Schaut mal die Zwei! Sind das nicht He Fu Bao und Bai Ho Tsai? – Teil 13

Von

Hohhot – Hohhot, 21.07.2016


Nur zögerlich und träge sickert die Realität ein in meine Gedanken, verblassen die Traumbilder Schritt für Schritt, tauche ich wieder auf in der Gegenwart. Wie spät mag es sein? Noch müde schiebe ich die Augenbinde hoch und schaue in Richtung des vorhanglosen Fensters. Diffuses Licht dringt in den Raum, erhellt ihn fahl. Also blauer Himmel sieht eindeutig anders aus. Aber es könnte auch dunkler sein, so mein erster Gedanke. Tastend greife ich nach dem Handy. Perfekt! In fünf Minuten hätte mich mein nerviger Klingelton sowieso unsanft aus dem Schlaf gerissen. Und meinen noch leise vor sich hin schnarchenden Mitbewohner dazu. Also die Tortur am frühen Morgen hab ich mir schon mal erspart. Super Timing das!

Noch einmal kurz gestreckt, in Gedanken die Vorzüge des Briefmarkensammelns rekapituliert, also morgens liegen bleiben können, nicht von Schweiß triefend schwere Rucksäcke durch die Gegend schleppen müssen , und so weiter, und so weiter, dann schäle ich mich auch schon aus dem sehr bequemen Bett und schleppe mich zwecks Restaurationsmaßnahmen in Richtung Badezimmer, während mein Nachbar immer noch hörbar, und in gleichmäßigen Zügen, Luft durch seine Zähne zieht.

Wie ein altes Ehepaar haben wir so unsere morgendlichen Abläufe. Ich immer etwas eher, dafür in Ruhe, er etwas später, dann aber im Schnelldurchgang.

Also ich könnte auch schneller sein am frühen Morgen, will aber nicht. Zudem, wie sagt schon die alte Volksweisheit: Man wird nicht älter, es dauert morgens im Bad nur immer länger. Und ich muss immerhin rund 20 Jahre Gesichtsalter aufholen am Beginn des Tages, da will man gut gecremt sein!

Als ich wieder draußen bin aus unserem „Badetempel“ blicke ich in zwei verschwiemelte Augen, unter denen, aus einer Öffnung im Gesicht, sich ein recht müdes „Guten Morgen“ den Weg in die Weiten des Raums bahnt. Dann verschwindet er in Klamotten und Bad, während ich langsam wieder alles in meinen Koffer quetsche, was da eigentlich so gar nicht reinpassen möchte. Dann ist es geschafft und wir stehen fertig gestriegelt und gebügelt, mit hochgefahrenen Lebensgeistern auf dem Flur, wo schon die anderen warten, deren morgendliche Dynamik schon fast erschreckend ist.

Zusammen stürzen wir uns hinaus und in den Tag. Fallen dabei fast über einen mit Blumen geschmückte BMW, um Gottes willen, da wird doch nicht ein frisch vermähltes Paar ausgerechnet HIER seine Hochzeitsnacht verbracht haben, und landen schließlich vor unseren eigenen, weniger mit Schmuck, dafür mit ordentlich chinesischer Muttererde, verzierten Fahrzeugen. Laden, entmüllen, abfahren!











Halt, während wir alle abwechselnd den Kopf in den Nacken legen, um die Situation am Himmel zu begutachten, fällt das Wort „Frühstück“. Und so trabt die Horde los zu einem nahen Bäcker, den wir gestern auf dem Weg zum Essen erspäht hatten, während ich derweil als Bewachung zurückbleibe. Was sie wenig später unter Triumphgeheul zurück geschleppt bringen, sind tütenweise Wunderwerke der chinesischen Backkunst! Geschmacklos aber süß! Und zwar süß wahlweise in den Darreichungsformen sehr süß, extrem süß und geeignet um damit ein Space Shuttle an die nächste Hauswand zu kleben!

*urgs* Und das mir, der ich morgens eher zu Wurstsemmeln, Tartar und Weißwürsten mit Brezn tendiere. Und wenn es schon etwas extremes sein muss, dann doch bitte ein Paprikageschnetzeltes, scharf und mit Weißbrot!

Aber was soll man tun. Erstens gibt es das hier alles vor Ort nicht, zweites hätte ich gegen die mich umgebende Süßmäulchenfraktion sowieso verloren. Und so krame ich schicksalsergeben in unseren arg geschrumpften Vorräten nach einer Tüte gesalzener Erdnüsse, während wir den anderen folgen, die heute Morgen für die Ausfahrt ausnahmsweise, und auch nur kurzzeitig, die Führung übernommen haben.











Das wir uns dabei an einer großen, und zugegebener Maßen auch nicht ganz übersichtlichen Verzweigung derart verfranzen, dass wir zum Drehen noch einmal nach Down Town Hohhot hinein und über einige belebte Kreuzungen und Straßen drüber müssen ist das geringere Problem. Schwerer wiegt die anschließende Drehung nach Osten, die den Panoramablick auf den dortigen Himmel frei gibt. Hatten wir hier in der Hauptstadt der Inneren Mongolei, zwar unter grellem, hartem Licht, noch blauen Himmel mit einigen Wolkenfeldern, so ballt es sich am östlichen Horizont gar in erschreckender Weise und lässt vermuten, dass dort so schnell kein Sonnenbild entstehen wird. Na Prost Mahlzeit. Denn genau dahin, also ein ganzes Stück in den Osten solle es gehen. Die Meute hat sich das Tunnelportal an der Flussbrücke als Standort ausgewählt. Dort also wo wir gestern die zweiten Begegnungen mit den SS4G hatten.

Derweil ich stoisch meine Nüsse zermahle und die salzigen, trockenen Brocken mit brauner Blubberbrause versuche wieder aus meinem Gebiss zu spülen, ziehen vor dem Fenster die Außenbereiche von Hohhot vorbei, mit ihren weniger repräsentativen Bauten, Gewerbeflächen, Kleingärten und hie und da einem Gleisanschluss, bis die Bebauung langsam verebbt, ebenso wie die letzten Sonnenflecken und wir in grau-braunes Halblicht gehüllt eintauchen, in die Berge die wir und die Bahn jetzt durchqueren müssen. An der bekannten Ausfahrt von der Autobahn runter, dann Landstraße, fliegendes Abbiegemanöver und wir rumpeln den ausgefahrenen Weg in Richtung Fotostelle. Und auf einmal beneide ich Nil.



















