Sommerrunde mit Ecken und Kanten - Teil 5

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Donnerstag, 28.07.2022

Boah, nur schwer komm ich hoch. Ganz schwer! Erst recht, als nun die Luft etwas abgekühlt hat und ein entspannter Schlaf möglich wäre. „Balkontüre auf“ hab ich mir nämlich eingedenk des nahen Waldes verkniffen. Wenn ich mein Bett schon teilen müsste, dann bestimmt nicht mit Stechgetier.

Nur etwas mehr als fünf Stunden Augen zu, das ist schon hart. Aber was erduldet man nicht klaglos als Fan. Sei es als Fußballfan oder als Eisenbahnfan. In Kombination doppelt fatal, wenn, wie im gestrigen Fall späte Anstoß- und frühe Weckzeit so gar nicht zusammenpassen wollen.

So taste ich mich nun unter der Dusche Schritt für Schritt in Temperaturbereiche vor, die mich einerseits erfrischen und munter machen sollen, andererseits nicht den unmittelbaren Tod durch Erfrieren zur Folge haben.

Draußen angekommen, zeigt sich der Himmel deutlich weniger wolkenfrei wie angekündigt. Aber immerhin gibt es mehr Hoffnung auf ein Sonnenbild als gestern. Und so beziehe ich guten Mutes wieder Stellung in Gildehaus. Das Auto hinter mir auf den Wiesenstreifen gequetscht. Gar nicht so einfach hier zu parken, herrscht doch auf dem schmalen Weg, trotz der frühen Uhrzeit, schon reger Verkehr. Und es sind eben nicht nur Radfahrer, die auf dem Weg zur Arbeit grüßend passieren, auch Bauern sind schon fleißig unterwegs, riesige Traktoren und Maschinen über die Fahrstraße zirkelnd.

Während ich so auf die erste Zugfahrt warte, feuchten meine Schuhe merklich durch. Gut, kalte Füße helfen beim munter bleiben, aber ganz so prickelnd finde ich das jetzt nicht. Immerhin, das taunasse Gras entbindet mich wenigstens von einer Sorge, nämlich der, ob mein Auto, oder besser dessen Auspuff, für einen Großbrand sorgen könnte oder nicht. Ist doch ansonsten das Abstellen im Gelände nicht so ohne in diesem heißen Sommer mit seinen verbrannten Grasflächen. Ein paar dürre Halme am heißen Auspuff, und es kann richtig lustig werden.

Noch bin ich mir nicht ganz schlüssig über das Für und Wider von nassen, kalten Füssen und dessen Gewichtung, da heißt es zum ersten Mal rauf auf die Kiste und abgedrückt, die RB aus Holland kommt ums Eck.





Als morgendliche RB 20357 kommt ET4.08 der Eurobahn aus Holland herüber.






Noch nicht ganz haben die letzten Wolkenflusen sich vor der Sonne verzogen, sodass das frühe Morgenlicht nur etwas trüb daherkommt. Eine Viertelstunde später sieht es aber schon deutlich besser aus. Und ich bin froh darüber. Stadler im Halblicht kann ich verschmerzen. Nez Cassès mit voller Theaterbeleuchtung ist mir wichtiger.





Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung. Auf dem deutschen Gleichstormabschnitt bringt 1761 im zarten Morgenlicht den IC 245 von Amsterdam Centraal nach Berlin Ostbahnhof bis nach Bad Bentheim.






Gekauft! Kam gut der Morgenschuss, ganz wie erwartet. Oder besser gesagt, wie erhofft. Nun aber auf, auf. Getrödelt wird nicht. Das Frühstück ruft, wie mir mein Magen durch unmissverständliches Knurren zu verstehen gibt. Zudem drückt die Zeit, denn in zwei Stunden steht der nächste IC an. Und die „Portugiesin“, so sie denn noch an ihrem Abstellplatz verweilt, wartet auch noch. Zudem muss heute, im Gegensatz zu gestern, noch der Koffer fertig gepackt und ausgecheckt werden. Mano Mann, was für ein Stress am frühen Morgen.

