Türkei im Herbst 22 - Teil 4/9

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04. Oktober 2022 / Elâzığ – Elâzığ
Jetzt sind wir also da, in Elâzığ. Das hatten wir gar nicht mal unbedingt geplant. Aber das Wetter wollte es so. Und jetzt konnten wir zum ersten Mal etwas «zurücklehnen». Denn Yannik war gerade erst hier. Wir hatten also mal ein paar Anhaltspunkte, zumindest was den Verkehr anbelangt. Und da war ja bei ihm überraschend viel Güterverkehr unterwegs. Wir hofften einfach mal darauf, dass es sich in dem Monat seit seinem Besuch nicht weniger wurde.
Kein Geheimnis sind die eher hohen Verspätungen der Expresszüge aus Ankara nach Osten. Das hatte Yannik auch so erlebt. Und wir rechneten heute früh einfach mal mit der Verspätung des ersten Zuges im Plan.
Heute war «Kurtalan-Tag». Wenn man sich die Karte anschaut gibt es zwei Strecken nach Osten in diesem Bereich. Eine führt nach Kurtalan, die andere nach Tatvan am Vansee. Im Wechsel verkehrt täglich ein Zug von und nach Ankara. Das heisst nach Kurtalan gibt es täglich entweder ein Zug nach Osten oder nach Westen. Auf der oberen Strecke, nach Tatvan, ist es etwas besser, da fährt ein Bölgesel (Regionalzug) wenn der Schnellzug nicht fährt. Da gibt es also täglich zwei Personenzüge. Ausnahme ist Freitag und Samstag, da fährt der Kurtalan Zug zweimal hintereinander, der Bölgesel ersetzt aber nicht alle Leistungen.
Und heute war eben Kurtalan-Tag. Also am Vormittag ein Exspressi nach Kurtalan, am Nachmittag von Tatvan. Die Strecken trennen sich südwestlich von Elâzığ, sind aber in diesem Bereich relativ nah beieinander und in 30min kann man zwischen den Strecken hin und her wechseln. Nicht oft, aber zwei/drei Möglichkeiten gibt das Strassennetz her ;).
Wir wollten den Kurtalan Exspresi heute früh am Hazar Gölü fotografieren. Das einer der grossen Stauseen in dem Bereich südlich von Elâzığ. Die Bahn fährt da dem ganzen See einfach direkt am Ufer entlang. Wir zielten auf den Sonnenaufgang am See, der Exspresi wäre dann zwar knapp durch, aber der wird schon nicht pünktlich sein.
Um 6:30 Uhr ging es los. Noch vor Sonnenaufgang. Denn 45min zu einer angedachten Stelle brauchten wir schon. Wir fuhren mal den ganzen See auf der parallelen Strasse ab. Und dabei machte sich ein Problem bemerkbar; die Sonne braucht noch ein «paar Minuten» um über die Hügel hinter der Strecke zu kommen. Wir setzten uns an den ersten Ort, wo das nicht mehr sooo lange gehen würde und hofften auf eine wachsende Verspätung des Zuges.
Es dauerte dann tatsächlich lange bis ein Grummeln lauter wurde aus dem Westen. Die Sonne war gerade dabei die letzten schattigen Abschnitte vor uns zu erreichen.

72- Bei Yoncapınar stehen wir am frühen Morgen um den Güney Kurtalan Ekspresi 22014 (Ankara - Kurtalan) zu fotografieren. Wir spekulierten auf eine zünftige Verspätung und so war es auch an diesem Tag. DE22 043 zieht den Zug an diesem Vormittag nach Osten, vorbei am Hazar Gölü, einem grossen Stausee.