Gut, sah jetzt aus der Distanz spannender aus als es in Wirklichkeit war. Obwohl, tricky ist die Überfahrt über die mit Beton überdeckten Röhren, die als Wasserdurchlass/Brücke dienen, schon. Ist doch die Fahrbahn mit ihren ausgebrochenen, ausgewaschenen Stellen, die man teils unter dem sie überspülenden Wasser erst sieht, wenn es fast schon zu spät ist, nicht ganz ohne. Also etwas Konzentration brauchts schon. Aber es ist halt keine Wasserdurchfahrt mit krawumm! Daher hält sich der Neidfaktor letztendlich doch in Grenzen.

Wie nicht anders zu erwarten stellt daher die Querung keine großer Herausforderung für ihn dar und schon parken wir drüben auf der anderen Flussseite, mitten auf der alten Trasse der eingleisigen Eisenbahnstrecke. Also so halb mittig. Da wir nicht wissen, ob und was hier noch entlangfährt an Radfahrzeugen, quetschen wir uns halb in den Hang.





Auch das ist im Jahr 2016 im so fortschrittlichen China Normalität. Feldarbeit mit Pferd und Holzpflug. Aber mal ehrlich, es ist auch unmöglich ein solche riesen Land innerhalb weniger Jahre komplett Jahrzehnte und mehr nach vorne zu bringen. Und in Sachen Umweltschutz, Thema Bodenverdichtung, ist man ja mit dieser Bewirtschaftungsform ja schon wieder zukunftsorientiert.






Den Rest des Weges legen wir zu Fuß zurück, ist doch die Durchfahrtshöhe für unseren „Suff“ eindeutig zu niedrig. Auf einem flachen Karren, mit kleinem chinesischen Bauern, der noch dazu den Kopf ganz tief zwischen die Schultern einzieht, mag es gehen. Obwohl, wohl eher nicht. Der wird wohl auch absteigen müssen. Das sich hier aber Radfahrzeuge bewegen, verraten untrüglich die hinterlassenen Spuren, die wir jetzt versuchen elegant zu umgehen, hat sie der Regen der letzten Tage doch mit Wasser gefüllt. Und für Schlammbad oder Kneippkur fehlt uns gerade der Sinn.

Weil wir schon gerade von Sinn sprechen, so richtig Sinn macht es keinen das wir hier herumstehen, mühevoll in einer steilen Böschung balancierend und verzweifelt um Gleichgewicht kämpfend. Nicht nur, das diese Position nötig ist, dass wir wenigsten einigermaßen das Leitungsgewirr aus dem Schussfeld bekommen, das Wetter ist zwischenzeitlich total abgesifft und es ist a….dunkel. Und so hebe ich auch nur zögerlich die Kamera als es beginnt zu rumpeln und zu surren. Erst recht, da sich auch noch eine der modernen Franzosenderivate um die Kurve schiebt.





HXD 21345 mit einem beladenen Kohlezug, bestehend aus vierachsigen E-Wagen, auf dem Weg nach Osten.






Gut, unter die Staraufnahmen des Urlaubs wird es dieses Lichtbild… kann man hier in diesem Zusammenhang eigentlich das Wort Licht überhaupt verwenden?… wohl eher nicht schaffen. Aber wenn man schon mal da ist, kann man es ja ruhig mitnehmen. Und zudem, die Wolkenstruktur ist ja durchaus ganz nett.

Dann ist erstmal Ruhe auf den Schienen. Und da es hier auch nicht unbedingt schöner zu werden droht, keimt der Gedanke auf an die Personenzug-Strecke umzusetzen, die man auf dem letzten Bild im Hintergrund schon sehen konnte. Eine schöne Stelle haben wir gestern gesehen und einen passenden Zug hätte Nil auch aus dem Fahrplan gefieselt. Auf geht’s, getreu dem Motto: Wenn schon Dunkelbilder, dann bitte mit wechselndem Hintergrund.

Kaum sind wir zurück auf der Hauptstraße und schicken uns an, zwecks notwendigem Fahrtrichtungswechsel, eine der dafür „vorgesehenen“ informellen Wendespuren zu folgen, taucht auf der Brücke vor uns etwas knall-rotes auf, was mich augenblicklich in Verzückung geraten und die Kamera hoch reißen lässt.

Eine SS7E vor einer artreinen grünen Garnitur. Na sowas hätte man doch gerne an passender Stellen mitgenommen. Für mich ist diese Baureihe eine der elegantesten Elloks, wenn nicht die eleganteste Ellok, der chinesischen Bahnen. Eine Schnellzuglok wie gemalt, optisch genau mit der richtigen Mischung aus Kraft und feiner Linienführung. Perfekt.

Mein Versuch indes die Gute abzulichten scheitert dagegen kläglich. Zwar krieg ich noch „Kamera hoch“, „Scheibe runter“, „einigermaßen zielen“ so in etwa hin, aber spätestens beim Punkt „Belichten“ fehlt die Zeit und die Fortune. Und Masten und Autos vor mir bzw., als wir in der Kehre stehen, Bewuchs neben mir, bekomme ich nicht mehr ausgeblendet. Sodass man nicht mal mit dem verstärkten Einsatz elektronischer Helferlein etwas retten kann. Doof jetzt, aber nicht zu ändern. Aber immerhin schön jetzt zu wissen, dass sich die Maschinen auch hier her verirren. Und wer weiß, vielleicht ist ja am nächsten Zug auch…..

Nil hat sich derweil in den fließenden Verkehr eingereiht und auch Wagen zwei rollt brav hinter uns her. Durch weite Kurven und diverse Tunnel geht es nun Richtung Fotostelle. Soweit so gut. Nur einen Haken hat die Sache, dort wo wir links abbiegen müssen, liegen die Fahrbahnen nicht, nur durch einen Grünstreifen getrennt, auf gleicher Höhe nebeneinander. Nein, gebaut in den Hang sind sie hier höhenversetzt. Was nun eigentlich einen informellen Spurwechsel verhindert und eine Wendefahrt bis in die nächste Stadt erfordert, was einen elenden Umweg und einen damit verbundenen Zeitverlust bedeutet.

Aber Adlerauge Nil ist wachsam und erspäht, ja was erspäht er hier eigentlich? Eine kleine Dreckpiste, oder besser nur eine schmale, tief ausgewaschene Fahrspur, die aus unserer Richtung nach hinten im spitzen Winkel abzweigend, sich in steiler Steigung von den unteren Richtungsfahrbahnen gen Westen zu unseren in Richtung Osten herauf zieht. Eindeutig gedacht, dass LKW der nahen Schnellfahrstrecken-Baustelle sich, nachdem sie sich in gefährlicher Weise über die westwärts führenden Fahrbahnen gequält haben, im Schritttempo ohne Rücksicht auf Verluste zwischen die heranrauschenden Ostfahrer drängeln können.

Na, wenn das Ganze schon für so haarsträubende Fahrmanöver gedacht ist, dann wollen wir das doch auch nutzen. Und dabei gleich mal die Verwendbarkeit für Fahrten in der Gegenrichtung prüfen.