Das üppige Frühstückbuffet ausgenutzt bis wirklich kein Fitzelchen mehr in den Kerl hineingepasst hat, stehe ich nun vor der kleinen Reception, voll Hoffnung, dass mich jemand bemerkt. Während die Uhr gnadenlos tickt, werd ich wieder und wieder ignoriert. Nach einer gefühlten Ewigkeit fühlt sich jemand dann doch mal zuständig und schwingt sich hinter den Tresen, um mich von diversen Euros zu befreien und mir die Freiheit zu schenken. Und so ist die Verabschiedung, wie schon der Empfang. Unterm Strich muss ich sagen, coole Location, aber an Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Service könnten man hi und da schon noch etwas arbeiten.

Erster Programmpunkt: Schauen, ob die 1800er im Portugiesen Look noch dasteht. Dazu geht es an die Westausfahrt, wo die ehemalige Strecke nach Gronau die Hauptbahn in Richtung Niederlande kreuzt. Interessante Situation hier, befindet sich doch direkt unter der Eisenbahnüberführung auch noch ein Bahnübergang. Fast wie auf der Modellbahn. Ähnliches kannte ich bislang nur aus Murnau.

Bingo! Die orange Schönheit ist noch da. Zwar etwas von üppigem Kraut umgeben und auch nicht wirklich richtig im Licht, lässt sich mit etwas elektronischer Hilfe doch ein nettes Belegbild zaubern. Wenigstens eine von diesen Rail Force One Maschinen, die ich so für mich speichern kann.





Getarnt als Portugiesin wartet 1830 von Rail Force One B.V. in der „Gleichstrom-Abstellung“ des Bahnhofs Bad Bentheim auf den nächsten Einsatz.






Weiter geht’s nach Hagelshoek. Dort, in der langen Geraden soll der nächste IC aus Amsterdam verarztet werden. Zwar ist das Licht dort achsig, doch nachdem ein Versuch, etwas weiter vorne in der Kurve was zu finden, durch ungünstig aufgestellte Masten und Signale vereitelt wurde, ist dies die letzte Option. Lichtmäßig würde es um die Uhrzeit erst in De Lutte nennenswert besser. Und da war ich ja gestern schon. Also Augen zu und durch. Mit maximaler Brennweite in die Gerade.





Mit dem IC 141 nach Hamm kommt 1750 an diesem Morgen die lange Gerade zwischen Waldseite und Hagelshoek herunter.






Damit verlasse ich fürs erste mal Deutschland. Nächster Halt Oldenzaal. Dort habe ich auf der Karte eine Stelle gesehen, an der die Sonne wieder passt und es zudem ganz nett „holländisch“ aussehen könnte. Und vielleicht, man soll die Hoffnung ja nie aufgeben, geht sich auch mal was in Sachen Güterverkehr aus.

Tatsächlich hat die Stelle fast alles was man braucht. Einen Sitzplatz für mich und einen Stellplatz fürs Auto, beides im Schatten, auch wenn letzteres dafür bedenklich schief im Graben hängen muss. Beinahe wäre ich nicht mehr aus der Türe gekommen! *kicher* Was es nicht hat sind Güterzüge und ordentlich Licht. Hängt doch Siff in der Luft und ziehen immer mehr Wolken auf.

Also hoffen und mal wieder auf Fensterzüge konzentrieren.





Auf dem Weg nach Hengelo hat ET4.08 als RB 20360 gleich den ersten Halt in den Niederlanden, Oldenzaal, erreicht.






Wieder auf heimischen Boden ist 1750 mit dem IC 240 nach Amsterdam Centraal unterwegs.






Ja, ich weiß. Das letzte Bild hätte man sich auch gut sparen können. Aber wenn man frustrierende eineinhalb Stunden hier in der zunehmenden Schwüle dumm herum sitzt, mit nichts vor der Linse als zweimal Stadler, und dann auch noch der gleiche Triebzug, dann hält man eben auf alles drauf, was rollt. Für die besonders Kritischen, 20 Minuten später wird es motivisch besser.





1746 hat Oldenzaal hinter sich gelassen. Noch ein Stück und sie hat, mit dem IC 143 nach Berlin Ostbahnhof, Deutschland erreicht.






Zugegeben, auch das mit dem „etwas holländisch“ aussehenden Drumherum hat jetzt nur so semi geklappt. Bügel nicht im Mast, Schild in den Vordergrund und Klinkerhaus noch sichtbar, war vielleicht doch des Guten etwas zu viel.