Auch wenn Güterverkehr nicht gänzlich unwahrscheinlich war, zogen wir es vor dem Zug hinterher zu fahren für mehr Bilder. Bis wir die Hauptstrasse erreichten hatten wir den Zug etwas aus den Augen verloren, aber dann schnell überholt. Mit 30 Sekunden Vorsprung gelang ein weiteres Bild gleich am Anfang des folgenden Tals bei Keleşan.
Kaum vorbei sassen wir wieder im Auto und zogen durch bis Maden. Da die Bahn jetzt ebenfalls durchs enge Tal kurvt nimmt die Geschwindigkeit ab und wir kamen gut wieder am Zug vorbei.
Bei der Flussbrücke, über den Maden-Stream (toller Flussname auf GoogleMaps) südlich von Maden wollten wir ein weiteres Bild vom Zug. Nur verpassten wir den passenden Parkplatz. Die Strasse ist in diesem Bereich 4-Spurig mit Leitplanke in der Mitte. Schnell drehen ging also nicht. Ein paar Kilometer hin und zurück mussten dann sein um das Doppelwendemanöver erfolgreich hinter uns zu bringen. Und dann standen wir irgendwie am Strassenrand und waren schnell um ein Bild reicher.

73- Bei Keleşan das nächste Bild. Da geht es ins Maden Tal hinein. Das heisst da so nicht wegen den Kriechtieren sondern wegen der Stadt im Tal und auch der Fluss nennt sich Maden ;).

74- Südlich von Maden quert die Bahn den Fluss, und direkt an der Hauptstrasse kann man gemütlich stehen.


Und dann auf zum letzten Bild von diesem Zug. Von Yannik wussten wir, dass der Bahnhof in der nächsten Stadt (Ergani) noch Flügelsignale hat. Und da fuhren wir dann hin. Alles ziemlich Zeitunkritisch, auch wenn man einmal quer durch die Stadt fahren muss um zum Bahnhof zu gelangen. Das Licht war da an der Einfahrt aber furchtbar in der Gleisachse, so kramten wir das Tele raus um spitz aufs Einfahrsignal zu fotografieren.
Im Bahnhof stand ein Gegenzug, oder wurde der beladen? Auf jeden Fall war der nördliche Weichenposten besetzt. Und der Eisenbahner hatte gar keine Freude an unserem Tun. Als er uns erblickte mit den Kameras schrie er rüber. Was genau war nicht klar, es war aber ziemlich klar, was er wollte. Ignorieren? Wollten wir nicht, so sind wir zu ihm hin, schüttelten die Hände, und versuchten ihm zu erklären wie harmlos wir sind. Das interessierte ihn aber nicht wirklich.
Dann verzichteten wir halt auf das Bild. Kaum war der Ekspresi im Bahnhof drin waltete der Mann seines Amtes und legte die Weiche um. Der Güterzug der da stand, fuhr dann sofort los. Als der Bahnübergang wieder frei war folgten wir ihm. Die Brücke von Maden, von gerade eben, wäre doch prima für den Zug. Selbes Spiel zwar zum Parken … aber Zeit blieb genug.

75- Bei einem Besuch im Bahnhof von Ergani sahen wir diesen Güterzug nach Norden ausfahren. Also wechselten wir den Zug und folgten ihm. Das erste Bild an derselben Brücke wie vorhin, einfach jetzt in die Gegenrichtung. Es ist DE33 024.


Wir konnten jetzt das Programm von vorhin fast 1:1 abspielen, einfach rückwärts. So fanden wir uns wieder am See, genau an derselben Aussenkurve. Da geht auch die Gegenrichtung – aber besser. Denn hinten ist es frei, und wir latschten in der Mittagshitze den steilen Hügel hinauf.
Der Zug wollte und wollte nicht kommen, haben wir ihm so viel Zeit abgenommen? Oder hat man ihn irgendwo stehen lassen, oder kommt gleich etwas von hinten? Wir setzten uns eine Deadline, um das angedachte Nachmittagsprogramm nicht komplett sausen lassen zu müssen. Er nutzte die Zeit und kam noch 30min vor Ablauf der gesetzten Frist.

76- DE33 024 an der Gegenseite von der Bild 72 Stelle. Der Zug brauchte ewig bis er da war, aber er kaum früh genug um unser Nachmittagsprogramm nicht zu gefährden.