Dumm nur dass, wie bereits geschrieben, die Dreckspur von uns aus gesehen im spitzen Winkel nach hinten abzweigt, was ein doch recht anspruchsvolles Fahrmanöver nach sich zieht. Erst recht, wenn man mit in Betracht zieht, dass unsere guten SUV chinesischer Ingenieurskunst einen Wendekreis wie ein Hochseedampfer haben und uns zudem unser silbernes Pendant im Nacken sitz, der „ausholen-ganz nach rechts ziehen-stark abbremsen-die beiden Fahrbahnen queren-in den Weg zielen“ genau im gleichen Zeitfenster erledigen muss, das uns der nachfolgende Verkehr lässt. Zudem müssen wir dann auf dem Holperpfad so genau bremsen, dass wir noch nicht wieder und er nicht mehr auf der eigentlichen Straße stehen.

Während ich nun nach der richtigen Lücke spähe, Nil die Info gebe, holt der auch schon aus und runter geht’s ins Vergnügen. Kurzer Blick zurück! Auch Wagen zwei kommt leicht rutschend hinter uns zu stehen. Passt!

Und da stehen wir nun, hintereinander gepfercht auf dieser ausgewaschenen, holprigen Schlammspur zwischen den Fahrbahnen, mit kaum Sicht nach rechts, also dahin, von wo die Autos heran gerauscht kommen, zwischen die wir uns gleich werfen werden müssen um die Fahrspuren zu queren, und in einem Auto, dessen Automatikgetriebe dergestalt aufgebaut ist, dass alles seinen streng bürokratischen Weg geht. So wird der Wunsch auf Vortrieb, trotz beherzter Eingabe mittels Pedal, erst einmal durch alle Instanzen geschleust und jeweils eingehen geprüft, natürlich nur nach vorheriger Rücksprache mit höheren Stellen. Und erst wenn das alles erledigt ist und einige Aktennotizen gemacht, setzt sich das Gefährt, nun durchaus schwungvoll in Bewegung. Alarmstart mit Verzögerung! Genau das, was man sich erträumt, wenn man hinter einer Rechtskurve mit schräg nach links gedrehtem Auto zwischen den Fahrtrichtungspuren hängt!

Doch nach dem ein oder anderen gedanklich durchgespielten Versuch gehen wir’s an und siehe da, beide Fahrzeuge schaffen es in den gegenüberliegenden, ebenfalls steil abfallenden Sandweg. Hoppelnd, schaukelnd, bockend geht es nun hinunter. Immer kreuz und quer über die Spuren, die unzählige schwere Baufahrzeuge hier hinterlassen haben, rüber über eine Behelfsbrücke und rauf auf die ehemalige Trasse der Bahn.

Halt, auf der waren wir doch bei der letzten Fotostelle schon unterwegs. Hätte man nicht einfach dieser entlangfahren und somit die Stelle jetzt leichter erreichen können? Nein, denn das alte Planum ist nur abschnittweise frei. Nämlich dort wo die Strecke begradigt wurde oder Tunnel das Ausfahren von Flussschleifen ersetzt haben. Dazwischen läuft auch die neue Bahn auf der alten Linienführung.

Nicht weit ist es bis zur avisierten Fotostelle, aber trotzdem setzt der Weg dorthin etwas fahrerisches Können und vor allem Konzentration voraus. Der Weg bzw. die ehemalige Bahntrasse ist durch den Bauverkehr schon schwer mitgenommen. Und der ausgiebige Regen der letzten Tage der hier wohl nieder gegangen ist, tut sein Übriges. Kein Wunder das der Abschnitt vor uns nur mehr eine schmierige, Furchen durchzogene und mit großen Pützen übersäte Fläche ist, auf der wir schön hin und her schliddern. Dass das lehmig braune Wasser in den besagten Kleinstwasserflächen weder Einblick, ja auch nicht Einschätzung zulässt, was es so alles verbirgt, macht es nun auch nicht besser. So eine Stange vergessener Baustahl im Reifen oder eine extrem ausgefahrene Stelle mit Haltepotential könnte uns jetzt glaub ich nicht gerade motivieren.

Aber alles ist gut und wir erreichen eine Stelle zwischen den Brücken, wo wir trockenen Fußes aussteigen und zugleich unsere Autos so parken können, damit wir niemanden behindern, sollte außer uns noch einer diesen „Weg“ entlangkommen. Dann das übliche Prozedere, Rucksäcke geschultert, vorher Getränkevorräte geschnappt, Frühstück nicht vergessen, in meinem Fall die Reste der besagten Erdnüsse, und rauf auf einen steilen Hang. Frühsport, ohne gescheites Frühstück.











Dafür hat die Stelle, an der wir jetzt in der Schräge kleben, durchaus etwas und erfüllt die Erwartungen die wir gestern Abend bei Ansicht aus dem vorbeifahrenden Auto hatten voll und ganz. Direkt rechts von uns verläuft die Neubaustrecke, aus einem Tunnel kommend, über eine Brücke, nur um unter uns wieder im nächsten Berg zu verschwinden. Linker Hand, die aktuell noch im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitsstrecke mit „landestypisch“ gestaltetem Tunnelportal. Wenn man den Kopf weiter nach rechts dreht, geht der Blick hinüber zur Altbau-/Ausbaustrecke, auf der gerade wieder ein Güterzug durchrollt. Und unter uns, last but noch least, das Planum der aufgelassenen eingleisigen Strecke, die mit ihrem Baujahr in den 1950ern für chinesische Verhältnisse ja schon fast aus einem anderen Jahrtausend kommt. Halt Moment, kommt sie ja eigentlich auch! *grins*





Blick hinüber zur Gütermagistrale, wo "alt" und "jung", eine SS4G und eine HXD2.1, mit einem Kohlezug unterwegs sind. Rechts vor der Vorspanlok kann man die Stelle sehen, wo die alte, eingleisige Trasse früher dem Flusslauf gefolgt ist.






Während vor uns Stille herrscht, rollt es jetzt auf der Gütermagistrale ordentlich. Und meine Augen füllen sich immer, wenn der Blick wieder auf etwas beige-babyblaues fällt, was dort vorbeizieht, mit Tränen und die Frage bricht aus meinem Innersten heraus: „Warum? Warum nur sitzen wir hier?“. Glaube ich doch zum aktuellen Zeitpunkt immer noch an die Aussage eines Chinareisenden, dass die SS4G schon zu den bedrohten Rassen gehören und dementsprechend selten sind.

Auf der anderen Seite, dafür haben wir in den paar Stunden wo wir hier vor Ort sind, schon viel zu viele von den Dingern fahren sehen.