Mit der Vorbeifahrt der 1746 ist die Entscheidung gefallen. Ich packe und verschiebe in Richtung des nächsten Programmpunkts auf meiner Tour. Bis dato sind drei der vier Maschinen der ersten beiden Tage vorbeigekommen. Gut, es besteht die Möglichkeit, dass in zwei Stunden am nächsten IC eine neue Lok läuft. Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit?

Wenn ich jetzt hier noch warte, wird es nur immer später und die Möglichkeiten an einer anderen Strecke schwinden. Außerdem gehen mir hier die Fotostellen aus. Also Abschied nehmen und hoffen, dass man bis zum Ende der 1700er doch nochmal hierherkommt.

Kurz nochmal in Oldenzaal geschaut und dabei zwischen all den Fahrradwegen fast verloren gegangen. Nein, hier brauchst du dich nirgends hinstellen. Also los nach Süden, an die Strecke von Emmerich nach Westen, zu den 406er und ordentlich Güterverkehr, wie ich hoffe. Eine Stunde, 20 Minuten Fahrzeit sollen es sein, laut Navi. Easy! …… eigentlich! Wäre ich nicht in den Niederlanden unterwegs.

Woher meine „positive“ Einstellung zu Auto fahren in diesem Land kommt? Ganz einfach! In noch keinem Land der Erde bin ich, bezogen auf meine Zeit die ich dort verbracht habe, so oft im Stau gestanden, noch in keinen Land der Erde musste ich Touren abbrechen, weil es unmöglich war, aufgrund der diversen Staus sein Ziel noch zu erreichen, in keinem Land der Erde bin ich auf der Autobahn mit einem Vollplatten liegen geblieben, weil ich mir die eine Hälfte einer Schere in den Reifen gefahren habe….!

Warum sollte dann heute der Tag anders werden?!? Spoiler: Tut er ja auch nicht…..

Übrigens, zwei fun facts zur letzten Sache. 1) Wartet man in Deutschland manchmal Stunden auf den via Telefon herbeigerufenen Automobildienst, war hier nach gerade mal etwas mehr als 5 Minuten ein Helferlein in Gelb unaufgefordert zur Stelle. Nett, freundlich und fix. Und nicht bereit mein Trinkgeld anzunehmen, dass ich ihm aus vollem Herzen geben wollte. Es hätte ja schließlich nur seinen Job gemacht. 2) Anfangs war der Grund des Plattens völlig unklar. Nur die Geschwindigkeit, mit der der Reifen Luft verloren hatte, verwunderte. Erst Wochen und knapp 2.000 km Laufleistung später, fand ich beim Reifenwechsel besagte halbe Schere verkeilt in der Verkleidung des Radlaufes. Den hatte sie durchschlagen und sich dort festgesetzt. Nicht auszudenken was passieren hätte können, hätte sie sich vor der Entdeckung bei voller Fahrt wieder gelöst.

Nun aber zurück zum Fototag. Dem Navi vertrauend geht es hinter Oldenzaal auf die Autobahn nach Amsterdam. Ich wäre zwar anders gefahren, aber die Ansammlung aus Drähten und Platinen wird schon wissen, was sie tut. So fällt der Programmpunkt „tanken“ erstmal weg. Denn hier auf der Autobahn will ich nicht. Man muss sein Geld ja schließlich auch nicht verschenken. Aber kein Ding, sollte eigentlich reichen, bis ich kurz vor dem Ziel wieder runter bin, von der Autostrada.

Im Verkehr mitschwimmend genieße ich den Fahrtwind, der durchs offene Fenster kommt. Irgendwie ist es unglaublich schwül und drückend. Links und rechts relativ flaches Land, viele Felder und Traktoren auf der Autobahn. Was? Traktoren auf der Autobahn? Naja, andere Länder andere Sitten. Ist hier vielleicht so, dass die auch drauf dürfen. Oder irgendein Straßenbaufahrzeug. Gibt es ja bei uns auch. Dann aber meist in leuchtend orange. Aber wie gesagt, andere Länder andere ……

Nach dem fünften Traktor und einem Mähdrescher den ich überhole, alle mit Menschen besetzt, die NICHT wie Straßenbauarbeiter aussehen, kommt mir die Sache dann doch etwas spanisch vor!

Bums, wir stehen! Erst geht es langsamer, dann flammen Warnblinker auf, dann voller Halt! Natürlich wieder mal hinter einem Sattelzug mit hohem Aufbau, damit ich nur ja die ganze Zeit eine hellgraue Wand anschauen darf. Super! Welkom in Nederland!