Nachmittagsprogramm, genau: Von Tatvan fährt der Exspresi heute los, nach Ankara. Ihr erinnert euch. Und wir wollten jetzt die Strecke wechseln und ihm etwas entgegen fahren, um sinnigerweise eine Verfolgung zu starten. Verfolgen erschien uns wieder als klug, trotz Güterverkehr. Denn lieber sichere Bilder als vielleicht. Nach den letzten zwei Tagen waren wir von dieser Taktik überzeugt ;).
Wir wählten zum Wechsel die Nebenstrasse bei Gezin quer über die Berge. Das wäre die schnellste Variante, und deutlich kürzer als über Elâzığ. Frage war nur der Zustand – denn ob Yannik da mal durch ist? Er hat es zumindest nie genau definiert in seinem Bericht :). Die Strasse war aber so gut im Schuss wie es sein muss damit man flott vorwärts kommt.
Und so rollten wir gut in der Zeit an Palu vorbei. Dieses Palu liegt am Anfang des Murat-Tals auf der oberen Strecke. Dieses Tal ist ganz zum Beginn noch mit einer Strasse erschlossen. Dann folgt viel nichts. In diesem ersten Abschnitt kann man aber gut stehen – wir schauten uns alles einfach mal an. Als wir dann eine Stelle erwählten, beim Kozlu-Camping (auf Google … ehm, eine Ruine in der Realität ;)) standen wir in den Schatten. Ein Bauer fand uns unheimlich spannend, zog aber nach 10min wieder ab als er zwar verstand was wir machen, uns aber eben doch nicht verstand.
Und zur Planzeit des Ekspresi kam … ein Güterzug. Ha, wir erinnerten uns an die Zeilen von Yannik, dass man den Personenzügen hier auf der Strecke gerne Güterzüge vor die Nase setzt. So auch hier.

77- DE24 117 zieht eine Schlange von Schüttzugcontainern in Richtung Westen. Aufgenommen am Anfang des Murat-Tals kurz vor Palu.


Wie gross wohl die Blockabstände sind? Bestimmt gross genug damit wir die Stelle für den Personenzug wechseln können. Und so war es auch. Nur 1km weiter westlich kletterten wir den nächsten Hang hinauf und standen bereit für Ekspresi. Der kam dann ziemlich genau 30min hinter dem Güterzug – und eben mit 30min Verspätung.

78- DE22 072 mit dem Van Gölü Ekspresi 52011 (Tatvan - Ankara) und +30min kurz vor Palu. Der Güterzug hat sich in seine Trasse geknallt und ihn wohl verspätet.


Mit zünftigem Tempo stolperten wir den Abhang wieder runter zum Auto. Denn die Verfolgung startete, und mit etwas Glück könnte es bereits hinter Palu wieder ein Bild geben. Die Stelle hat man beim ranfahren schon entdeckt.
Der Zug stand in Palu am Bahnhof als wir auf der anderen Muratseite die Ortschaft querten. Also alles save. Kaum gestellt war die Lok auch schon rollend zu sehen im Ort. Verschwand dann aber wieder zurück zum Bahnhof. Hat man da einen VIP vergessen? Oder hat der Fahrdienst einen Kreuzungszug vergessen? Ein Gegenzug war es nicht, denn 10min später kam der Zug wieder und diesmal komplett.

79- Der Zug verlässt Palu auf dem Weg nach Ankara. Die Verspätung ist nicht weniger geworden.


Wir waren jetzt südlich von Palu und «mussten» auf dieser Strasse weiter. Nach 30km trifft man wieder auf die Bahn. Diese 30km reichten dann auch um locker wieder am Zug vorbeizukommen. Dachten wir zumindest. Er war dann viel näher als vermutet. Wir fuhren zu einem Bahnübergang und viel zu schnell rollte der Zug an uns vorbei. Wir standen doch noch gar nicht richtig.
Dieses Bild wollten konnten wir riskieren, weil die nächste Stelle, die wir fix gesehen haben, nochmal eine ganze Ecke weiter westlich lag. Da hin hätte man ihn locker eingeholt. Oder besser; bis dahin hatten wir ihn dann locker wieder überholt und der Vorsprung war auch gross genug, um gemütlich zur Stelle zu laufen. Die Stelle liegt ganz am Ende des Keban Stausees. Dem nächsten riesigen See da oben. Auch diesem See folgt die Bahn über viele Kilometer direkt am Ufer. Ufer ist zu dieser Jahreszeit vielleicht etwas grosskotzig geschrieben. Der See ist, wie es im Herbst halt so ist, relativ weit zurückgezogen und viele flache Uferbereiche sind trocken.