Jetzt gilt es aber erstmal Konzentration aufbauen für den Schnellzug, der hier in den nächsten Minuten durchkommen soll. Nil hat wieder im Fahrplan gekramt und mal eine Anhand der Distanzen von Hohhot und nach Ulanqap versucht, eine Durchfahrtszeit zu schätzen. Demnach sollte sich hier gleich was tun. Und die Vorwarnzeit ist, bedingt durch den Tunnel nur recht gering. Also kein entspanntes herumflätzen, sondern Wachsamkeit. Zudem fordert das ständig zwischen Stockdunkel und „dunkelabergehtsowennmanspäternochetwasamComputermacht“ zu permanenten Korrekturen an den Einstellungen der Kameras.

Dann rauscht es endlich in der Röhre, auf den Schienen zeigen sich Spiegelungen von Spitzenlichtern, schiebt sich etwas Rotes aus dem Tunnel. Nein, keine der eleganten SS7E, leider, aber mit der HXD3D0256 immerhin eine etwas aufregendere Variante der Schnellzug-Drehstromer.





HXD3D0256 ist an diesem trüben Morgen auf der Neubaustrecke mit einem Schnellzug aus Hohhot kommend nach Ulanqab unterwegs. Während sich linker Hand, nicht mehr im Bild sichtbar, die noch im Bau befindliche Brücke der Hochgeschwindigkeitsstrecke befindet, ist am rechten Bildrand, unten am Berghang, die Trasse der ausgebauten Altbaustrecke zu sehen. Diese dient, bis auf ein Personenzugpaar, heute nurmehr dem regen Güterverkehr. Auch die ursprüngliche Linienführung, entlang des Flusses Dahei, lässt sich noch gut nachvollziehen.






Durchaus zufrieden steigen wir ab. Am Wetter kann man ja eh nix machen und loktechnisch hätte es ja auch eine der blauen HXD3C sein können. Von der Form des Kastens her genauso „spannend“, wäre sie mit ihrer blauen Farbgebung zu allem Überfluss noch kontrastärmer gewesen.

Wir verschieben uns wieder gegen Westen. Denn Nil hat einen Schnellzug aus Richtung Ulanqap angekündigt. Der wäre an der letzten Stelle naturgemäß nicht zu machen gewesen. Übrigens, die Stelle hier, haben wir uns ganz dick im Notizbuch angestrichen. Ist die Schnellfahrstrecke erst einmal fertig, kann man hier sicher die ein oder andere nette Stunde verbringen. Und die ganze Situation mit den beiden parallelen Linien ist auch recht hübsch.

Während wir uns nahe Lihuazhen auf einer Wiese aufbauen, kommt, oh Wunder, sogar die Sonne raus. Plötzlich ist die dicke Wolkendecke nämlich aufgerissen und gibt ab und an die Sicht auf blauen Himmel frei. Es kann also auf Sonnenbilder gehofft werden.

Als Standort haben wir uns einen Hügel mit Blick auf die hier aufgeständerte Neubaustrecke ausgesucht. Und da sich hier zudem die eben genannte und die Gütermagistrale recht nahe kommen, kann man, mit etwas Teleeinsatz, sogar an zwei Strecken gleichzeitig fotografieren. Und so entsteht das erste Bild bei Licht an diesem Tag auch als Querschuss hinüber auf die andere Trasse.





Leerfahrt von HXD21037 auf der modernisierten Altbaustrecke bei Daxicun






Noch ein bisschen der Leerfahrt hinterher geschaut, dann heißt es auch schon sich wieder in Stellung zu bringen. Diesmal für den angekündigten Schnellzug nach Hohhot.





HXD3C1037 bringt eine Schnellzug von Ulanqap her in Richtung Hohhot. Im Hintergrund, auf der anderen Talseite, rollt derweil ein Güterzug gen Westen.






Übrigens, so romantisch wie sie sich auf dem Bild zeigt ist die Stelle in Wirklichkeit gar nicht. Denn keine 100 m rechts von uns, läuft die Autobahn. Und da China eine aufstrebende Wirtschaftsmacht ist und das Volk sehr reisefreudig, ist trotz der vielen Eisenbahnstrecken und Züge auch dort ordentlich Betrieb. Ach ja, und links unter uns verläuft auch noch die gut genutzte Landstraße. Fehlt eigentlich nur der Kanal für Binnenschiffe und die Einflugschneise des nächsten Flughafens, oder?

Manchmal hat es auch seine Vorteile, dass wir meist „nur“ Lichtbilder anfertigen. Hier kann man die Illusion von ländlicher Ruhe deutlich besser bewahren.

Während ich noch brav die Loknummer in mein kleines, zu China bestens passendes, rotes Büchlein notiere, bringt uns Nil, nach eingehender Konsultation der Fahrplan-App, auf den neusten Stand in Sachen Personenzüge. So in 20 – 30 Minuten soll, so die geschätzte Durchfahrtszeit, ein Schnellzug von hinten kommen. Zudem ist drüber auf der Gütermagistrale der einzige P-Zug der dort läuft im Anmarsch. Also geschwind alles gepackt, Füße unter den Arm genommen und durch die Botanik gehirscht. Sauber aufgereiht am fahrbahnabgewandten Rand eines Einschnitts der Autobahn kommen wir zum Stehen. Nicht geeignet für ein romantisches Picknick, dafür aber mit bestem Blick auf die beiden Züge, die sich jeweils schon in der Ferne ankündigen. Besonders nett, beide lassen schon aus der Distanz erkennen, dass es jeweils reinrassige Garnituren sind, sprich einheitlich in der Farbe und nicht mit Werbung verklebt.





Einzige P-Zugleistung auf der Gütermagistrale ist das tägliche Personenzugpaar von Hohhot nach Ulanqap und zurück. HXD3C1039 ist an diesem Tag für diesen Dienst eingeteilt und auf dem Weg nach Ulanqap.













Mit einer artreinen Garnitur aus orange-hell grauen Wagen ist die sechsachsige HXD3C0629 gen Osten unterwegs. Am Haken hat sie den Schnellzug von Baotou nach Qingdao. Hinterhalb, auf der Güterstrecke rollt derweil eine einzelfahrende DF8B durch die Szenerie.












Und während wir, malerisch dahingelagert und umtost vom Auf und Ab des zum Greifen nahen Individualverkehrs neben uns auf der Autobahn, noch überlegen „watt nu?“, beginnt es drüben auf der Gütermagistrale wieder zu rollen. Und unverzüglich setzt ein starkes „Mimimi“ des Verfassers dieser Zeilen ein, der da unbedingt und jetzt sofort rüber will…. „meno!“.

Köpfe werden gereckt, mögliche Zufahrtswege diskutiert, Standorte im Gelände gesucht. Und über allem die mahnende Stimme „des Meisters des Lichts“, der uns Kund tut, dass man sich das auch sparen könnte, weil Seitenlicht hätte man dort drüben sowieso nicht mehr lange.