Unfall? Hm, das wäre nicht schön. Vor allem für die Beteiligten. Na hoffen wir mal das Beste und drücken die Daumen. Aber schon doof, so drei, vier Kilometer weiter hätte ich eh die Autobahn wechseln müssen und dann wahrscheinlich frei Fahrt gehabt. Vielleicht geht es ja schnell.

Tut es nicht. Nur in Etappen, und dann nur meterweise, kommen wir voran. Stopp and Go vom Feinsten. Im Auto wird es immer stickiger und die Uhr tickt gnadenlos die Zeit herunter. Wieviel Zugfahrten werde ich schon verpasst haben? Ich schaue lieber gar nicht auf den Navigator.

Hätte ich aber vielleicht mal besser tun sollen, und damit die Zeit nutzen, der ich mich Meter um Meter dem Grund des Staus nähere. So einiges an Verdruss wäre mir später am Tag erspart geblieben.

Das es oben am Himmel jetzt noch stärker zu quellen beginnt, hebt meine Laune auch nicht unbedingt. Und spätestens als links der hohen, rollenden Wand vor mir, der Grund für das ganze Theater auftaucht, schwillt mir der Kamm extrem. Dort sieht es nämlich aus wie auf einer Landwirtschaftsmesse! Traktoren, Mähdrescher, Heuwender, Eggen, und was nicht alles. Sauber aufgereiht, quer über die Autobahn, die Route nach Amsterdam blockierend. Drum herum, lachende und fröhlich schwatzende Menschen, die gegen neue Beschlüsse der EU protestieren.

Man verstehe mich nicht falsch. Ich bin ein glühender Verfechter von Demokratie, Meinungsfreiheit, Demonstrationsrecht und von allem, was noch zu unserer freien Gesellschaft gehört. Aber bitte, muss man dabei immer, und ich habe das Gefühl von Jahr zu Jahr mehr, unbeteiligte Menschen mit hineinziehen, die a) nichts dafür und b) auch nichts ändern können?

Warum protestiert man nicht in Brüssel oder Strasbourg vor der EU? Oder vor den jeweiligen Landwirtschaftsministerien? Warum muss man dafür andere Menschen nötigen? Als ob sich ein Politiker dafür interessiert, wenn hunderte von Auto- und LKW-Fahrern stundenlang mit einem künstlichen Stau blockiert werden! Mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit werden sie sogar nie etwas davon mitbekommen.

Ich bin auf jeden Fall froh, als ich endlich soweit gekommen bin, dass ich mich, vorbei an den Protestierenden, im Schritttempo auf die Abbiegespur einreihen kann. Und, dass die nette Dame, die freundlich lächelnd Flugblätter an die Passierenden verteilt, im letzten Moment abdreht und versucht jemand anderen damit zu beglücken. Der Wortwechsel, der zwangsläufig gefolgt wäre, wäre wohl dem deutsch-niederländischen Verhältnis nicht oder nur eingeschränkt zuträglich gewesen.

Endlich wieder freie Fahrt habend, kann ich noch Kilometer lang die armen Leute auf der Gegenfahrbahn bedauern, die noch gar nicht wissen, was ihnen an diesem heißen Tag noch bevorsteht und wie lange sie hier noch die Aussicht genießen dürfen.

Habe ich gerade freie Fahrt geschrieben? Scherz! Kaum hab ich mich nämlich mit der neuen, durch die Umstände stark nach hinten verschobenen, Ankunftszeit versöhnt, die mir das Navi anzeigt, winkt schon eine Baustelle mit Tempolimit und Stau vor der Fahrbahnverengung die nächste, gipfelnd in einer angezeigten Totalsperre, wenige Kilometer voraus. Ich könnte gerade nur noch k….

Nein, so mach das definitiv keinen Spaß. Und ich rede nicht als böser Deutscher der nur Rasen jenseits der 200 km/h im Sinn hat, wie uns ja gerne immer von denen vorgehalten wird, die dann, sind sie mal in Deutschland, fahren auf Teufel komm raus. Nein, ich will einfach nur rollen. Aber aktuell stehe ich mehr, denn erst geht es von drei auf zwei, dann auf eine Fahrspur, und dann in die Schlange, die sich vor der Einfädelung in die belebte Landstraße gebildet hat. Und mir wird langsam klar, warum Holländer so gerne Rad fahren.