80- Bei Yenikapı das nächste Bild vom Ankara-Ekspresi. Wir blicken diesmal auf den Keban-Stausee.


Schade war jetzt die Verspätung - für das nächste Bild. Wir wollten zu einer (bzw. der einzigen) Strassenbrücke im Stadtbereich von Elâzığ – und da wäre schon zur Planzeit kaum mehr Seitenlicht. Der Zug braucht durch die Stadt ewig, wir konnten im Süden relativ zügig zufahren und sogar noch denk fast leeren Tank füllen.
In Elâzığ hat der Zug planmässig um die 40min Aufenthalt, wir hofften einfach mal darauf, dass man die Zeit nicht rumsteht und nutzt um Verspätung abzubauen. Das geschah aber nur zum Teil. Ungefähr 40min Verspätung behielt der Zug nach der Ausfahrt aus der Stadt.

81- Der Zug verlässt mit ungefähr 40min später Elâzığ. Noch im Stadtgebiet von der einzigen Strassenbrücke hinunter fotografiert.


Nächste Anlaufstelle war dann Yolaçtı. Das ist ein Bahnhof ungefähr 30km südlich von Elâzığ. Da trennen sich die Strecke nach Kurtalan und Tatvan. Ab da geht es dann gemeinsam nach Malatya, wo auch wieder die Fahrleitung erreicht wird. Wir planten an eine Ecke direkt hinter Yolaçtı. Da gibt es eine nette Kurve, so meldete es die Luftbildüberwachung.
Der Zug fährt im flachen Land, es ist ein grosses offenes Tal bis Yolaçtı, zwar flott. Aber der Schlenker zum Bahnhof kostet Zeit, Zeit die wir zur Überholung nutzen konnten. An der angedachten Kurve angekommen mussten wir etwas weiter nach vorne als vermutet. Zum Glück gibt es da überall Feldwege in der Gegend. Und dann schauten wir auf die Kurve und dachten nur … kennt man. Yannik war doch genau da vor ungefähr einem Monat. Nanana, haben wir die selbe Luftüberwachung? ;)
Der Expresszug kam dann sogar etwas früher als vermutet. Aber alles wunderbar im Licht.

82- Zum letzten mal den Express nach Ankara. DE22 072 zieht die Wagenschlange westlich von Yolaçtı in die nächste Hügelkette hinein.


Eine weitere Verfolgung war wegen der Verspätung nicht möglich. Die Bahn ist im folgenden, sehr hügeligen, Abschnitt nur punktuell erreichbar. Bis Baskil hätten wir den Zug zwar ganz knapp wieder eingeholt, aber da wäre die Sonne schon hinter den Hügeln. Hm. Also sassen wir die letzten 45min Licht einfach noch in unserer Aussenkurve aus. Das war nach dem ganzen Tag «auf Achse» auch mal gemütlich. Es kam sogar nochmal ein Zug … aber von hinten. Schadéee.
So endete der Tag an der Strecke. Es war 17:30 Uhr, die Sonne geht hier im Osten schon deutlich früher unter als zum Beginn des Urlaubs um Istanbul. Wir nutzten das letzte Licht der Dämmerung um bis nach Elâzığ zu kommen. Da stellten wir das Auto vor dem Hotel hin und verteilten uns zum frischmachen in die Zimmer.
Um 19 Uhr nochmal raus zum Essen. Gunnar hatte eine Idee und wir liefen ihm hinterher. Die ausgesuchte Lokalität entpuppte sich aber eher als Take-Away Imbiss mit ohne Sitzgelegenheiten. Das musste nicht sein, also 20min in die andere Richtung zur «Fressmeile» vom Vortag. Aber nicht zum Spiesschenmann sondern ein Schuppen weiter drüben. Die Tavuksish schmeckten wieder vorzüglich und wir konnten mit dem Chai zum Abschluss auf den erfolgreichen ersten Tag anstossen. Und so viel mehr ist möglich hier!
Etwas an der Laune kratzte dann der Wetterbericht für morgen; es wäre tatsächlich genau hier noch schön, ob die Wettergrenze aber über uns oder weiter östlich ist? Die Prognosen waren sich nicht einig. Man wird es sehen, wir planten auf jeden Fall mit einem frühen Aufstehen. Diesmal um dem Tatvan-Ekspresi vorzufahren. Der ist zwar im Dunkeln hier in Elâzığ, aber der wird ja auch nicht im Plan fahren ;).
Wir besuchten nach dem Spaziergang zurück zum Hotel nochmal kurz den Migros und deckten uns mit einem Frühstück für morgen ein.