Eigentlich ein schlagendes Argument, welches mich aktuell aber überhaupt nicht interessiert. Denn bei dem WAS da drüben jetzt so vorbeikommt, bin ich kurz vorm Zustand des Hyperventilierens!






Zusammen mit einer unbekannt gebliebenen SS4G bringt HXD10029 einen schweren Kohlezug nach Westen.







Die gelben Wagen hatten wir schon am Jingpeng Pass gesehen. Hier hat sie eine SS4G am Haken, deren Nummer aufgrund der großen Distanz unbekannt geblieben war. Hinter der Zuglok läuft DF7G 5097 leer mit.







Definitiv zwei Kombinationen die ich gerne von nahem gehabt hätte. Stört das Mast- und Drahtgelumpe der Personenzugstrecke im Vordergrund doch recht. Und immer „rein telen“ ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Zudem, und das trifft den Nummernsammler zugegebenermaßen ja am Meisten, kann man von hier aus selbige nicht mehr wirklich lesen. Also zumindest die auf den SS4G. Die aber sind ja genau die wichtigen!

Also wechseln wir, die Mahnungen betreffend das bald nicht mehr vorhandenen Seitenlicht in den Wind schlagend, die Seite. Einer mit Begeisterung, die anderen aus der Einsicht heraus, dass es besser ist dort drüben eine Stunde bei abnehmender Ausleuchtung zu verharren, als wie einen renitenten Oberpfälzer zu ertragen zu müssen.

So queren wir via Straße den Fluss, der das Tal der Länge nach durchzieht, und machen uns dann auf die Suche nach dem Zugang zum dem Feldweg, der parallel den Gleisen entlangführt und nach dessen Beginn wir uns gerade von drüben aus die Augen ausgeguckt hatten. Mehrere Meinungen hatte es gegeben, wie man denn da hinkäme, wo wir hin wollten oder müssten. Und genauso viele Versuche müssen wir auch starten bis wir endlich auf dem richtigen Weg sind. Das wir dabei mehrere tiefe Schlammkuhlen durchqueren müssen, stört nun überhaupt nicht. Im Gegenteil, mein Linksaußen des heutigen Tages verpasst, freudig erregt nun endlich auch mal so richtig matschen zu dürfen, unserem treuen Gefährt mal so ordentlich eine Schlammpackung. Soll ja gut sein in Sachen Falten und so. Und auch Fraktion Silber wirft sich ordentlich in die Pampe, allerdings dann doch etwas zurückhaltender, was bewirkt, dass zumindest deren Türen unverziert bleiben, während wir, da auch noch mit offenen Fenstern unterwegs, den ein oder anderen Erdklumpen wieder aus dem Auto befördern müssen.





Spiele nicht mit den Schmuddelkindern! Oder, nur ein eingesautes Leihauto ist ein gutes Leihauto!






Die Euphorie über diese kleine Sauerei verfliegt aber recht schnell, je weiter wir nun dem, teils recht schmalen, Schotterweg entlang der Bahn folgen. Zwar passieren wir dabei den ein oder anderen Einschnitt, aber die Nähe zur Bahn und die grundsätzlich falsch gesetzten Masten lassen keinen gescheiten Blick zu. Und spätestens nachdem wir uns durch eine abartige enge Stelle zwischen dem den Schienenstrang begrenzenden Zaun und einem vorspringenden Fels gequetscht haben, nur um zusehen, dass unser Pfad wenig später das Niveau der Strecke verlässt und nach unten in die Wiesen abtaucht, geben wir nach kurzer nochmaliger Inaugenscheinnahme der Situation auf.

Satz mit X, war wohl nix! Und während mein Fahrer, hin- und hergerissen wegen der anstehenden Durchfahrt durch die Engstelle und der Freude auf die erneute Schlammschleuderorgie, die Rückfahrt antritt, bringe ich den Tross nochmal kurz mit einem lauten Warnruf zum Stoppen.

Gerade so habe ich noch Zeit die Kamera vom Rücksitz zu reißen, aus dem noch ausrollenden Auto zu springen, an den Zaun zu hechten und dort hängend wie ein Kletteraffe ein Foto von der allein daher kommenden SS4G 7021 anzufertigen.

Ganz so problemlos geht die Aktion nicht ab. Denn neben einer leicht schmerzenden Kniescheibe bringt sie mir auch ein so schräges Bild ein, dass die Lok beim Betrachten des Fotos droht seitlich aus dem Display zu kippen. Aber sowas lässt sich ja gottlob nachträglich bereinigen und mehr Sorgfalt beim Anhalten war nun wahrlich in der Kürze der Zeit und der Art meiner „Fotoposition“ nicht mehr möglich





Recht häufig sind auf der Strecke zwischen Ulanqab und Hohhot leer fahrende Maschinen anzutreffen. Es handelt sich dabei meist um die Vorspannloks der schweren Kohlezüge, die nach getaner Arbeit wieder zurück nach Westen rollen, so wie hier SS4G 7021.






Gut wieder im Bild zu sehen, der massive und durchaus hohe Metallzaun, mit dem die Strecke hier in der Region eingefasst ist und der sich durchaus dazu eignet, ganze Herden wildgewordener Büffel von den Schienen fernzuhalten, oder eben ebensolche von Eisenbahnfotografen. Zumindest erschwert er ihnen meistenteils das Ausleben ihres Hobbies. Wobei er gerade in diesem Fall mehr Segen wie Flucht war, bot er doch als Kletterhilfe einen etwas erhöhten Standort, wenn auch unter Zurücklassung einiger Hautfetzen.

Zurück bei den Anderen, die die Augen in leichter Verzweiflung gen Himmel gekehrt aufgrund meiner Aktion, stumm auf mich warten, geht es auch gleich wieder los. Die nächste Stelle ruft und dahin ist es ein Eck zu fahren.




Selbst erklärendes Straßenschild *grins*






Man muss vielleicht erklärend dazu sagen, dass Nil, durchaus geschickt, die hier brotlose Suche und das dadurch entstandene Zeitfenster, genutzt hat, um uns wieder in Richtung Personenzugstrecke umzupolen. Und da er sowohl bald anstehende Züge, als auch eine potentielle Stelle parat hat, hat er nun alle Trümpfe in der Hand und mich im Sack. Statt nett anzusehende SS4G mit Güter- gibt es jetzt wieder langweilig und wie überall auf der Welt aussehende „Standard-Drehstromer“ in hässlicher Lackierung vor P-Zügen. Clever eingefädelt, muss ich schon sagen….. *grins*

Also nicht, dass ich etwas gegen Fensterzüge hätte, aber die HXD3C sind halt nun wirklich optisch nicht der Bringer. Ja, wären jetzt hier Spielarten der SS7 zu erwarten, wäre die Begeisterung schon eine andere. Aber die sind hier in der Ecke rar gesät. Aber wer weiß, vielleicht…..