Ob ich heute überhaupt noch ein Eisenbahnbild machen kann? Gerade bin ich, was das betrifft, naja, nennen wir es mal „sehr unentspannt“. Das die tiefe Lage meiner Tanknadel keine großen Extratouren mehr zulässt und ich keinen Plan habe, wo die nächste Tankstelle sein könnte, macht mich gerade auch nicht lockerer. Aber immerhin, das Problem scheint gottlob schnell gelöst. Kaum von der Autobahn runter und auf der normalen Straße rauf, wird linker Hand eine Tankstelle angezeigt. Super, ich schnaufe durch. Dass es sich dabei um eine Automatentankstelle handelt, find ich jetzt auch durchaus nett, ist doch hier der Sprint meist um ein paar Cent billiger. Wenn man denn an ihn herankommt! Was bei mir nicht der Fall ist. So sehr ich mich auch bemühe und immer wieder neue Versuche starte. Irgendwas klappt nicht! Und so geht es nach endlosen, erneut verlorenen Minuten, tiefst frustriert und mit immer noch äußerst knapper Spritreserve, wieder zurück auf die Straße. Mit der tollen Aussicht, in die nahe Stadt rein fahren zu müssen, um dort mit der Suche nach einer Tankstelle weitere kostbare Zeit zu verlieren.

Immerhin, ein Lichtblick. Die Suche dauert nicht ganz so lange wie befürchtet, der Sprit ist günstig, auch wenn ich die Mehrwertsteuer nicht abziehen kann, wie zuhause und die freundlich lächelnde, nette Kassiererin und ein Eis heben die Laune auch wieder ein bisschen. Weiter geht’s nach Elten und in den nächsten Stau! Was hab ich eben über Laune und heben gesagt…..!?!?!

Nein, Holland und Autofahren wird bei mir wohl nie zusammenpassen. Denk ich mir so, als ich den kleinen Ort nahe der Grenze ansteuere.

Beim ersten und bislang letzten Besuch hier in Elten, gab es noch keine „Betuweroute“ und die Gleichstromfahrleitung ging noch bis Emmerich, wo dann der System- und Lokwechsel von NS und der DB standfand.





1612 der NS wartet im letzten Abendlicht des 09.05.2008 im Bahnhof Emmerich auf die Rückleistung nach Holland. Im Hintergrund abgestellt 139 122-6, die gegen Ende ihres Loklebens weit ab von den Einsatzorten, für die sie ursprünglich mit ihrer elektrischen Bremse gedacht war, eingesetzt wird.






Welch eine Herrlichkeit aus heutiger Sicht, die nur wenig von den auch damals schon dort eingesetzten 189ern gestört wurde. Waren diese Loks doch für den Fotografen aus dem Südosten Deutschland durchaus auch „Exoten“, die es nicht gar so häufig auf den heimatlichen Schienen anzutreffen gab. Und so hielt sich an diesem warmen Frühlingsabend die Enttäuschung auch in Grenzen, als in Elten, beim „Kirchenblick“ nur eine dieser Viersystemloks, anstatt der erhofften Nez Cassès, vorbeikam.





189 078 rollt, auf dem Weg ins nahe Holland, durch den kleinen Ort Elten mit seiner markanten Kirche. Seit Emmerich ist sie dabei unter Gleichstrom unterwegs, wie die doppelte Fahrleitung und der anliegende Stromabnehmer, mit seinem massiven Schleifer, unschwer erkennen lassen.






Diesen letzten Blick habe ich im Kopf. Und den würde ich gerne wiederholen, auch wenn das Luftbild mir bereits schon gezeigt hat, dass sich hier so einiges optisch und baulich verändert hat. Leider mehr, als meine Wunschvorstellung zuließ. Die Stelle ist einfach nichts mehr. Schade! Sehr schade. Nicht zuletzt, weil ich ein Vergleichsbild „damals und jetzt“ recht spannend gefunden hätte.

Auf der Suche nach einer Alternative fahre ich mal die parallel zur Strecke verlaufende Straße entlang, bis geschlossene Schranken eine nahe Zugfahrt ankündigen und mich, nach einem flotten Wendemanöver, in die Büsche an der Strecke treiben.





Mit einem gemischten Güterzug ist 193 328 auf dem Weg nach Osten. Elten und seine Kirche verstecken sich leider hinter den Büschen am Streckenrand.






