch wenn es sich hier entspannt sitzt, der Schatten des Bergkamms hat jetzt schon fast die Schienen erreicht. Zeit sich zu verschieben. Ich schau mal vor in den Bahnhof, der mit seinem Fußgängerüberweg durchaus ein Motiv bildet. Dort hat man aber arg gewütet. Absperrbarken, offene Schächte für Kabel, neue Signale, Baugerödel…. Nix gutt!

Noch während ich auf den Stufen hinauf zum Übergang stehe, kommt unter mir eine 114er nebst Zug durch. „Ich glaub, die hab ich noch nicht!“, schießt es mir durch den Kopf. Und ja, ein Blick in unser Portal und in die dortige Aufstellung zeigt, die Maschine ist noch unfotografiert.

Aber wo jetzt aufstellen? In der Kurve hinter mir ist jetzt schon Schatten. Der Bahnhof selbst ist verwüstet und scheidet aus. Bleibt nur die Straßenbrücke, auch wenn für die die Sonne noch nicht wirklich rum ist. Aber was hilfts.

Also packe ich mich mit beginnendem Sonnenbrand auf den schmalen Zwischenraum zwischen Geländer und Leitplanke und harre der Dinge die da kommen. Darunter auch die eben gesehene 114er.





193 866, einer der Mietvectron die den Verkehr auf der Kinzigtalbahn beschleunigen sollen, mit dem RE 4529 auf dem Weg nach Frankfurt Hbf.






Über 30 Jahre schon im Schnellverkehr unterwegs ist 401 006-2 als einer der ersten Garnituren, die ab 1988 an den Start gegangen sind. Ab von jeglicher Rennstrecke und bei weitem nicht bis an die Leistungsgrenze gefordert, rollt er bei Wirtheim als ICE 1699, von Braunschweig kommend, in Richtung Frankfurt/Main.






146 252 hat mit dem RE 4526 den Bahnhof Wirtheim ohne Halt passiert und ist nun unterwegs nach Wächtersbach.






Und da ist sie wieder! Im Licht der sinkenden Sonne hat 114 033, aus Wächtersbach kommend, mit der RB 15529 nach Frankfurt/M den nächsten Halt "Wirtheim" erreicht.






Jawohl! Wieder eine Lücke im Archiv geschlossen. „Der Sammler“ freut sich. Nun kann ich getrost, mit zwischenzeitlich stark geröteter Nackenpartie, meinen Standpunkt verlassen und Zuflucht und Erlösung vom Durst in meinem fahrbaren Untersatz finden.

Wenig später geht es via Autobahn in Richtung Mainmetropole. Als Herberge habe ich mir das Intercity Hotel hinterm Flughafen ausgesucht. Das liegt durchaus günstig, kann mit einem Angebot aufwarten und man kann sein Abendessen schön draußen genießen. Letzteres hatte ich so von meinem letzten Besuch her wenigstens noch in Erinnerung.

Nur das Vergangenheit und Gegenwart nur allzu leicht zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sein können, wird mir bereits schmerzlich bewusst, als ich die Autobahn wieder verlasse und hilflos über die neuen, teils noch im Bau befindlichen Straßen hin zur Cargo City irre. Zwar steht das Hotel gut sichtbar da, nur ein Weg dorthin lässt sich nicht finden. Und so drehe ich diverse Runden, teils erlaubte, teils eher fragwürdige, bis ich endlich, mehr aus Zufall als aufgrund der kläglichen Beschilderung, einen der letzten Parkplätze vor dem „edlen“ Haus ergattere.

Warum das „edel“ in Anführungsstrichen steht? Naja, am Empfang wird mir Kund getan, dass mit gemütlichem Abendessen wird wohl nix. Also umsatteln auf Selbstversorger. In meinem Fundus schlummert gottlob noch eine halbe Pizza von gestern, die erkaltet auf ihren Verzehr wartet. Das Problem wäre also gelöst. Nur da tut sich ein nächstes auf. Ein oder zwei kühle Getränke dazu, brauchst schon noch. Diverse Automaten stehen im Hotel verteilt, bereit angemessen temperierte Flüssigkeiten auszuwerfen. Aber alles nur Softdrinks oder Wasser. An beiden besteht aktuell bei mir aber kein Bedarf. Eine Hopfenkaltschale soll es bitte sein. Also mal in die Bar weitergewandert und dort mit flehentlichem Blick vorsichtig nach einem Bier to Go gefragt. Alternativ würde ich halt den Durst hier und den Hunger dann anschließend Zimmer stillen. Doch das ist nicht nötig. Gerne kann ich beim freundlichen Mitarbeiter hinterm Tresen nach einigem Warten zwei Fläschchen köstlichem Gebräus erstehen, allerdings zu Preisen, die es angebrachter erscheinen lassen, das goldene Nass lieber zu inhalieren, als in großen Zügen zu trinken.

Nun sitze ich in meinem, ehrlicherweise schon recht abgewohnten, dunklen Zimmer, lasse es mir gut gehen, während ich durch die Scheibe die Flugzeuge beobachte, die am nahen Airport landen.

Gute Nacht!