Mittlerweile haben wir die Autobahn wieder verlassen und fahren eine Querspange in Richtung Qixiayingzhen. Dort an der Neubaustrecke, so unsere Luftraumspäher, sollte unweit einer Tunneleinfahrt etwas gehen.

Nur dort hin zu kommen wird etwas schwierig. Finden wir zwar, dank Sattelitenbild recht schnell die passende Einfahrt zu dem zielführenden Holperweg, doch diesen durchgängig zu benutzen ist unmöglich. Wie überall in der Region ist schon nach wenigen hundert Metern die ursprüngliche Fahrspur zu einer Matschkuhle verkommen. Und um da durch zu kommen, bräuchte es anderes Gerät als unsere stadttauglichen Möchtegern-Geländewagen.

Zu Fuß ist es zu weit. Bis wir da sind, sind die Züge schon durch. Also nach einer alternativen Route gesucht. Und die bietet sich in recht überraschender Weise. Nämlich dergestalt, dass wir einen Teil der Strecke im Fluss zurücklegen. Besser gesagt, auf einer Kiesbank, die das breite, weitgehend wasserlose Bett des selbigen ziert. Kurz mal ein Kontrollgang, dann die Einschätzung „dett hält, eeh!“.

So können wir den Pfuhl umfahren und gut 100 m weiter, mittels der Zufahrt zu einer Fuhrt und nach Queren einer losen Baumgruppe, die nun wieder trockene Fahrspur erreichen.

Der Rest ist ein Kinderspiel und nach kurzem Marsch stehen wir auch schon auf einem passenden Hügel. Soweit so gut! Wir haben unseren Teil getan. Einzig das Wetter können wir aber nicht beeinflussen und so kommt es wie es kommen muss bei dem mittlerweile wieder dichten Wolkenzug über uns, wir warten in der Sonne und der erste Zug kommt im Schatten!





HXD3C1033 mit dem Schnellzug Qiqihaer - Chengdu auf dem Weg nach Hohhot






Und auch beim folgenden Schnellzug ereilt uns dasselbe Schicksal. Pünktlich als sich die Zugspitze in der leichten Kurve vor uns sehen lässt, verdunkelt sich der Himmel.

So nutzen wir eines der Sonnenfenster wenigsten dazu, ein Lichtbild aus dem Bereich „Land, Leute und Kulturen abseits der Schienen“ anzufertigen.











Nun beginnt aber wieder das große Bibbern. Steht doch als nächstes ein Hochgeschwindigkeitszug an. Einer, mit italienischen Wurzeln, wie sie mit Vorliebe für Verbindungen genutzt werden, die noch nicht oder noch nicht ganz auf „Hochgeschwindigkeitsstrecken“ verkehren.

Das sich, nachdem wir eine ganze Weile in der Sonne standen, nun auch hier der Himmel derart verfinstert, dass der Zug fast in seiner gesamten Länge im Trüben kommt, der Zugschluss und der Hintergrund aber schon wieder hell erstrahlt, ist nun wirklich übel.





Bis zur Fertigstellung der Schnellfahrstrecke sind die CRH5A noch auf der Neubaustrecke unterwegs, auf der ansonsten die Schnellzüge unterwegs sind. CRH5A 5149 ist an diesem Tag von Ulanqap nach Hohhot unterwegs.






Da darf man sich jetzt doch wohl mal mit Fug und Recht ärgern, oder? Nur wenig Augenblicken haben gefehlt und wir hätten ein nettes, ein sehr nettes Sonnenbild eines äußerst ansehnlichen Fahrzeugs im Kasten gehabt. Aber so…. *grmbl*

Da ist das anschließende Sonnenfoto von „nur“ einer HXD3C nun auch nur noch ein schwaches Trostpflaster. Aber gut, immerhin ein Sonnenbild. Man sollte zufrieden sein, hätte es doch schließlich auch schief gehen können. Und so traben wir kurz danach auch angemessen zufrieden von dannen.





Mit einem Schnellzug ist HXD3C 0742 von Ulanqap kommend bei Qixiayingzhen in Richtung Hohhot unterwegs.






Wir haben genug gesehen. Und die Stelle ist auch nett, genug um sie sich zu merken für evtl. spätere Besuche, aber hier noch auszuharren in der Hoffnung ein zweites Sonnenloch zu erwischen, ist jetzt bei der „Fahrzeugvielfalt“ keine besonders verlockende Option. Also geht es via Wäldchen, Kiesbank und Hoppelpiste wieder zurück zur Straße und rein in das kleine, wie ausgestorben da liegende Örtchen Fuhucun. Im dortigen Dorflädchen wollen wir unsere Gier nach kalten Getränken stillen.











Doch nicht nur wir streben zu dem so landestypischen Etablissement, nein gefühlt ein Großteil der Dorfgemeinschaft scheint sich vor eben diesem und auf der gegenüberliegenden Straßenseite versammelt zu haben.

Lautstark werden die neuesten Informationen ausgetauscht und, aus gegebenem Anlass, diese komischen Langnasen bestaunt. Hurra, wir sorgen mal wieder für Gesprächsstoff, Finger zeigen und Grinsen. Schön, wenn man so im Mittelpunkt steht. Schön? Oder doch wohl mit der Zeit nurmehr irgendwie nervig?


















Bewaffnet mit braunen Erfrischungsgetränken mit blauem Etikett, die eigentlich bevorzugte Marke in Rot war leider nicht vorrätig, geht es hinein in den Spätnachmittag und hinein nach Qixiayingzhen. Einer typischen kleinen chinesischen Provinzstadt, mit un- oder nur spärlich geteerten Straßen, staubigen Fassaden und Marktständen mit darum herum standesgemäßem Gedrängel. Und so dauert es ewig, bis wir die Ortsduchfahrt gemeistert und dieses Kleinod hinter uns gelassen haben.









































Der Plan für den Rest des Tages ist klar. Strecken-Guck ist angesagt. Schließlich wollen wir morgen noch einen Tag hier verbringen. Zu sehen gibt es ja genug. Und so soll die noch verbleibende Zeit bis wir wieder zurück fahren nach Hohhot genutzt werden, um evtl. Fotoplätze auszuspähen. Und sollte dabei noch das ein oder andere Bild herausspringen, soll es uns auch recht sein.

So tingeln wir immer hauptsächlich den Gleisen entlang. Diesmal meist an der Güterbahn, bis uns gleich neben dieser ein hoher, steil aufragender Hügel ins Auge fällt, der den Rand des Tales krönt. Ideal zum raufsteigen und runter kucken. Müsste man von dort doch eine einmalige Sicht über die Gegend haben.