Kein herausragendes Foto mit spektakulärem Blick, und auch das Fahrzeug reißt jetzt niemanden vom Hocker, aber ich bin froh, endlich überhaupt mal wieder auf den Auslöser drücken zu können. Ganze 3 Stunden sind vergangen seit dem letzten Bild mit dem IC. In Worten „drei“, für den Wechsel über eine Distanz von gerade mal 100 km. Eine Distanz, die ich mit dem Rad und ausreichender Kondition, in derselben Zeit hätte auch schaffen können. Da wird man zwischenzeitlich schon etwas anspruchslos, was mögliche Motive angeht.

Die Idee wäre ja eigentlich gewesen, nachdem der oben gezeigt „Kirchenblick“ weggefallen ist, eine Stelle zu finden, die zumindest einen kleinen Blick auf den Ort bietet. Doch irgendwie passt es immer nicht. Entweder man kann nicht stehen oder nur blöd zur Strecke, oder der Hintergrund ist einfach nur grün und/oder unansehnlich.

Also mache ich mich auf, mehr oder weniger der Strecke entlang, über die Grenze ins Nachbarland. Versuch zwei an diesem Tag, im Heimatland des Goudas fotografisch fündig zu werden.. Das Herz erfüllt von dem guten Willen mich, nach den Erfahrungen von heute Mittag, wieder mit dem Land zu versöhnen. Denkste…..!

Es ist einfach nur nervig. Du kommst nirgends hin, denn alles ist voller Fahrradwege, auf die Du mit dem Auto logischerweise nicht darfst. Dafür wachsen Tempo 30 km/h Tafel, Polder und Hubbel wie Pilze aus dem Boden. Parken, um brav und ökologisch wertvoll zu Fuß zur Strecke zu gehen, geht auch nicht. Weil es schlicht und ergreifend keine Parkplätze gibt für normal sterbliche Besucher. Nur Anwohner. Wenigstens da nicht, wo man sie braucht, sprich an Stellen, die nicht 10 km von der Bahn entfernt liegen.

Und hat man sich dann mal den Gleisen genähert, sind die versteckt hinter den gigantischten Lärmschutzwänden, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Durchschneidet man in Deutschland schon Orte mit Wandreihen, die die Berliner Mauer, gäbe es sie denn noch, vor blankem Neid schier erblassen ließen, und krönt das Ganze noch damit, dass man zwischen zwei Mauern links und recht der Strecke noch eine mittig setzt, die wer weiß wen vor Lärm schützen soll, steht man hier vor Teilen, die abschnittsweise bestimmt vier bis sechs, oder gar mehr, Meter hoch sind! Und nur der Himmel über ihnen lässt erahnen, dass es hinter den grauen Monstern noch eine Welt geben muss.

So lande ich, nach erneut quälend langer Suche, schließlich in Zevenaar. Dort ist zwar die Betuwe-Linie unter die Erde abgetaucht, aber immerhin gibt es Personenverkehr. Dafür aber kein Licht mehr! Denn die Quellwolken haben nun weite Teile des Himmels erobert. Kein Ding, ich konnte ja in den diversen Staus oder bei der endlosen Suche genug Sonne genießen!

Problem stellt wieder die Suche nach einem kleinen Fleckchen dar, auf dem ich mein Auto abstellen kann. Vor dem Bahnhof hats Parkplätze, doch sind die wenigen alle belegt. Und entlang der Gleise läuft zwar ein Fahrradweg, aber auch hier findet sich kein Plätzchen. In meiner Not klemme ich mich schnell auf ein Stück Brache, direkt vor einen LKW der gerade mit herumliegendem Schotter beladen wird, nur um anschließend im Dunkeln an der Bahn Aufstellung zu nehmen, nachdem ich auf dem Weg dorthin fast noch am Fahrradweg überfahren wurde. Ich bin eindeutig überfordert!





Mit viel Lärm und ohne Licht, verlässt GTW 373 von Arriva als R32 nach Arnhem den Bahnhof von Zevenaar.






Auch das zweite Foto an der Stelle klappt nur mit, naja sagen wir mal freundlich betrachtet „Halblicht“. Dafür aber mit üppig Vegetation am Bild und dem Radweg, der mir gerade eben fast zum Verhängnis geworden wäre. Da die Stelle so auch nicht wirklich prickelnd ist und der LKW wohl bald den Ladeplatz verlassen will, ziehe ich mich nach dem zweiten GTW auch schon wieder zurück.