[hr]

05. Oktober 2022 / Elâzığ – Elâzığ

Wir standen wieder um 6 Uhr, auf um 30min später den Duster zu satteln. Also alles wie gestern. Nur war es nicht ganz so wolkenlos. Es war ziemlich schlonzig. Einziger Vorteil; bei der Fahrt direkt nach Osten ging die Sonne nicht direkt in die Augen auf.
Wir fuhren, wie wir es geplant hatten, zur Mitte des Keban Stausees. Da geht die Bahn von der Ebene kurz durch ein paar Hügel. Und da hat man am frühen Morgen Seitenlicht bzw. sogar noch ganz wenig Frontlicht. Trotz erhöhtem Standort hat man aber bereits sehr früh Sonne auf der Strecke. Wir gondelten gemütlich über die Hauptstrasse direkt nach Osten. Der Verkehr in der Früh ist schwach und auch bei den Polizeikontrollen, die da fix aufgebaut sind, interessierte sich niemand für uns.
Etwa 30min später erreichten wir die Stelle bei Icme. Auch die Zufahrt direkt an die Stelle war kein Problem. Wir waren alleine … und hatten doch ganz gut Licht bereits. Der Tatvan Ekspresi war jetzt in unserer freudigen Erwartung.
Aber da tat sich nichts, über eine Stunde lang. Und dann kam; ein Güterzug nach Osten. Wieder hat man dem Personenzug ein Güterzug vor die Nase gesetzt? ;).

83- Bei Icme. Wir erwarteten eigentlich den Ekspresi nach Tatvan mit Verspätung. Stattdessen rollte irgendwann nach 8 Uhr DE33 075 mit einem Güterzug (und hinten Iranischen Wagen) nach Osten.