Also zum wohl letzten Mal am heutigen Tag die Rucksäcke geschnappt, Wasservorräte ergänzt, denn, auch wenn es die Wolken am Himmel nicht vermuten lassen, es ist auch heute wieder sau heiß und schwül, und hin marschiert zur dann doch ordentlich ansteigenden Flanke des Berges.

Mühselig ist der Anstieg und schwer zieht der Rucksack, doch oben wird man belohnt. Geht doch der Blick weit über das Tal, mit der Güterstrecke unter uns und der Personenzugstrecke, etwas abseits. Ja sogar die Trasse der im Bau befindlichen Schnellfahrstrecke lässt sich ganz hinten erkennen. Und Einheimische, die sich weiter auf einer Wiese in großen Gruppen versammelt haben, um dort recht feierlich ein großes Feuer zu schüren bzw. etwas zu verbrennen.






Eine unbekannt gebliebene HXD3C rollt auf der Neubaustrecke als Leerfahrt in Richtung Hohhot.







Auch unter Fahrdraht kommen Loks der Reihe DF8B zum Einsatz, so wie hier 5332.







Drei Strecken auf einem Blick. Während durch die Bildmitte die Ausbaustrecke verläuft, die heute fast ausnahmslos dem Güterverkehr dient, sieht man mittig am rechten Rand die Neubaustrecke für den Personenverkehr. Die dritte im Bunde ist die, zum Aufnahmezeitpunkt noch im Bau befindliche, Hochgeschwindigkeitsstrecke, auf der in Zukunft die CRH Züge dahin jagen werden.







Wirklich richtig schön hier oben. Nur das die mittlerweile fast durchgängige Wolkenschicht nun so gar kein Sonnenlicht mehr durchlassen will ist schade. Aber wie gesagt, wir haben ja diese Kuppe schon für morgen als Fixpunkt mit auf die to do Liste gesetzt. Daher erhebe ich mich auch schon nicht mehr, wenn es unten rauscht, sondern bleibe, gemütlich an meinen Rucksack gelehnt, einfach liegen und schaue mir der Vorbeifahrten entspannt an, während die anderen noch draufhalten und mit der Belichtung kämpfen.

Nur einmal, da reißt es mich dann doch. Nämlich als von rechts unvermittelt eine SS7C auftaucht. Also eine dieser, zwischen 1998 und 2006 in Datong gebauten, schicken rot-beigen BoBoBo-Maschinen, die aufgrund ihres für chinesische Verhältnisse schon durchaus hohen Alters und der doch recht geringen Stückzahl von gerade mal 171 Stück durchaus zu den Raritäten gezählt werden können.

Und so lasse ich es mir nicht nehmen, mit maximalem Teleeinsatz noch einen Nachschuss anzufertigen. Umso mehr, da sich die dahinter laufende, durchgehend grüne Garnitur, auch noch sehr kleidsam macht.





Mit einem Schnellzug aus modernen grünen Wagen ist eine BoBoBo der Reihe SS7C auf dem Weg in Richtung Ulanqap.






Diese Leistung muss gemerkt werden! Für die möchte ich morgen ordentlich stehen!

Für uns ist aber kurz nach diesem Bild für heute Schluss. Mittlerweile hat es über uns komplett zu gemacht, ein böiger Wind treibt uns Sand in die Augen und mit Fotografieren wird es heute eh nichts mehr. Also steigen wir fröhlich schwatzend ab, werfen unsere Ausrüstung in die Wagen und machen uns auf in Richtung Hohhot.

Ja, wir werden heute ein zweites Mal in der Hauptstadt der Inneren Mongolei übernachten. Aber nicht mehr im selben „Hotel“, nein, für heute Nacht darf es etwas höherwertigeres sein. Durch überschaubaren Feierabendverkehr geht’s hinein in die Großstadt, und da das Hotel recht verkehrsgünstig liegt, geht es verhältnismäßig schnell Nil dorthin zu lotsen. Autos an die Straße, einchecken, auf die Zimmer, frisch machen, kurze Indianerkonferenz.

Pascal hat Mc Donald angemahnt. Nein, noch einen Tag chinesisches Essen, dass verträgt er nicht. Er braucht jetzt mal etwas „gescheites“. Also schnell mittels Hotel-WLAN das Netz ausgewrungen und siehe da, fußläufig, also rund 3 km weiter residiert der hiesige Ableger der internationalen Burgerbraterei. Fußläufig deswegen, da er nicht davon ausgeht, dass wir mitkommen, er aber in Ermangelung eines chinesischen Führerscheins keine Möglichkeit hat, selbst mit einem unserer beiden SUV’s da hin zu fahren.

Aber wer wären wir denn, wenn wir ihn so alleine seinem Schicksal überlassen würden? Also erklären wir, zu seiner grenzenlosen Überraschung, einstimmig ihn zu begleiten. Und weil uns jetzt 3 km auch nicht viel vorkommen und wir gerne noch etwas Bewegung hätten, erst recht NACH Einnahme dieser mit jeder Menge Transfetten gesättigten Köstlichkeiten, beschließen wir ferner, uns auch per pedes dorthin zu begeben.

Und so tritt kurz danach eine gut gelaunte Horde entspannt auf die Straße hinaus, um in die avisierte Richtung zu schlendern. Und Pascal, der sich vor seinem geistigen Auge schon in Burgern, Fritten und Nuggets suhlt, immer vorneweg.

Ein Fehler uns mitzunehmen, wie sich bald herausstellen soll. Nicht nur, dass wir immer wieder vor Schaufenstern verharren um die landestypischen Auslagen zu bewundern, oder einen fliegenden Fahrradmonteur bestaunen, der kundenfreundlich seine Dienstleistungen vor Ort anbietet…..











……nein, mit zunehmend verstreichender Zeit steigt auch unser Hunger, während die Wegstrecke bis zum Burgerbrater nun so gar kein Ende nehmen will. Und so kommt es wie es kommen muss, bei jedem Lokal bleiben wir stehen, oder verlangsamen zumindest zusätzlich noch unsere Schritte, nur um lautstark zu diskutieren, dass man hier doch bei unverzüglichem Betreten, in relativ kurzer Zeit einen relativ hohen Grad an Sättigung erreichen könnte und würde.

Und spätestens als wir an einem der Häuser große Leuchtschilder sehen, auf denen neben diversen Pizzen und Nudelgerichten auch Bilder großer Steaks prangen, ist es um unseren Willen nur einen Schritt weiter zu gehen, geschehen.

Und so muss sich der arme, unglückliche ein weiteres Mal der Masse beugen und mit uns hinaufsteigen, zum Hort vermeintlicher kulinarischer Genüsse.