GTW 365 von Arriva Nederland bei der Einfahrt nach Zevenaar. Als Zug 30945 ist er auf dem Weg nach Winterswijk.






Diesmal schaffe ich den Radweg unbeschadet, dafür fühlt sich ein Autofahrer von mir genötigt, weil ich gut 40 m vor ihm auf die Straße einbiege. Innerorts wohl gemerkt. Zu mir aufschließen kann er nicht, weil der Abstand einfach zu groß war und ist, aber hupen kann er. Und das ausgiebig.

Als nächstes Ziel hab ich mir eine Brücke ausgesucht, vorderhalb der die Betuwe-Linie wieder unter der Erde hervorkommt und von der man Blick auf die Altbaustrecke haben sollte. Angekommen geht es auf einen Betonstreifen neben der Fahrbahn. Die Lage checken. Gut, mit weniger Masten und ohne Sicherheitsscheibe wäre vielleicht was zu machen. Aber so wird es ein unansehnliches Gebastel. Und ob es evtl. vorbeifahrende Polizei so spaßig findet, dass ich hier auf dem Randstreifen gepresst stehe? Also nur schnell einen Schuss rüber auf den vorbeieilenden Stadlerzug, dann geht es weiter.





Ein ET 25 der VIAS hat bei seiner Fahrt von Arnheim nach Düsseldorf gleich den nächsten Halt Zevenaar erreicht. Im Vordergrund spitzt noch die Betuwe-Linie ins Bild, die hier aus dem Untergrund wieder ans Tageslicht kommt.






Der nächste Standort ist schon anvisiert. Eine Brücke in Sichtweite, die über die Güterlinie führt, die hier mit Lärmschutzwänden links und rechts wie ein hochgestellter Kanal durch die Landschaft schneidet. Tunnelblick für den Lokführer würde ich sagen.

Auto unten auf einem Schotterplatz in einer breiten, einer sehr breiten Weggabelung abgestellt, kann ich von oben interessiert beobachten, wie sich einheimische Autofahrer, bei einer Fahrbahnbreite von rund 6 Meter, von meinem neben der Fahrbahn stehenden Fahrzeug wie magisch angezogen fühlen und sich teil im zweistelligen Zentimeterbereich daran vorbeiarbeiten. Ich versteh es nicht, egal wieviel ich darüber nachdenke. Und zum nachdenken habe ich Zeit. Denn auf der Frachtenmagistrale rollt ……. nix. Und als dann doch was kommt, kommt die Sonne gerade nicht durch die Wolken. Der Tag ist irgendwie gebraucht.





Mit einem Leerzug nach Rotterdam. 189 037-5 und 189 047-5 auf dem Weg über die Betuweroute in die niederländische Hafenstadt.






Gleiches Bild nochmal? Nein, diesmal sind es 189 070-6 und 066-4, die mit dem nächsten Leerzug aus der Unterwelt kommend, wieder ans Tageslicht auftauchen.






Und weil`s gar so zäh rollt, darf es auch ein Gegenlichtfoto mit maximalen Photoshop Einsatz sein. Beinahe lautlos hat sich 186 257, in Diensten von HSL Logistik, angeschlichen. Mit einem Getreide Ganzzug ist sie auf dem Weg in Richtung Deutschland.






Gerade ist drüben auf der Hauptbahn ein 406er vorbeigezogen. Deren Leistungen habe ich ja nun ganz aus den Augen verloren! Und gerade wegen diesen, in absehbarer Zeit den Dienst quittierenden, Triebzügen bin ich doch eigentlich hierhergefahren! Gut dass in diesem Moment niemand in Hörweite ist. Also ein Sonnenbild will ich hier noch machen, dann geht’s auf die andere Seite von Groessen, an die Hauptbahn. Dort am Ortsausgang sollte man sich stellen können. Konnte man zumindest vor vielen, vielen Jahren ….

Und siehe da, manchmal gehen Wünsche wirklich in Erfüllung! Der Eisenbahngott hoch oben auf seiner Trafowolke hat endlich Mitleid mit mir, schickt mir Zug, Sonne und eine Lok in schicker Lackierung! Und das alles auf einmal.