Ob obige Theorie stimmt würden wir ja in spätestens 30min sehen. Wir warteten weiter, aber da tat sich nichts. Dafür würde es plötzlich wieder heller. Von Südwesten zog mehr blau in unsere Richtung. Siffiges blau, aber blau. Als dann die Sonne langsam kräftiger wurden kam Hektik auf. Denn die Sonne war schon so falsch, dass man da gar nicht weiter stehen wollte. Wohin jetzt?
Eine erste Stellenidee direkt an der Schnellstrasse, damit man den Zug sicher nicht verpasst, mochte nicht zu überzeugen. Viel eher wollten wir in den Abschnitt direkt hinter dem Tunnel an dessen Portal wir standen. Kurze Recherche über das Luftbild zeigte, da kommt man relativ einfach hin. Aufpassen muss man nur bei einer Zufahrt zu einem Punkt … da wo Yannik seinen Reifen zerdeppert hat. Wir glaubten aber zumindest zu wissen welchen Weg er damals genommen hat – und planten gekonnt drumherum :-).
Zurück auf der Schnellstrasse hatten einer von uns immer den Blick auf der Strecke, nicht dass uns der Ekspresi im dümmsten Moment erwischt. Erstmal beschleunigt hatten wir aber, selbst wenn er kommen würde, wieder etwas Vorsprung. Bei Yolüstü, kaum 5km weiter, war es dann schon wieder vorbei mit der tollen Strassen. Einmal rechts weg und dann .. äääh … war da ein Bauernhof. Die Wege sahen auf dem Luftbild besser aus als in der Realität. Das war alles deutlich hügeliger und steiler als vermutet. Also stellten wir das Auto oben an der Schnellstrasse an den Rand und liefen nach unten. Weit war es nicht, trotzdem hatten wir es eilig.
Direkt an der Strecke konnte man da schon stehen wie vermutet. Aber weiter vorne .. die Aussenkurve. Gunar blieb zurück, Gubi und ich liefen noch einmal 200m weiter nach vorne. Der Ekspresi kam nicht in dieser Zeit. Dafür war es schon ganz sonnig geworden, verglichen mit vorhin zumindest. Und es war windstill, deshalb schwül wie sonstwas. Der Schweiss lief mir in bächen runter. Wir brauchten Schatten zum warten! Ein Baum stand ganz in Ordnung, man müsste dann halt noch 30m durch den Dreck rennen wenn der Zug kommt.
Kaum hingesetzt trötete es, ganz nah. Also ab zur Geländekante und DE22 033 rollte mit dem Tatvan Ekspresi vorbei. Der hatte nur ungefähr 3 1/2h Verspätung, es war fast schon 11 Uhr ;).

84- Mit etwa 3:30 Stunden Verspätung bringt DE22 033 den Van Gölü Ekspresi 22012 (Ankara - Tatvan) nach Osten. Im Hintergrund wieder der Keban Stausee. Unser Standpunkt ist ganz in der Nähe vom kleinen Ort Yolüstü.


Für eine wirklich schnelle Verfolgung waren wir jetzt etwas weit weg vom Auto. Aber wir probierten es mal und liefen flott zurück. Gunar schlenderte vor uns her und machte ebenfalls Tempo als wir ihn erreicht hatten. Er richtete noch die Grüsse vom Bauern aus den er getroffen habe – er konnte anscheinend ganz gut Deutsch ;).
Wir fuhren wieder in Richtung Palu. Wieder «unten rum», durchs viele nichts, dafür mit Umweg. Im vielen nichts kann man Tempo machen. So sahen wir den Zug in Palu dann gerade in den Ort reinfahren. Mit den paar Minuten Vorsprung musste man jetzt nur noch etwas anfangen. Meine Idee an der Murat Brücke hinter Palu zu stehen, fand nicht viele Unterstützer. Zu unsicher erschien die Situation vor Ort, mit dem Einschnitt, dem folgenden Bahnübergang und dann der Brücke.
Der Querschuss auf den kurzen Abschnitt hinter Palu fand dagegen bei allen gefallen. Dafür waren wir auch auf der richtigen Strasse. Direkt von dieser kann man quer über den Murat fotografieren. Und die Felsformationen, welche die Bahn durchquert, sind auch nicht schlecht. Querschiessen bei diesen Lichtverhältnissen vielleicht nicht die beste Idee, aber es war noch immer sehr sonnig.

85- Den Zug hatten wir hinter Palu wieder eingeholt. Der Querschuss über den Murat (der Fluss heisst so) bot sich an.

86- Merkt euch diese beiden kurzen Tunnel, die folgenden Bilder werden genau von da oben kommen. DE22 033 hinter Palu mit dem Expresszug nach Tatvan.