Doch nicht nur er wird in diesem Moment brutal aus seinen Träumen gerissen, um auf dem Boden der Realität erbarmungslos zerschmettert zu werden, nein, auch uns, die wir gerade noch so triumphal aufsteigen wird schon bald ein ähnliches Schicksal ereilen!

Zuerst wird es aber mal äußerst skurril und lustig. Im ersten Stock angekommen finden wir uns vor einem Tresen wieder, an dem drei recht hübsche junge Mädchen sitzen, die bei unserem Anblick sofort knall rot werden und in das allbekannte, schüchterne Gekicher verfallen. Sich gegenseitig nach vorne schubsend, versuchen sie uns, in wechselnden, freundlich und mit Verlauf des Gesprächs zunehmend eindringlicher werdenden Ansprachen von irgendwas zu überzeugen. Da unsere Chinesisch Kenntnisse aber auch nach fast zwei Wochen kurz hinter Bier, Guten Tag und Bitte festklemmen, schauen wir uns hilfesuchend um, ob irgendwas was hier hängt oder steht uns helfen kann, etwas Licht in die Sache zu bringen. Und dabei fällt unser Blick auf ein Schild, auf dem die Öffnungszeiten vermerkt sind. Gut, der Schuppen hat nurmehr gut eineinhalb Stunden offen. Aber das reicht uns voll. Was haben die drei denn nur?

Also versuchen wir, während die kichernde Bande vor uns immer intensiver versucht uns was klar zu machen, mittels abwechselndem deuten auf Schild und Uhr, sowie eindrucksvollem Ausdruckstanz, denen klar zu machen, die Zeit wäre kein Problem und dass sie uns pünktlich wieder los werden.

Allein es hilft nix! Wir kommen nicht zusammen!

Doch dann, oh Wunder, beugt sich eine der Grazien nach vorne, fördert ein in Servietten eingeschlagenes Besteck hervor, um mit der freien Hand „Geldzählbewegungen“ anzudeuten. Und schon ist alles klar! Großes Gelächter allerseits, Geld wird über den Tresen gereicht, im Gegenzug wechseln fünf dieser Bündel die Seite!

Wir sind in einem „europäischen Lokal“ gelandet. Und dort gibt es, wie bei uns eben beim Chinesen, natürlich auch das landestypische Essbesteck, nämlich Messer, Gabel und Löffel. Und da diese bei den Besuchern wohl als besonders exotisches Souvenir gelten und dementsprechend dem heimischen Haushalt zugeführt werden, muss man für selbiges Pfand bezahlen. So einfach ist das!

Mit breitem Grinsen und in Erwartung dicker Fleischstücke betreten wir das Lokal und schwubbs, schon befinden wir uns gefühlsmäßig auf demselben Level wie Pascal. Desillusioniert und am Rande der kulinarischen Verzweiflung. Von Steaks weit und breit keine Spur. Dafür Warmhaltegefäße mit lauen Pizzastücken, zweifelhaften Nudelgerichten und Schüsseln mit diversen Salaten. Alles so authentisch, wie eben bei uns der Chinese um die Ecke.

Aber trotzdem, auch durch diese enorme Kluft zwischen Werbung, Hoffnung und schnöder Realität lassen wir uns jetzt die Laune nicht verbiegen. Spätestens nachdem die ersten Stücke lauwarmer Pizza der Qualitätsstufe „Auftaupizza aus dem Supermarkt“ unseren Gaumen passiert haben, heruntergespült mit einem gut gekühlten örtlichen Gerstensaft, können wir uns wieder voller Muse und Genuss den um uns herumsitzenden und johlenden, meist jungen Chinesen beiderlei Geschlechts widmen, wie sie in Gruppen mit an Selbstmord grenzender Behändigkeit versuchen, Messer und Gabel richtig einzusetzen. Ein Anblick für Götter!

Nil und ich sind derweil etwas abseits der Wärmeplatten auf die Suche gegangen und haben tatsächlich etwas entdeckt. Nämlich etwas was man durchaus als „do it yourself mongolian barbeque“ bezeichnen könnte.











An der Wand verteilt stehen einige kleine Heizplatten mit Grill, an denen man, die auf der gegenüberliegenden Seite aufgereihten Gemüse und Fleischscheiben, unter Zuhilfenahme von diversen Saucen und Gewürzen garen kann. Auf einen Hocker vor dem Grill hindrapiert wartet man dergestalt, bis sich die Rohware in etwas Essbares verwandelt hat.

Nicht schlecht dieses Konzept, wenn auch etwas mühsam immer portionsweise zwischen Tisch und Bräter hin und her zu pendeln. Und dass das „Fleisch“ nichts mit dem zu tun hat, was bei uns unter dieser Bezeichnung läuft und was auch hier auf der Außenwerbung gezeigt wird, versteht sich ja fast von selbst. Es handelt sich vielmehr um diese undefinierbaren Scheiben, die irgendwie an Bauchspeck bei uns erinnern, und die, obwohl laut Beschriftung unter verschiedenen Bezeichnungen laufend, alle irgendwie gleich ausschauen.

Egal, satt hat es gemacht, und irgendwie hat’s auch geschmeckt. So geht es gesättigt und nun doch rechtschaffen müde zurück ins Hotel. Dort angekommen wollen wir uns eigentlich nur noch ohne Verzug in die Federn werfen, als es heftig an der Tür klopft.

Davor ein doch recht aufgelöster Gubi, der uns sofort nach Eintreten fragt, ob bei uns auch kleine schwarze Punkte unterwegs wären. Auf unsere doch wohl etwas verstört wirkenden Blick erklärt er nun etwas ausführlicher, dass bei Gunar und ihm im Zimmer irgendwelche Krabbelviecher zu Gange wären und sie nun die Befürchtung hätten, hierbei würde es sich um Wanzen handeln. Und zugegebenermaßen, die braucht nun wirklich keiner.

Also visitiere ich schnell unsere eigene Bettstatt, während Nil sich zur Inaugenscheinnahme mit Gubi auf in deren Zimmer macht. Sein Bericht als er zurückkommt beinhaltet, dass er wohl dem ein oder anderen Insekt ansichtig geworden ist, es sich dabei aber, seiner nach eigenen Worten unmaßgeblichen Meinung nach, nicht um Wanzen handeln würde, sondern um irgendwelche Käferlein.

Gut, macht die Sache nun auch nur bedingt schöner und so können wir mit den beiden anderen mitfühlen, die sich nur äußerst widerstrebend zur Nachtruhe begeben, und dabei vehement feststellen, nicht nochmal in diesem Haus schlafen zu wollen.

Wir unsererseits blenden erstmal alle Gedanken an evtl. Mitbewohner aus, schließen die Augen und träumen uns in einen hoffentlich sonnigen morgigen Tag!