Richtung Rotterdam ist 189 211-6 unterwegs. In Diensten von Retrack bringt sie einen KLV-Zug aus Deutschland.






Noch schnell in luftiger Höhe die Hotelbuchung fertig gemacht für heute Nacht, dann klettere ich auch schon die steile Böschung hinunter zum Auto. Am nahen Bahnübergang dann Ernüchterung. Fleißig gebaut worden ist an der Stelle. Und damit mein ich nicht nur Gebäude die entstanden sind. Etliche Zäune und ein ausgebauter Fahrradweg machen es unmöglich hier zu stehen. Also suche ich, mit rapide sinkender Motivation, noch ein bisschen weiter, dann der Abbruch. Macht doch alles keinen Sinn. Nirgends kommt man an die Strecke. Zudem hat sich oben am Himmel Schmodder gebildet, der zu allem Übel das Sonnenlicht, welches durch die spärlichen Wolkenlücken dringt, auch noch trübt.

Und da ich vom Tagesverlauf eh schon genervt bin, geht es ab auf die Autobahn. Diesmal überraschend staufrei. Mal will mich anscheinend so schnell als möglich wieder loswerden. Mich, den nervig, nörgelnden Deutschen. Gut, vielleicht passen ja morgen Belgien und ich besser zusammen. War zumindest bis dato so.

Und ja, ich verlege schon wieder großräumig. Getrieben von der nächsten Regenfront, die hier das Land planmäßg einfeuchten soll. Während, warum auch immer, rund um Aachen eine Insel der Glückseeligen herrschen soll. Und da dort auch 406er fahren (sollten) und ich davon ausgehe, dass immernoch alte Gleichstrom-Zweiteiler von und nach Aachen pendeln, ist die Ecke auch einen Besuch wert.

Mein müdes Haupt lege ich in Mönchengladbach danieder. Die Region Aachen war entweder teuer oder schon ausgebucht. In Gladbach wird ganz stylisch gewohnt. Nämlich im Hotel gleich neben dem Stadion. Wie stylisch, davon habe ich aktuell noch nicht mal den Hauch einer Ahnung.

Die Fahrt dorthin ist entspannt und nur der Magen zeigt durch knurren an, dass er mit der Gesamtsituation unzufrieden ist. Da ich nicht weiß, ob ich im oder am Hotel was zu beißen bekomme, und auch keine große Lust mehr habe, nach dem Einchecken nochmal groß herumzueiern, führt mein Weg zum ortsansässigen Burgerbrater.

Ein Fehler wie sich später herausstellt! Und ein großer noch dazu! Denn zum einen liegt mir die „Speise“ wie ein Stein im Magen, zum anderen bietet die Sportbar gegenüber dem Hotel, als ich es denn nach langem Suchen endlich gefunden habe, eine breite Auswahl kostengünstiger und sicherlich schmackhafterer und verträglicherer Essen an.

Das Hotel ist echt heiß. Und eigentlich nicht zu übersehen. Nur mein Navi ließ mich beständig auf der anderen Seite des Stadions suchen. Direkt neben der Fohlenarena gelegen und mit ihr durch einen Gang verbunden, sind die Zimmer modern, pfiffig und, wie schon einige Male geschrieben, stylisch eingerichtet und alle dem Thema Fußball verschrieben. Eigentlich zu schade, um nur eine Nacht darin zu verbringen. Und definitiv ein Grund wieder hier her zu kommen.

Schnell geht es unter die Dusche und dann hinüber in die Sportsbar. Vielleicht kann eine gute Portion des, schon zu lange entbehrten, Altbiers meinen Magen wieder in die Spur bringen? Kann es! Erst recht, da es hier sogar in Gebinden von einem halben Liter pro Glas ausgeschenkt wird, was ich zum allerersten Mal erleben und was meiner bayerischen Seele sehr zugutekommt.

Und für alle Puristen da draußen: Nein, es hatte auch in dieser Maßeinheit keine Chance schal zu werden! *grins*

Entsprechend beseelt geht es zurück ins Zimmer und ab ins Bett. Der Tag war lang, nervig und ich möchte nur noch schlafen. Irgendwann zwischen zwei und drei nachts setzt dann der angesagte Regen ein. Grummelnd nehme ich zur Kenntnis wie er auf das ausgestellte Panoramafenster prasselt, dreh mich auf die andere Seite, und schlaf weiter….