Was tut man mit so einem angebrochenen Tag? Den Zug weiter zu verfolgen war nicht Teil des Plans. Auch wenn es uns schon reizen würde die Täler weiter im Osten noch zu erkunden. Drei Stunden hätten wir noch bis zum Bölgesel aus Tatvan, der wie erwähnt an jenen Tagen fährt, an denen der Ekspresi nicht nach Ankara aufbricht.
Diese Zeit wollten wir auf den Tunneln verbringen, die man bei den oberen beiden Bildern sieht. Da kann man bestimmt prima stehen und dann fotografieren was halt so kommt. Wie wir die Stellen genau erreichen sahen wir von da oben von vorhin gut. Nämlich von der Ebene 0 aus. Also den Trampelpfaden den Gleisen folgen. Wie man auf dem folgenden Bild erkennt, ist es aber gar nicht weit, das weisse Auto da im Bild gehört uns ;).
Wir parkten also an einer Zufahrt und liefen auf den ersten Tunnel hinauf. Es war schweisstreibend, bei über 30°, ohne Wind und gefühlt 99% Luftfeuchtigkeit. Und dann sassen wir da oben voll in der Sonne. Kein Schatten weit und breit. Wir warteten aber kaum 30min als es in Palu trötete. Kurz darauf rollte ein Güterzug in unsere Richtung.

87- Auf dem ersten Murattunnel bei Palu stehen wir als eine DE24 mit einem Güterzug nach Westen rollt.

88- Und der Nachschuss auf diesen Zug. Auf dieser Strecke scheinen die meisten Züge eine Schublok zu haben.


Alles hübsch, auch bei dem Halblicht. Wir zogen dann sofort runter vom Hügel, direkt zum Tunnelportal zu unseren Füssen. Denn da war Schatten, und der tat jetzt not. Wir waren innerlich schon kurz vor dem Siedepunkt. Und niedergaren war keine gute Idee heute.
Im Schatten wartete es sich viel angenehmer. Unbeobachtet von der Jugend, die am Flussufer rumblödelte, sassen wir auf Steinen und dösten vor uns hin - eine Stunde später durch ein Tröten aus dem Osten aus dem Halbschlaf gerissen. Für den Regio war das viel zu früh, also ein Güterzug.

89- DE24 290 mit einem Güterzug nach Westen kurz vor Palu. Der Personenwagen älterer Bauart dient wohl als Mannschaftswagen für das Personal? Diese Bauart ist auf jeden Fall nicht mehr planmässig im Personenverkehr eingesetzt.


Das war doch gut. Denn jetzt konnten wir getrost noch zum vorderen Tunnel latschen für den Personenzug. Dann hätten wir da mal alle potenziellen Stellen zumindest live gesehen. Und wenn dann Wetter ist …
Am vorderen Tunnel die Erkenntnis; die Perspektive kennen wir. Hallo Yannik – aber das nächste mal nehmt ihr besser den Weg den wir nahmen, denn es war ganz gemütlich zum spazieren ;). Auf dem anderen Tunnel gab es immerhin einen grösseren Baum, unter dem wir uns dann im Schatten in den Sand setzen konnten. Und wir schauten zu wie es wieder dunkler und dunkler wurde.
Immer noch sah es vor allem im Südwesten besser aus, wie schon den ganzen Tag irgendwie. Also reifte der Plan nach dem Bölgesel noch an die südliche Strecke zu fahren. Da wäre der Kurtalan Express nach Ankara noch zu unterwegs. Um dieser Sache aber Sinn zu geben, musste der Regio aber erstmal pünktlich kommen. Hachja, und so geschah es.

90- Der Bölgesel von Tatvan nach Elâzığ kommt fast pünktlich aus dem Murattal hinaus nach Palu gerollt. Es zieht eine DE24 – und damit eine andere Baureihe als an den Schnellzügen – was für eine Abwechslung ;).


Zeitlich war alles gut. So liefen wir gemütlich zurück zum Auto. Kaum 10min später waren wir. Wir waren sogar etwas früher unterwegs als es zwingend nötig gewesen wäre, also im Minutenbereich, aber immerhin. So reichte es noch, um an der Tankstelle am Ortsausgang von Palu kühle Getränke zu bunkern.
Unser Ziel war also der Kurtalan Express, wir wählten den Bereich westlich von Sivrice für ein Bild aus. Das ist bereits westlich vom grossen See an der unteren Strecke. Da geht es für die Bahn eine Geländestufe weiter nach unten, durch viele Kurven und zwei grosse Kehren. Wir mussten auch da hin, den Zug würden wir Planmässig erst irgendwo vor Sivrice überholen. So ging es wieder quer über die Berge, diesmal anderes rum als gestern, und dann an die Stelle.
Die Fahrt zog sich etwas, wir waren alle Müde vom vielen rumsitzen bei den heissen Temperaturen. Es wurde daher still im Auto. Erst als ich an der Strassenbrücke inkl. Moscheeblick auf die Nebenstrasse zielte kam wieder Leben auf.
Da standen wir jetzt. Es war etwa gleich «hell» wie vorhin schon. Also nicht. Als dann kurz darauf der Ekspresi, gefühlt ziemlich genau im Plan, auf der obersten Ebene auftauchte verschwand die Sonne gerade hinter der dicksten Schleierschicht am ganzen Himmel. Deshalb kein Bild.
Was tut man jetzt? Mehr als auf einen dem Schnellzug folgenden Güterzug zu hoffen blieb uns nicht. Ich wollte mir aber gerne die nächste Kurve anschauen. Nichts gegen den Blick von der Brücke, aber nur 1km weiter hinten sah es bedeutend interessanter aus. Da hinzukommen war dann, wegen der Richtungsgetrennten Hauptstrasse, wieder so eine Sache mit Umweg und drehen. Über einen Dreckweg erreichten wir die Aussenkurve wo ich hin wollte … um in der kräftiger werdenden Sonne zu sehen, dass der Bergschatten schon länger ist als erwartet. So wird das nichts, also zurück.
Und so standen wir wieder auf dem Weg unterhalb der Brücke. Und fast eine Stunde nach dem Personenzug, in einem helleren Moment, kam tatsächlich etwas. Aber nicht schon wieder eine bekannte Lok, DE22, DE24, DE33 kann man ja mittlerweile fast nicht mehr sehen ;). Es kam ein GE Powerhaul von Körfez Ulaştırma. Der private Betreiber hat ein Zugpaar mit Kesselwagen auf der Strecke. Der Flachwagen vor den Kesselwagen dürfte ein Schutzwagen sein.
Das war doch nett, hatten wir so einen auch mal noch fotografiert. Gestern hatten wir ihn nicht mal gesehen … was uns etwas erstaunte. Auch der hier war zeitlich so gar nicht in der Fahrlage wo Yannik die Züge jeweils fotografiert hatte. Uns war es egal, es war nett das er im richtigen Moment auftauchte ;). Wir sahen den Zug, rollten mit dem Auto aus dem Bild, und liefen auf die Brücke. Wir optimierten gerade.

91- Körfez Ulaştırma kam mit viel Glück auch noch vorbei. Es führt DE3600 004 vor 001. Der Zug rollt Westwärts und mindestens bis Malatya werden diese GE Powerhaul PH37ACai vor dem Zug sein.


Schönschön! Damit war der Abend dann besiegelt. Es war eh schon 17 Uhr und die Sonne hielt sich kaum noch 30min. Dieses Glück forderten wir heute nicht noch heraus. Zumindest ich sehnte mich nach einer kühlen Dusche. Also zurück nach Elâzığ zum Hotel.
Wieder im dunkeln erreichten wir die Zimmer, duschten, und dann ging es zum Essen. Ich hatte heute Lust auf Bier. Und Bier gibt’s nur in den westlichen Restaurants. Und so eins gibt’s ja direkt im Hotel. Ramada Restaurant, nichts was man uuuunbedingt will, oder doch? Das Essen war aber schwer in Ordnung, und das Bier schmeckte nach einem heissen Tag in der Halbsonne auch hervorragend. Das zweite auch … und das dritte übrigens auch ;).
Und so planten wir für morgen noch ein bisschen. Morgen lassen wir bewährte Taktik bewährte Taktik sein, morgen verfolgen wir keine Züge. Morgen fahren wir ins nichts, wo man bei einer Verfolgung sonst nicht hinkommt, vermutlich ;). Wir fahren an die Strecke nach Malatya, also da hin wo beide Strecken schon zusammen sind. Da müsste dann alles laufen – und wie wir die letzten zwei Tage gesehen haben ist das gar nicht mal so wenig.